Hartz-IV-Anspruch wegen Nachforderung: Bei Gaspreis-Stress zum Jobcenter
Berater rechnen mit mehr Anträgen beim Jobcenter, wenn Heiznachzahlungen kommen. Eine Nachforderung kann einen Hartz-IV-Anspruch auslösen.
Thomé, der dieses Beispiel erklärt, und andere Verbandsvertreter, rechnen vor, dass hohe einmalige Nachzahlungen aufgrund der steigenden Energiepreise auch in Haushalten außerhalb der Armutsgrenzen für den Monat der Fälligkeit einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen auslösen können. Jobcenter sind verpflichtet, Miet- und Heizkosten zu übernehmen und dazu gehören auch Nachzahlungen zu den Heizkosten.
Bei hohen einmaligen Nachzahlungen werde es daher auch für Haushalte „bis weit in die Mittelschicht hinein“ möglich sein, Leistungen beim Jobcenter beantragen zu können, sagt Christoph Krüßmann, Berater beim Stromspar-Check der Caritas in Konstanz.
Die Antragsstellung beim Jobcenter wird erleichtert durch die aktuelle Gesetzeslage: In den ersten zwei Jahren des Hartz-IV-Bezugs darf die Angemessenheit der Wohnkosten keine Rolle spielen, auch Vermögen wird vom Jobcenter nicht angerechnet, es sei denn, es handelt sich um erhebliches Vermögen von mehr als 60.000 Euro für einen Alleinstehenden.
Urteil des Bundessozialgerichts
Auch Rentner:innen können beim Sozialamt einen Anspruch auf vorübergehende ergänzende Grundsicherung im Alter geltend machen, wenn sie von einer einmaligen hohen Nachzahlung für die Heizkosten betroffen sind.
Auf der Website der Verbraucherzentralen wird zwar auch auf die mögliche Hilfe durch Jobcenter oder Sozialämter hingewiesen. Die Website empfiehlt aber auch, bei einer hohen Nachforderung mit dem Energieversorger „eine Ratenzahlung auszuhandeln“. Wird die Begleichung der Nachforderung auf mehrere monatliche Raten verteilt, rutschen die Betroffenen nicht in einem Monat unter die Bedarfsgrenze.
„Wenn Gasversorger und Vermieter hohe monatliche Abschläge für die höheren Energiekosten fordern, sollte man dem als Mieter nicht zustimmen, weil man damit die Möglichkeit der einmaligen Unterstützung durch das Jobcenter, die nur bei Fälligkeit einer hohen Nachzahlung in einem Monat möglich ist, vergibt“, gibt wiederum Krüßmann zu bedenken.
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (AZ B14AS20/18R) ist es einem Jobcenter nicht erlaubt, eine einmalige Nachzahlung für jährliche Heizkosten rechnerisch auf mehrere Monate zu verteilen, weil die Betroffenen bei einer solchen Umlage die Kosten dann aus eigenen Mitteln aufbringen könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt