Habecks Plan für Reserve-AKW: Technisch sehr anspruchsvoll

Die Atomwirtschaft hält das Wiederanfahren von Reaktoren binnen einer Woche kaum für möglich. Zudem fehlen Erfahrungen für ein solches Manöver.

Wasserdampf steigt aus dem Kühltum vom Atomkraftwerk Isar 2

Wasserdampf steigt aus dem Kühltum vom Atomkraftwerk Isar 2 Foto: Armin Weigel/dpa

FREIBURG taz | Technisch machbar? Oder doch nicht? Preussen Elektra, der Betreiber des Reaktors Isar 2, hat den Plan des Bundeswirtschaftsministeriums kritisiert, zwei Atomkraftwerke zum Jahresende in die Kaltreserve zu überführen und bei Bedarf wieder hochzufahren. Das sei „technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern“ schrieb diese Woche Firmenchef Guido Knott dem Ministerium. Ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung sei im Reservebetrieb „nicht mehr möglich“.

Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, schrieb daraufhin zurück, die Anlagen sollten – anders als Knott suggeriere – „nicht flexibel an- und abgefahren werden“. Vielmehr gebe es „grundsätzlich zwei mögliche Varianten“: Entweder stelle man im Dezember fest, dass ein Abruf der Einsatzreserve nötig ist, dann blieben die beiden Kraftwerke oder auch nur eines davon in Betrieb. Andernfalls werden sie heruntergefahren. Sollten sie dann im späteren Verlauf des Winters doch noch benötigt werden, würden sie wieder hochgefahren und im Streckbetrieb bis maximal Mitte April Strom produzieren.

Doch hier offenbart sich nicht nur ein Missverständnis zwischen Ministerium und Kraftwerksbetreiber, was den geplanten Betriebsmodus der beiden Reservereaktoren betrifft. Es geht vor allem auch um die Frage, wie schnell sich ein Reaktor im Zustand der Kaltreserve wieder ans Netz bringen lässt. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte das Wiederanfahren im Bedarfsfall binnen einer Woche in Aussicht gestellt. Knott hingegen betont, dies sei „im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht kurzfristig innerhalb einer Woche machbar“.

Dazu muss man wissen, dass ein Reaktor, der sich im Streckbetrieb befindet, anderen physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, als eine Anlage im regulären Betrieb. Der Streckbetrieb ist definiert als die letzte Phase, wenn der Reaktorkern so weit ausgebrannt ist, dass er nicht mehr die volle Nennleistung liefert. Um in diesem Zustand die Restleistung noch realisieren zu können, muss die Konzentration des Elementes Bor im Kühlmittel, die bei frischen Brennelementen deren Reaktivität steuert, auf Null gesenkt sein.

Schlüsselelement Bor

Und genau darin liegt das Problem. Denn während der Kaltreserve muss dem Kühlwasser – um jegliche weitere Kettenreaktion zu unterbinden – Bor in hoher Konzentration zugesetzt sein. Frische Brennelemente brauchen auch im Betriebszustand noch Bor im Kühlwasser, weshalb bei diesen die Betriebsbedingungen wieder relativ zügig hergestellt werden können. Bei „ausgelutschten“ Brennelementen hingegen muss das Kühlwasser für den Betrieb frei von Bor sein, und das dauert im Bedarfsfall sehr lange.

Deswegen geht auch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit davon aus, dass die Wiederinbetriebnahme einer Anlage, die sich bereits im Streckbetrieb befindet, binnen einer Woche kaum zu schaffen ist. Hinzu komme, dass es keine Betriebserfahrungen gebe für das Anfahren eines Reaktors, der mit weit abgebranntem Reaktorkern wochenlang stillstand.

Nun lädt der Staatssekretär den Chef von Preussen Elektra „zu einem Gespräch ein, um alles Weitere zu besprechen“. Es dürfte auch ein Ausflug in die Reaktortechnik werden.

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