Ist die Letzte Generation kriminell?: Eine Frage der Demokratie
Das Landgericht München hat den Verdacht bestätigt, die Letzte Generation sei eine kriminelle Vereinigung. Die Argumentation überzeugt aber nicht.
I m Mai fanden bundesweit Hausdurchsuchungen bei Aktivist:innen der Letzten Generation statt. Es wurden Computer mitgenommen, das Spendenkonto wurde beschlagnahmt, ebenso die ursprüngliche Homepage. Grundlage waren Ermittlungsverfahren gegen die Betroffenen wegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“ oder deren Unterstützung. Das Amtsgericht München hatte die Razzien vorab abgesegnet. Das Landgericht München I hat dies nun bestätigt: Es bestehe der Anfangsverdacht, dass die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung ist.
Zwei zentrale Argumente hat das Landgericht hierfür: Zum einen sei die Begehung von Straftaten - insbesondere von Straßenblockaden - einer der Zwecke der Letzten Generation. Außerdem bestehe eine „erhebliche Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit, weil die Letzte Generation die Demokratie in Frage stelle: „Entscheidend ist, dass der gesellschaftliche Diskurs durch illegitime Mittel verletzt wird, indem eine Gruppierung versucht, sich – gegebenenfalls moralisch überhöhend – über die rechtsstaatliche Ordnung und die demokratischen Abläufe zu stellen“, so die zentrale Aussage des Münchener Gerichtsbeschlusses.
So zugespitzt wurde bisher nicht vertreten, dass die Letzte Generation deshalb eine kriminelle Vereinigung sei, weil sie sich nicht an die demokratischen Regeln hält. Auf den ersten Blick leuchtet die Argumentation der Richter:innen aber ein. Denn die Letzte Generation will ja Regeln verletzen, um auf die die Dringlichkeit einer anderen Klimapolitik hinzuweisen.
Doch für einen rechtsstaatlichen Umgang mit zivilem Ungehorsam würde es genügen, wenn die Aktivist:innen für die Delikte bestraft werden, die sie konkret begangen haben, also vor allem für die Nötigung von Autofahrer:innen. Dass zusätzlich auch noch jede mitgliedschaftliche Handlung und jede Unterstützung, zum Beispiel durch Geldspenden, unter Strafe gestellt wird, scheint mit Blick auf den Schutz der Demokratie dagegen übermäßig.
Ungehorsam als Korrektiv der Demokratie
Schließlich lehnt die Letzte Generation die Demokratie ja gerade nicht ab, sondern appelliert mit ihren Aktionen an die gewählten demokratischen Organe, also an die Bundesregierung und den Bundestag. Es mag für Jurist:innen nur schwer zu verstehen sein, aber ziviler Ungehorsam ist nicht demokratiefeindlich, er versteht sich als notwendiges Korrektiv innerhalb der Demokratie.
Es mag andere Begründungen geben, warum die Letzte Generation die öffentliche Sicherheit „erheblich“ gefährdet (etwa ihre Drohung, ganze Städte lahmzulegen und die öffentliche Ordnung „maximal“ zu stören). Die Argumentation des Landgerichts München I kann dagegen nicht überzeugen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW