Bürgerentscheid in Wiesbaden: Autofans stoppen Tramprojekt
Die hessische Landeshauptstadt soll keine Straßenbahn bekommen. Das Argument dagegen: Für die Tram würden Parkplätze geopfert.
Wiesbadens Oberbürgermeister Gert Uwe Mende (SPD) hatte von einer „Jahrhundertchance“ für die Stadt gesprochen und wie die mitregierenden Parteien CDU und die Grünen für das Projekt geworben. Doch bei dem Plebiszit am Sonntag stimmten 62 Prozent gegen und nur 38 Prozent für das Projekt. Die Beteiligung war mit 45 Prozent hoch.
„Es gibt keinen Plan B“, bekannte der grüne Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol nach der Abstimmung. Er wird jetzt ein neues Konzept für die Luftreinhaltung entwickeln müssen. „Dieselfahrverbote sind noch nicht vom Tisch“, räumte Kowol ein.
Nicht nur die Umweltaktivisten von Fridays for Future und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, auch die Industrie- und Handelskammer und der Deutsche Gewerkschaftsbund hatten für die Citybahn geworben. Der Betriebsrat der Verkehrsbetriebe ESWE hatte sich stellvertretend für die BusfahrerInnen ebenfalls für die Wiederbelebung des Schienenverkehrs in der Stadt eingesetzt.
Abenteuerliche Rechnungen
Doch es gelang zwei Bürgerinitiativen, die Stimmung zu drehen. Unter dem Motto „Busse statt Citybahn!“ sammelten sie Unterschriften. Auf Flugblättern wurden abenteuerliche Rechnungen für einen umweltfreundlichen Busverkehr aufgemacht. Da wird die Umrüstung von Dieselbussen mit „Wasserstoff-Generatoren“ einer österreichischen Firma vorgeschlagen. Die koste angeblich nur wenige Hundert Euro und sorge für 30 Prozent Einsparung beim Diesel und für 87 Prozent weniger Abgase. Zauberei? Plakate an Alleebäumen im Stadtteil Biebrich verkündeten – wahrheitswidrig –, die Bäume müssten für die City-Bahn fallen. Die Contra-Aktivisten sagten „Parkplatzschwund“ und Baustellenchaos voraus.
Von einer „polarisierenden Debatte“ sprach denn auch nach der Abstimmung OB Mende und kündigte gleichwohl an, den Mehrheitsbeschluss „mit Demut“ anzunehmen. „Es tut mir leid für unsere Nachbarn, die große Erwartungen in die Citybahn gesetzt hatten“, sagte der Politiker. FDP und Freie Wähler freuten sich dagegen mit dem Contra-Bündnis. Dessen Sprecher stellte fest: „Das Ergebnis zeigt, dass die Kommunalpolitik das Ohr nicht an der Bürgerschaft hat.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben