Tabakkonsum einschränken: Finger weg von meiner Kippe
Der Drogenbeauftragte der Regierung will stärker gegen das Rauchen vorgehen. Und wo bleibt das Recht auf unvernünftige Entscheidungen?
I n der Bar über die Flamme gebeugt, das Nikotin schärft die Aufmerksamkeit und auch die Diskussion. Der Rauch, der zwischen den Liebsten von Mund zu Mund wandert. Der verwirrte Blick des Taxifahrers in Beirut auf die Frage, ob man in seinem Auto rauchen dürfe (natürlich darf man). Die Frauen an der Universität Teheran, für die jeder Zug an der Kippe ein kleiner Akt der Rebellion ist, unter einem islamistischen Regime, das Frauen das Rauchen am liebsten verbieten will.
Ich könnte diesen Bildern noch „vernünftige“ Gründe anfügen, wieso ich den gelegentlichen Glimmstängel und die verschworene Gemeinschaft der Rauchenden nicht missen möchte. Doch das werde ich nicht. Denn die vermeintliche Vernunft ist das Schlachtfeld, das sich die Gegner des Tabaks ausgesucht haben. Die Gegner, das sind jene Prohibitionisten, die nicht nur wissen, was gut für sie selbst ist, sondern auch, was gut für Sie und mich ist. Und die, wenn wir ihren wohlgemeinten Ratschlägen nicht folgen wollen, das Gesetzbuch und das Verbot bemühen.
Im vermeintlich liberalen Großbritannien will die Regierung nun durchsetzen, dass am 1. Januar 2009 und später Geborene nie mehr legal Tabak kaufen dürfen. Das Unterhaus stimmte in zweiter Lesung für ein Gesetz, das „die erste rauchfreie Generation“ schaffen soll. Das britische Modell ist ein Abklatsch aus Neuseeland, wo die neue Koalition das Prohibitionsvorhaben der liberalen Ex-Premierministerin Jacinda Ardern jedoch jüngst gekippt hat. Burkhard Blienert, der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, schlägt jetzt seinerseits vor, Großbritannien nachzueifern.
Blienert hat sich eben noch für die Legalisierung von Cannabis starkgemacht, will aber Tabak verbieten. Ein seltsamer Widerspruch, der schon dem slowenischen Philosophen Slavoj Žižek auffiel: „Dieselben Leute, die weiche Drogen legalisieren wollen, sind für eine fanatische Bekämpfung des Rauchens.“ Žižek sieht dahinter die Ideologie am Werk: Eine Gesellschaft, die den Konsum propagiert, aber seine Schäden möglichst abmildern will (Cola, aber zuckerfrei), ist irritiert von der passionierten Raucherin.
Paternalistische Staatlichkeit
Das Prohibitionslager argumentiert deshalb mit den Gesundheitsschäden. Entweder man muss die Menschen vor sich selbst schützen, denn Raucher sterben bekanntlich früher. Oder aber, man setzt den empörten Blick der zweckrationalen Gesellschaft auf und verweist auf die Kosten, die Raucherinnen und ihre Krankheiten dem Gesundheitssystem verursachen.
Der Wille zum Verbot speist sich aus einer paternalistischen Vorstellung von Staatlichkeit: Der Leviathan greift ein, weil er nur das Beste für dich will. Doch Politiker, die so denken, sitzen leider einem Missverständnis auf. Denn Menschen haben jedes Recht, unvernünftige Entscheidungen zu treffen, solange sie niemand anderem direkt schaden. Oder an wen möchten Sie die Entscheidung delegieren, wie viele Drinks Sie am Freitagabend einnehmen, wie viel Sport Sie nächste Woche treiben oder wie viel Zucker Sie essen werden?
Ob in Großbritannien oder Neuseeland: Anglophone Inselbewohnerinnen scheinen alsbald auf komische Ideen zu kommen – zum Beispiel, dass Prohibition überhaupt funktionieren kann, aller historischen Gegenbeispiele zum Trotz. Vielleicht lässt sich die Einfuhr von Gütern wirklich besser kontrollieren, wenn die eigene Grenze im Meer verläuft. In Deutschland ist dagegen sicher, dass der Schwarzmarkt im Falle eines Verbots florieren würde wie die rosa-weiße Tabakblüte im August. Denn wir sind durch das glückliche Schicksal der Geografie mit den Ländern Ostmitteleuropas verbunden. Und die werden sich solche Dummheiten in naher Zukunft nicht einreden lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen