Parteigründung von Sahra Wagenknecht: Bis auf Weiteres eine Luftnummer
Vermarkten kann Sahra Wagenknecht sich, keine Frage. Ihre neue Partei bewirbt sie wie ein windiges Start-up. Ob das reicht?
W er ein neues Produkt auf den Markt bringen will, der muss erst einmal ein Team um sich scharen. Er muss den Markt analysieren, die Konkurrenz beobachten und die eigenen Zielgruppen definieren. Man braucht einen Marketingplan, und man muss die Medien für sich gewinnen. Und dann braucht es einen Termin, an dem das neue Produkt der Öffentlichkeit vorgestellt wird: So sieht die Checkliste für einen erfolgreichen Produktlaunch aus.
Sahra Wagenknecht hat all diese Punkte beachtet. Am Montag hat sie, unter großem öffentlichem Rummel, mit einigen Getreuen in Berlin ihre Pläne für eine neue Partei vorgestellt. Ihre Analyse ist nicht ganz falsch: Viele sind mit der gegenwärtigen Politik unzufrieden. Wagenknecht möchte diese Enttäuschten einfangen, damit sie nicht bei der AfD landen. Aber über ein Patentrezept dagegen verfügt auch sie nicht. Denn die Menschen sind aus ganz unterschiedlichen Gründen enttäuscht. Und mit wem will Wagenknecht eine andere Politik machen? Das bleibt ein Rätsel.
Ihr skizziertes Programm ist erwartbar: in Fragen der Wirtschaft, der Außenpolitik und in sozialen Fragen sozialdemokratisch bis links, bei Zuwanderung, Klima und in gesellschaftlichen Fragen konservativ bis rechts. Ein bisschen wirkt es wie am Reißbrett entworfen, wie das Produkt einer Marktforschungsagentur. Wagenknecht glaubt, damit eine Lücke im politischen Angebot zu füllen. Aber ob es die Zielgruppe, die ihr vor Augen steht, wirklich gibt, ist fraglich.
Wagenknecht kann sich auf Umfragen stützen, wonach sich mehr als ein Viertel der Deutschen vorstellen könnten, ihre Partei zu wählen. Doch solche Umfragen sind mit Vorsicht zu genießen. Einem Realitätstest musste sich Wagenknecht bisher nicht unterziehen. Das wird erst passieren, wenn ihre Partei, wie geplant, im kommenden Jahr bei Wahlen antritt. Bis dahin ist sie noch eine Luftnummer. Dass sie ihre Fans dazu aufruft, dafür Geld zu spenden, wirkt etwas unseriös. Es erinnert an Start-up-Leute, die mit halbgaren Geschäftsmodellen Kasse machen.
Was soll dieses Kürzel BSW?
Und noch einen kleinen Schönheitsfehler hat das „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“, wie es sich nennt. Das Kürzel BSW klingt mehr nach einer Hausverwaltung oder nach einer berüchtigten Rinderkrankheit, die eingedämmt wurde. Wäre „Die Sahra“ nicht eingängiger und effektiver gewesen?
Sahra Wagenknecht ist eine Marke für sich, eine erfolgreiche Publizistin, geübte Rednerin und ein gern gesehener Talkshow-Gast. Ob sie als Galionsfigur für eine erfolgreiche Partei taugt, wird sich zeigen. Es spricht wenig dafür.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance