Debatte um AKW-Abschaltungen: Fatales Signal an die Wirtschaft
Wie weit AKWs eine Rolle für die Stromversorgung spielen, ist nicht entscheidend. Jetzt geht es darum, die allgemeine Verunsicherung zu begrenzen.
![AKW Isar2 im Abendlicht AKW Isar2 im Abendlicht](https://taz.de/picture/5783409/14/30848732-1.jpg)
Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie.“ Man kann von Ludwig Erhard halten, was man will, doch die wenigsten würden wohl bezweifeln, dass dieser Satz zutreffend ist. Wie optimistisch die Zukunft eingeschätzt wird, entscheidet darüber, ob Unternehmen investieren und Verbraucher*innen Geld ausgeben. Wegen der Energiekrise und der von ihr getriebenen Inflation ist die Stimmung kurz gesagt: schlecht. Alle maßgeblichen Ökonom*innen gehen von einer bevorstehenden Rezession aus.
Vor diesem Hintergrund die drei verbleibenden AKWs nicht wenigstens im Streckbetrieb weiterlaufen zu lassen, ist ein fatales Signal an die Wirtschaft. Selbst wenn die Atomenergie für die Stromversorgung keine Rolle spielt, wie das Wirtschaftsministerium behauptet, geht es eben nicht allein um Zahlen und Fakten, sondern auch um Befürchtungen und Einschätzungen. Je pessimistischer die Lage gesehen wird, desto stärker wird die Rezession.
Hinzu kommt nun auch noch, dass die Betreiber der betroffenen AKWs klipp und klar sagen, dass sich ihre Anlagen rein technisch nicht einfach innerhalb einer Woche hoch- und runterfahren lassen. Man fragt sich, welche Ministeriumsmitarbeiter die Entscheidungsvorlage für den Minister eigentlich so dilettantisch vorbereitet haben. Die Pförtner?
Auch viele EU-Partner halten es für, nun ja, sehr speziell, dass Deutschland mitten in der schwersten Energiekrise der Nachkriegszeit drei moderne Atomkraftwerke abschaltet. Ob sie unter diesen Umständen bereit sind, Deutschland bei der Beschaffung von Flüssiggas entgegen zu kommen? Der Enthusiasmus dürfte dadurch wohl kaum in den Himmel gewachsen sein. Die Entscheidungen rund um Atomkraft und Laufzeitverlängerungen sind jedenfalls politisch und technisch betrachtet ein einziger großer Murks.
Es liegt zum Teil daran, dass ein echter Kompromiss der Koalitionspartner unerreichbar war. Für Grüne ist Atomkraft nicht nur als Technologie ein Risiko. Würde Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck die Laufzeit in irgendeiner Form verlängern, wäre er wahrscheinlich in seiner Partei und im Rennen um die nächste Kanzlerkandidatur erledigt. Die Grünen-Anhänger, die mehrheitlich das Weiterlaufen der Nuklearanlagen befürworten, wären kein Problem.
Doch die Parteimitglieder und -funktionäre von der Basis bis zum Bundestag würden ihm das nie verzeihen. Diese innerparteilichen Probleme ändern jedoch nichts daran, dass ein Streckbetrieb der drei bestehenden Atomkraftwerke mindestens bis zum Frühjahr vernünftig wäre. Aber Politik ist eben auch zu 50 Prozent Psychologie.
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