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Warnung vor noch größerer KlimakriseUnfassbare drei Grad mehr für die heute Lebenden

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Es ist Zeit zu handeln. Jetzt. Sofort. Radikal. Die menschengemachte Erderhitzung kann nicht mehr gestoppt, nur noch ein bisschen abgemildert werden.

Nach einem HItzesommer: Ehrenamtliche Hel­fe­r:in­nen retten Fische aus der fast komplett ausgetrockneten Issel am Sonntag den 04.09.2022 in Wesel Foto: Lars Fröhlich/Funke Foto Services/imago

D rei Grad mehr. Weltweit. Und nicht in irgendeiner fern erscheinenden Zukunft, sondern bereits im Jahr 2050. Also quasi übermorgen. Vor allem aber in einem Jahr, dass selbst die heute 60-Jährigen noch gern erleben wollen. In dem die heute 40-Jährigen noch nicht mal in Rente sein werden. In dem die heutigen Grundschulkinder gerade eine eigene Familie gründen werden.

3 Grad mehr. Weltweit. Das ist, so haben in dieser Woche am Rande des Extremwetterkongresses in Hamburg die Deutsche Physikalischen Gesellschaft und die Deutsche Meteorologischen Gesellschaft in einem seltenen gemeinsame Appell betont, keineswegs mehr unwahrscheinlich. Denn es zeige sich, so die For­sche­r:in­nen der beiden Institute, dass sich die Klimaentwicklung erheblich beschleunigt hat – sowohl in der Atmosphäre wie auch in den Ozeanen.

Vor zehn Jahren gab es noch Hoffnung auf eine Kehrtwende. Da hatte sich beim Weltklimaforum in Paris die Nationen der Erde darauf geeinigt, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 möglichst auf 1,5 Grad, maximal aber auf 2 Grad zu begrenzen. Doch die Kurven des weltweiten CO2-Ausstoßes zeigen dennoch weiter nach oben. Wenn überhaupt ein Erfolg zu messen ist, dann dass der Anstieg etwas langsamer geworden ist. Aber es bleibt ein Zuwachs.

Und wie sich das auf die Temperaturen auswirkt, war gerade in den beiden letzten Jahren unübersehbar. Ein Hitzerekord jagte den anderen. Dennoch ist unter Wis­sen­schaft­le­r:in­nen umstritten, ob sich der Klimawandel tatsächlich beschleunigt. Denn Klimaforschung hat – um seriöse Aussagen treffen zu können – immer die sehr langfristige Entwicklung im Blick.

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Die Auswirkungen sind so oder so dramatisch

Einige Ex­per­t:in­nen halten daher das in dem Klimaappell aufgezeichnete Szenario für sehr unwahrscheinlich. Ausschließen wollen aber auch sie es nicht.

Um wirklich sichere Aussagen treffen zu können, bräuchte man die Daten aus drei Jahrzehnten. Das aber heißt: Ob die Erderwärmung sich in den letzten fünf Jahren essenziell beschleunigt hat, wird man in 25 Jahren wissen. Also 2050 – wenn es heiß sein wird. Und vor allem zu spät.

Denn ganz egal, ob die Temperatur bis 2050 um 2 oder 3 Grad steigen wird, die Auswirkungen sind jetzt schon dramatisch. Und schon die selbst gesteckten Klimaziele der Regierungen weltweit, so heißt es noch mal nachdrücklich im Appell der Forscher:innen, würden dem in keiner Weise gerecht – selbst wenn sie denn erreicht würden. Aber auch davon sind wir weit entfernt.

Kurz gesagt: Es ist Zeit zu handeln. Jetzt. Sofort. Und radikal. Nicht um die menschengemachte Erderhitzung zu stoppen. Dafür ist es längst zu spät. Aber um sie um wenigstens ein bisschen abzumildern. Wann das passieren muss? Unverzüglich, heißt es im Klimaappell. Also: sofort.

Für alle, die es immer noch nicht wahrhaben wollen, zum Schluss noch eine weitere Zahl. Ein weltweiter Anstieg der Temperaturen um 3 Grad wird laut einigen For­sche­r:in­nen in Deutschland einen Anstieg um 6 Grad bedeuten.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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8 Kommentare

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  • Wie wollen wir sofort und radikal handeln? Was können wir überhaupt tun? Haben wir das Problem überhaupt verstanden?

  • Das hört sich langsam mal ehrlich nach etwas Verzwei flung an. Weil der Autor selbst plötzlich Angst hat, dass er betroffen ist. Nicht erst seine Kinder.



    Vielleicht hilft das den Autor ja, so langsam etwas Verständnis zu entwickeln für Menschen, die wirklich schön jetzt in Verzweifelung sind. Nicht wegen etwas, das in 20 oder 30 Jahren passiert, sondern wegen Dingen, die vielleicht schon nächsten Monat passieren oder nächstes Jahr. Dass sie ihre Miete nicht mehr zahlen können oder nicht mehr genug Essen für die Kinder haben.



    Und vielleicht versteht er ja dann auch, dass es eine wirklich dumme Idee ist, von diesen Menschen eine höhere Miete zu verlangen, weil sonst in 20 Jahren das Wetter zu heiss ist.



    Und vielleicht versteht er dann, dass jeder Artikel, der verlangt, dass etwas gegen den Klimawandel getan wird, auch verlangen sollte, dass dies von den bezahlt werden muss, die mit diesem fossilen Wirtschaftssystem reich geworden sind. Und auf keinen Fall von denen, die in diesem Wirtschaftssystem gerade mal zurechtkommen.



    Ansonsten werden wohl immer mehr die AfD wählen.

  • // Kurz gesagt: Es ist Zeit zu handeln. Jetzt. Sofort. Und radikal.



    .



    Und wie? Es sind nicht nur Kraftwerke für die Stromerzeugung die mit Kohle betrieben werden sondern auch die Industrie die mit allem Möglichen die Welt aufheizt.



    Strom wird überall auf der Welt benötigt mit steigender Tendenz. Und nur mit Sonne und Wind Strom zu erzeugen wird nicht funktionieren. BatterieSpeicher sind zwar im kommen aber ob das viel ausmacht kann ich nicht beurteilen weil der Stromverbrauch weltweit steigt.



    Wie soll denn die Radikalität aussehen ohne das es Aufruhr gibt.

  • Das hört sich langsam mal ehrlich nach etwas Verzwei flung an. Weil der Autor selbst plötzlich Angst hat, dass er betroffen ist. Nicht erst seine Kinder.



    Vielleicht hilft das den Autor ja, so langsam etwas Verständnis zu entwickeln für Menschen, die wirklich schön jetzt in Vertweifelung sind. Nicht wegen etwas, das in 20 oder 390 Jahren passiert, sondern wegen Dingen, die vielleicht schon nächsten Monat passieren oder nächstes Jahr. Dass sie ihre Miete nicht mehr zahlen können oder nicht mehr genug Essen für die Kinder haben.



    Und vielleicht versteht er ja dann auch, dass es eine wirklich dumme Idee ist, von diesen Menschen eine höhere Miete zu verlangen, weil sonst in 20 Jahren das Wetter zu heiss ist.



    Und vielleicht versteht er dann, dass jeder Artikel, der verlangt, dass etwas gegen den Klimawandel getan wird, auch verlangen sollte, dass dies von den bezahlt werden muss, die mit diesem fossilen Wirtschaftssystem reich geworden sind. Und auf keinen Fall von denen, die in diesem Wirtschaftssystem gerade mal zurechtkommen.



    Ansonsten werden wohl immer mehr die AfD wählen.

  • Dafür müsste man einen Weg finden, CO2 Reduktion / Begrenzung in Ländern wie Indien, Indonesien oder Afrika attraktiv zu machen.



    Solange die Menschen dort - jedenfalls ökonimisch - ums Überleben kämpfen wird das schwierig. Jedenfalls gibt es noch keinen erfolgversprechenden Ansatz.



    In Afrika wird idR über offenen Feuerstellen gekocht. Weil andere Technologien für die Mehrheit dort nicht bezahlbar sind. In Indonesien wird Müll meist einfach verbrannt.



    Von den USA erst mal gar nicht zu Reden....

  • Es wäre schon viel gewonnen, wenn viele es dem Autoren gleich täten und einsähen, dass wir heute eine klimaneutrale Welt wohl kaum noch erleben werden, eine Begrenzung auf 2 Grad mehr erst recht nicht.



    Das heißt, dass es eben nicht um das magische Totalziel "Null-Emission" gehen muss. Sondern, dass jede Einsparung ein Erfolg ist - und dass man Reduktion von Emissionen auch priorisieren und optimieren kann.



    Wenn das nicht viele Politiker und Journalisten das in den letzten Jahren "radikal" anders propagiert hätten, wäre Klimaschutz heute nicht so unbeliebt ...

  • Und was soll bitteschön unternommen werden?

  • Statt nach Lösungen für die Klimakrise zu suchen und sie umzusetzen, nehmen die Kriege zu. Keiner spricht davon, was diese zur Klimakrise beitragen. Es ist schlichtweg zum Verzweifeln.