Peta-Aktivistin über Speiseinsekten: „Insekten sind empfindungsfähig“
Bettina Eick von der Tierrechtsorganisation Peta kritisiert die EU, Grillen als Speiseinsekten zuzulassen. Tierleid sei nur ein Problem von vielen.
taz: Frau Eick, seit Dienstag darf eine vietnamesische Firma gemahlene Insekten als Lebensmittel auch in Deutschland verkaufen. Bayern Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) empört sich, das werde nur gemacht, damit Veganer tierisches Eiweiß bekämen. Könnte man Insekten in Lebensmitteln als vegetarisch bezeichnen?
Bettina Eick: Nein, definitiv nicht. Insekten sind weder vegetarisch und natürlich erst recht nicht vegan, weil das ein getötetes Tier ist, was dann irgendeinem Produkt beigemischt wird.
Grillen und andere Insekten scheinen sich nicht unbedingt daran zu stören, in großen Ansammlungen unterwegs zu sein. Könnte man also Insekten ohne Weiteres in Massentierhaltung züchten?
Definitiv nicht. Klar kommen manche Insektenarten in der Natur auch in großen Schwärmen vor, allerdings natürlich auch in viel, viel größeren Gebieten. Die Zucht von Massen an diesen Insekten, die dann dicht an dicht gedrängt gehalten werden, und auch die Tötung durch Schockfrosten oder teilweise auch Verbrühen ist natürlich alles andere als artgerecht oder frei von Tierleid.
Bettina Eick ist seit 2020 Fachreferentin für Ernährung bei Peta Deutschland. Sie hat Biologie an der Universität Hohenheim studiert.
Sind Insekten eigentlich intelligent?
Insekten sind Tiere, die empfindungsfähig sind, das zeigt der aktuelle Stand der Wissenschaft. Insekten haben zum Beispiel ein Nervensystem und Schmerzrezeptoren. Und sie haben tatsächlich auch die Fähigkeit zu lernen und vermeiden so Situationen, in denen sie negative Erfahrungen gemacht haben. Fruchtfliegen verhalten sich auch auf eine bestimmte Art und Weise, die darauf schließen lässt, dass sie chronische Schmerzen wahrnehmen können. Also Insekten haben definitiv die Fähigkeiten dazu, Schmerzen und auch andere Gefühle wahrzunehmen, und sind auf ihre Art und Weise auch intelligent.
Und gilt das auch für Grillen, für die jetzt die neue EU-Verordnung gelten soll?
Genau. Man hat das natürlich an verschiedenen Insektenarten untersucht, auch bei verschiedenen Heuschreckenarten und anderen Insektenarten, die dann auch für die Ernährungsindustrie verwendet werden.
Einige Insektenarten enthalten fast alle Nährstoffe, die wir als Menschen brauchen. Könnte man sagen, dass man mit Insektenzucht die Haltung von Kühen und Schweinen beenden könnte?
Wir brauchen weder das Protein von dem Fleisch aus Kühen, Schweinen, Fischen oder anderen Tieren noch das von Insekten, um unseren Proteinbedarf oder auch den Bedarf an irgendwelchen anderen Nährstoffen zu decken. Wir könnten auf beides verzichten, denn wir können mit einer ausgewogenen veganen Ernährung alle Nährstoffe rein pflanzlich decken. Und das ist tatsächlich sowohl ethisch als auch von den Umweltaspekten die beste Art und Weise, unseren Nährstoffbedarf zu decken.
Wie groß wäre denn der Ressourceneinsatz für eine Haltung von Insekten?
Wenn wir jetzt rein auf die Ressourcen schauen, ist natürlich die Insektenhaltung ressourcenschonender als die von Rindern oder Schweinen. Aber trotzdem verbraucht das mehr Ressourcen, als wenn wir Nahrung anbauen, die Menschen direkt konsumieren. Denn auch Insekten sind Tiere, die natürlich erst selbst Nahrung konsumieren müssen, um dann beispielsweise Proteine aufbauen zu können.
Könnte man trotzdem mit Insektenzucht einen Beitrag dazu leisten, den Welthunger zu beenden?
Man könnte auf jeden Fall mit einer weltweiten veganen Ernährung den Welthunger beenden. Wir haben ein Verschwendungsproblem auf der Welt. Wir bauen in riesigen Massen Pflanzen an, die wir dann an sogenannte Nutztiere als Nahrung geben. Es wäre viel, viel sinnvoller, Pflanzen für den direkten menschlichen Konsum anzubauen.
Andere Frage: Hätte die Zucht von Insekten Folgen für das weltweite Insektensterben?
Da die Tiere ja direkt gezüchtet werden und jetzt nicht aus der freien Natur entnommen werden, hat es jetzt zumindest keinen direkten Einfluss. Aber es kann schon sein, dass Insektenzucht die Lebensräume von wildlebenden Insekten beeinflusst. Die Variante, weniger und für den direkten menschlichen Verzehr anzubauen, ist für Wildtiere, also auch für wilde Insekten, die beste Alternative.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“