Umstrittene taz-Kolumne zu Polizei: Nicht strafbar
Die Staatsanwaltschaft wird wohl keine Ermittlungen gegen Hengameh Yaghoobifarah einleiten. Die Kolumne der taz-Autor*in hatte eine Kontroverse ausgelöst.
Das erfuhr die taz aus Kreisen der Berliner Staatsanwaltschaft. Yaghoobifarah schreibt seit 2016 in der taz eine Kolumne. Am 15. Juni beschäftigte sie sich unter dem Titel „All cops are berufsunfähig“ mit der Frage, was mit Polizeibeamt:innen geschehen soll, sollte die Polizei aufgelöst werden.
Ihre Antwort: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“ Die Kolumne führte zu kontroversen Diskussionen, auch in der taz.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei stellten Strafanzeige gegen die Kolumnist*in. Sogar Innenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte zunächst eine Anzeige an, verzichtete jedoch nach heftiger Kritik. In einer Pressemitteilung beharrte er jedoch darauf, dass nach seiner Auffassung „Straftatbestände erfüllt“ seien.
Verfahren formal nicht abgeschlossen
Seitdem prüft die Berliner Staatsanwaltschaft, ob sie gegen Yaghoobifarah ein förmliches Ermittlungsverfahren einleitet oder nicht. Konkret geht es um die Delikte „Volksverhetzung“ und „Beleidigung“. Voraussetzung für ein Ermittlungsverfahren wäre der Anfangsverdacht, dass ein Strafdelikt begangen wurde.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Staatsanwaltschaft keinen Anfangsverdacht für eine Straftat sieht, weil Yaghoobifarahs Kolumne von der Meinungsfreiheit gedeckt war. Das Verfahren ist formal jedoch noch nicht abgeschlossen. Anlass für die Nachfragen bei der Staatsanwaltschaft ist eine Verhandlung beim Deutschen Presserat, der sich an diesem Dienstag aus presseethischer Sicht mit der Polizei-Kolumne beschäftigt.
Yaghoobifarah schrieb in der taz-Stellungnahme für den Presserat: „Meine Kolumne ist eine Kritik am strukturellen Rassismus der Polizei“. Sie verwies unter anderem auf die einseitigen Ermittlungen gegen Migrant_innen nach den NSU-Morden und die Praxis des Racial Profiling. Die „Satire“, die „Polemik“ habe einen „sachlichen Kern“. „Damit sage ich nicht, dass jede_r einzelne_r Polizist_in rassistisch ist.“
Yaghoobifarah weist auch eine angebliche Gleichsetzung von Polizisten und Abfall zurück: „Wenn ich sage: Umgeben von Abfall, dann bedeutet es eben: Nicht umgeben von Menschen oder Tieren, die unter einem Machtmissbrauch leiden könnten. Wenn ich sage: unter ihresgleichen, dann heißt es eben: unter Ex-Cops.“
Yaghoobifarah erhielt nach Erscheinen der Kolumne Mord- und Bombendrohungen. Die Journalist*in bekam auch Drohmails, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren. Die taz garantiert ihrer Autor*in rechtliche Unterstützung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste