Unions-Klage für Schuldenbremse: Kurzsichtige Symbolpolitik
Merz scheint zu glauben, dass die Ampel 60 Milliarden Euro streichen kann, ohne dass die Länder das merken würden. Das ist naiv.
E s wirkt wie ein klarer Sieg für die Union: Niemand hatte damit gerechnet, dass ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht so erfolgreich sein würde. Doch seit Mittwoch ist das Urteil da, und die Ampel hat nun 60 Milliarden Euro weniger in der Kasse, weil sie gegen die Schuldenbremse verstoßen hat. So viel Klage-Glück hat eine Oppositionspartei selten. Und trotzdem ist längst nicht ausgemacht, dass die Union einen Sieg errungen hat.
Noch triumphiert CDU-Chef Friedrich Merz hemmungslos. Er nennt den Mittwoch einen „historischen Tag“, verkündet „das Ende aller Schattenhaushalte“ und gibt sich als oberster Hüter der Schuldenbremse.
Kurz: Merz tut so, als hätte die Union noch nie einen einzigen Schattenhaushalt aufgelegt. Das ist Unsinn. Zum Ende der Ära Merkel existierten 27 „Sonder-, Zweck und Treuhandvermögen des Bundes“, von denen die allermeisten unter Unionsregierungen entstanden sind. Merkel ist auch deswegen 16 Jahre lang Bundeskanzlerin gewesen, weil sie nie gespart hat.
Merz hingegen scheint zu glauben, dass die Bundesregierung 60 Milliarden Euro aus ihrem Wirtschaftsplan streichen kann, ohne dass dies die Bundesländer, die Unternehmen oder die CDU-Klientel irgendwie merken würden. Das ist naiv.
Die 60 Milliarden werden im sogenannten „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) fehlen, aus dem die Ampel die wesentlichen Zukunftsinvestitionen bestreiten will. Dazu gehören unter anderem umfangreiche Subventionen für zwei Chipfabriken bei Magdeburg und Dresden. Die Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen werden bekanntlich von CDU regiert – wo sich nun Nervosität breit macht.
Erfolgreiche Symbolpolitik
Der CSU-Fraktionsvorsitzende Alexander Dobrindt forderte denn auch prompt, dass die Ampel jetzt klären müsse, wie sie die KTF-Projekte in den Ländern weiter finanzieren könne. Übersetzt: Schulden gehen gar nicht, aber es muss dringend Bundesgeld nach Bayern fließen. Das ist Bierzelt, keine Politik.
Oder Elektroautos: Wenn sie nicht mehr aus dem KTF gefördert werden können, wäre dies ein harter Schlag für die deutsche Automobilindustrie, die sowieso gerade dabei ist, den weltweiten Anschluss zu verlieren. Die Automanager dürften also bei Merz Schlange stehen, um zu erläutern, warum Subventionen für E-Autos höchst dringend sind – gern auch schuldenfinanziert.
Merz muss also hoffen, dass die Ampel doch noch Geld auftreibt. Das ist sogar wahrscheinlich: Das Verfassungsgericht hat nämlich keineswegs verboten, neue Schulden aufzunehmen. Die Kredite müssen aber deutlich besser begründet werden. Merz kann also aufatmen: Er hat Symbolpolitik betrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles