Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Die Schuldenbremse muss weg

Der Plan der Ampel, Restgeld aus dem Coronatopf in die Klimapolitik umzuleiten, funktioniert nicht. Mittel für die Transformation müssen trotzdem her.

Verfassungsrichter und Verfassungsrichterinnen setzen ihre Hüte ab

Karlsruhe, 15.11.: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtserkündet das Urteil in Sachen Zweites Nachtragshaushaltsgesetz Foto: Uli Deck/dpa

Futsch sind sie, die 60 Milliarden Euro. Das tut weh. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bund zur Bekämpfung der Coronakrise gedachte Gelder nicht für den Klimaschutz nutzen darf, beschert der Ampel ein riesiges Geldproblem. Aber auch die Chance, es besser zu machen. SPD, Grüne und FDP hatten sich 2021, noch während der Regierungsbildung, auf einen Trick verständigt, mit dem man zwei Wahlversprechen gleichzeitig einlösen wollte.

Die Schuldenbremse sollte, dem Herzenswunsch des künftigen Finanzministers gemäß, ab 2023 wieder gelten, also die im Grundgesetz verankerte Vorgabe, dass der Staat nicht mehr Geld ausgibt, als er einnimmt. Damit der grüne Wirtschaftsminister in spe aber trotzdem aus dem Vollen schöpfen und in Klimaschutz investieren könne, sollten nicht genutzte, aber bereits genehmigte Kredite aus der Zeit der akuten Coronakrise in einem seit 2011 bestehenden Sonderfonds geparkt werden.

Der Wundertopf, bekannt unter dem Kürzel Ka-Te-Eff (Klima- und Transformationsfonds) würde künftig für alles herhalten, was notwendig, aber zu teuer für den regulären Haushalt schien – vom Klimageld bis zu Subventionen für Chiphersteller. Eigentlich eine geniale Idee: Schulden machen, ohne Schulden zu machen – ersonnen vom Urheber genialer Ideen, einem gewissen Olaf Scholz.

Dumm nur, dass das Bundesverfassungsgericht die Idee für verfassungswidrig befand, was für den Juristen und Ex-Finanzminister Scholz auch ein bisschen peinlich ist. Die Verfassungsrichter urteilten, die Schuldenbremse sei grundsätzlich einzuhalten und könne nicht durch Sondervermögen umgangen werden. Und sie verweisen darauf, dass die Bremse nur im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kon­trolle des Staates entziehen, aufgehoben werden darf.

Jetzt braucht es Investitionen

Damit machen die Richter auf das eigentliche Problem aufmerksam: die Schuldenbremse. Die hatte 2009 eine Große Koalition von Union und SPD im Grundgesetz verankert. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck erklärte, es sei absurd anzunehmen, die Schuldenbremse würde den Staat knebeln. Er irrte. Denn der Staat müsste heute dringend Hunderte von Milliarden investieren – in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft, in die marode Infrastruktur, in die Bildung.

Dank Schuldenbremse fehlt das Geld dazu. Der Klimawandel ist nun mal keine Naturkatastrophe, die eine Ausnahme im Sinne des Grundgesetzes erlaubt. Bekämpft werden muss er dennoch, und zwar über Jahrzehnte hinweg. Die Schuldenbremse muss reformiert werden oder weg. Bremse gerettet, Erde tot ist keine Option.

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Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

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