Völkermordklage gegen Israel in Den Haag: Täter sind schlechte Richter
In Südafrika und Namibia ist man über Deutschlands Arroganz irritiert. Der deutsche Zeigefinger zeigt sich von seiner hässlichen Seite.
A frika wird immer wichtiger, Deutschland strebt eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ an. Diese Feststellung gehört zu den Gemeinplätzen deutscher Sonntagsreden und Ansprachen bei Afrikareisen. Aber werktags hört der Respekt auf.
Es war zwar Zufall, dass der Verhandlungsbeginn beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag über Südafrikas Klage gegen Israel wegen Völkermordes in Gaza mit dem 120. Jahrestag des Beginns des deutschen Völkermordes an den Herero und Nama auf dem Gebiet des heutigen Namibia zusammenfiel.
Es war aber Absicht, dass die Bundesregierung als Regierung zu diesem Jahrestag kein Wort verlor und am gleichen Tag Südafrikas Völkermordvorwurf in einer Erklärung genau zum Ende des südafrikanischen Vortrags in Den Haag pauschal zurückwies: „Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage.“ So, als hätten die südafrikanischen Juristen den ganzen Tag nur Blödsinn geredet und als brauche man gar kein IGH-Urteil abzuwarten, um das zu wissen.
Missachtung der internationalen Justiz, Zurückweisung juristischer Argumente ohne Prüfung, Ignoranz eines Gedenktages – alles in einer einzigen dürren Erklärung. Chapeau. In Südafrika ist man über Deutschlands Arroganz irritiert. Namibias Präsident hat nun in einer vernichtenden Stellungnahme Deutschland vorgeworfen, keine Lehren aus seiner eigenen Geschichte gezogen zu haben.
Die Bundesregierung sagt: „Angesichts der deutschen Geschichte und des Menschheitsverbrechens der Shoa sieht sich die Bundesregierung der Konvention gegen Völkermord besonders verbunden.“ Aber bloß weil Deutschland als einziges Land der Erde gleich zwei international anerkannte Genozide im 20. Jahrhundert verübte, hat sein erhobener Zeigefinger kein doppeltes Gewicht. Täter sind schlechte Richter.
Statt afrikanische Staaten über Genozide zu belehren, sollte Deutschland die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen in Afrika voranbringen, die erst ganz am Anfang steht. Insbesondere in Namibia, wo die Nachkommen der Völkermordüberlebenden bis heute auf Reparationen warten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe