Appell gegen deutsche Aufrüstungspläne: 600 gegen 100 Milliarden
Ein illustrer Kreis aus Wissenschaft, Kunst und Kultur sowie den Gewerkschaften protestiert gegen die geplante massive Steigerung der Militärausgaben.
Ihr Protest richtet sich gegen das geplante 100-Milliarden-Euro-„Sondervermögen“ für die Bundeswehr ebenso wie gegen das Vorhaben, dauerhaft mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das deutsche Militär auszugeben. „Die auf Jahrzehnte geplante Hochrüstung beendet das Sterben in der Ukraine nicht, macht unsere Welt nicht friedlicher und nicht sicherer“, heißt es in dem Appell. „Wir können sie uns im Namen der Zukunft nicht leisten.“
Zu den Erstunterzeichner:innen gehören zahlreiche Wissenschaftler:innen, darunter die Soziologen Klaus Dörre, Hartmut Rosa und Stephan Lessenich, der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler sowie die Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, Ulrich Brand und Frank Deppe. Unterschrieben haben auch die Theolog:innen Margot Käßmann, die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und des Deutschen Ethikrats.
Ebenfalls dabei sind die Schriftsteller:inen Kathrin Röggla und Eugen Ruge, der Verleger Jörg Sundermeier, die Journalist:innen Şeyda Kurt und Günter Wallraff. Mit an Bord sind die Schauspieler:innen Corinna Harfouch, Katja Riemann, Annette Frier und Robert Stadlober, die Theaterregisseure Milo Rau und Volker Lösch, der Kabarettist Max Uthoff sowie die Musiker Bela B. von den „Ärzten“, Sebastian Krumbiegel von den „Prinzen“, Torsten Schulz von den „Beatsteaks“ und der unverwüstliche Konstantin Wecker.
Etliche Gewerkschafter:innen wie der geschäftsführende IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban, der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller oder die nordrhein-westfälische Ver.di-Chefin Gabriele Schmidt gehören zu den Unterstützer:innen. Das gilt auch für den Ex-IG-Metall-Chef Jürgen Peters und das ehemalige grüne DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
Eindeutige Verurteilung von Putins Angriffskrieg
Mit deutlichen Worten verurteilen die Verfasser:innen des Appells den russischen Überfall auf die Ukraine, der durch nichts zu rechtfertigen sei. Putins Begründungen für den Krieg seien „Lügen und Propaganda“, er trage „die volle Verantwortung für die Toten und die Menschen auf der Flucht“.
Gleichwohl könne dieser Krieg und die fürchterlichen Bilder der Toten und Zerstörungen in der Ukraine „eine radikale Kursänderung in der deutschen Außenpolitik und die höchste Steigerung der deutschen Rüstungsausgaben seit dem Zweiten Weltkrieg – gar durch eine Grundgesetzänderung – nicht rechtfertigen“, heißt es in dem Appell. „Die neu anzuschaffenden Waffen werden die Ukrainer:innen in ihrem Kampf und Recht auf Selbstverteidigung nicht unterstützen.“
Die Appell-Verfasser:innen verweisen darauf, dass schon jetzt die Militärausgaben aller 30 Nato-Staaten die russischen um fast das Zwanzigfache übersteigen. Sie befürchten, dass eine massive Steigerung der deutschen Rüstungsausgaben in Kombination mit der Ankündigung der Bundesregierung, an der Schuldenbremse festzuhalten, „die Gefahr massiver Kürzungen im sozialen, im kulturellen, im öffentlichen Bereich mit sich bringt“.
Sie fordern demgegenüber eine „breite demokratische Diskussion über ein umfassendes Sicherheitskonzept, das die Sicherheit vor militärischen Angriffen genauso einschließt wie pandemische und ökologische Aspekte“. Nicht Hochrüstung, sondern Sicherheit und soziale Gerechtigkeit seien Auftrag des Grundgesetzes.
Unter dem Appell stehen, wenig verwunderlich, diverse Mitglieder der Linkspartei, an der Spitze Gregor Gysi. Aber mit dabei sind ebenso Politiker:innen der Regierungsparteien SPD und Grüne, wenn auch nicht aus den vorderen Reihen.
So gehört der niederrheinische SPD-Bundestagsabgeordnete Jan Dieren ebenso zu den Initiator:innen des Appells wie die frühere hessische SPD-Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzende Andrea Ypsilanti. Bekannteste Grüne sind Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus, die Bundessprecher:innen der Grünen Jugend, sowie der mittlerweile 82-jährige Ex-Parteivorsitzende Hans-Christian Ströbele.
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