Weltweite Hungerkrise: Fleischverzicht gegen Putin
Die Europäer verfügen über eine gewaltfreie Waffe gegen Putins Russland: weniger Fleisch essen. Doch leider nutzen sie sie nicht. Wie schade.
G etreide ist knapp und teuer. Millionen Menschen wissen kaum noch, wie sie sich ernähren sollen. Die Not trifft Sri Lanka genauso wie Ägypten oder den Libanon. Für den Westen steht schon fest, wer schuld ist: Putin. Er würde „den Hunger als Waffe“ missbrauchen, indem er die Getreideexporte der Ukraine blockiert.
Natürlich ist nicht zu bestreiten, dass Putin ein zynischer Despot ist. Trotzdem wäre es zu einfach, den weltweiten Hunger als eine Art bedauerlichen Kollateralschaden des Ukrainekrieges abzuhaken. Der Westen ist nicht machtlos. Stattdessen wäre es sogar ganz einfach, den Getreidenotstand abzuwenden: Man müsste nur weniger Fleisch essen.
In der Werbung stehen Kühe zwar immer auf grünen Wiesen, aber in der schnöden Wirklichkeit fressen die meisten Nutztiere kein Gras, sondern Getreide und andere Futtermittel. Mindestens die Hälfte des EU-Getreides landet in Tiermägen. Dieser Umweg ist eine extreme Verschwendung, denn es können bis zu zehn Getreidekalorien nötig sein, um eine einzige Fleischkalorie zu erzeugen. Schließlich müssen die Tiere erst einmal am Leben bleiben, bevor sie Gewicht ansetzen können. Das kostet Energie.
Der maßlose Fleischkonsum hat abstruse Konsequenzen: Das reiche Europa ernährt sich auf Kosten der restlichen Welt. Die Umweltorganisation WWF hat ausgerechnet, dass die EU 11 Prozent der verzehrten Kalorien und 26 Prozent des Proteins importiert.
Fleischkonsum ist gefährlich – für Gesundheit und Klima
Die Europäer würden nicht leiden, wenn sie weniger Fleisch konsumierten. Im Gegenteil. Das viele Fleisch macht krank. Unter anderem begünstigt es Darmkrebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme, Nierenversagen, chronische Entzündungen, Arthrose und Rheuma. Besonders gefährlich ist verarbeitetes Fleisch, also die geliebte Wurst. Sie ist so tödlich wie Nikotin – sagt die Weltgesundheitsorganisation.
Derzeit essen die Deutschen im Durchschnitt 60 Kilo Fleisch pro Jahr. Verträglich sind aber nur maximal 15 Kilo, macht 300 Gramm in der Woche. Es wäre also eine Win-win-Situation, wie es auf Neudeutsch heißt: Wenn die Europäer an ihre eigene Gesundheit dächten, könnten sie genug Getreide freischaufeln, damit sich die Menschen im Globalen Süden nicht mehr um ihr tägliches Brot sorgen müssen.
Nebenbei würde es auch dem Klima helfen, wenn der Fleischkonsum sinkt, denn eine ausgewachsene Kuh stößt pro Tag rund 300 Liter Methan aus. Dieses Treibhausgas ist etwa 25 Mal so schädlich wie das CO2.
Doch der eigene Konsum ist in Europa sakrosankt. Über Verzicht darf nicht geredet werden, selbst wenn er die Gesundheit fördern würde. Das ist völlig unverständlich, denn für Putin wäre es eine strategische Niederlage, wenn er die Macht über die weltweiten Getreidemärkte verlieren würde. Die Europäer verfügen über eine gewaltfreie Waffe und nutzen sie nicht. Wie schade.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?