Palästinenserpräsident in Deutschland: Empörung über Holocaust-Vergleich
Mahmud Abbas hat Israel „50 Holocausts“ vorgeworfen. Der Zentralrat der Juden verurteilt die Äußerung – und kritisiert auch Olaf Scholz, der Abbas nicht widersprach.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Holocaust-Äußerungen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sowie die fehlende Reaktion von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilt. Mit der Relativierung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik trete Abbas das Andenken an sechs Millionen ermordete Juden mit Füßen, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Mittwoch in Berlin.
Gleichzeitig übte Schuster deutliche Kritik an Scholz: „Dass eine Relativierung des Holocaust gerade in Deutschland bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt unwidersprochen bleibt, halte ich für skandalös.“
Abbas hatte nach einem Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz Israel am Dienstag einen „Holocaust“ an den Palästinensern vorgeworfen. „Seit 1947 bis zum heutigen Tag hat Israel 50 Massaker in 50 palästinischen Dörfern und Städten, 50 Massaker, 50 Holocausts begangen“, erklärte Abbas.
Empörung auch in Israel
In einem Interview mit der Zeitung „Bild“ wies Scholz später den Holocaust-Vorwurf mit deutlichen Worten zurück. „Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel“, sagte er. In der Pressekonferenz hatte er sich bereits von einem Apartheid-Vorwurf von Abbas gegen Israel distanziert.
Nach Angaben der israelischen Botschaft verurteilte auch Israels Ministerpräsident Jair Lapid die Äußerung von Abbas scharf: Dass dieser von 50 Holocausts gesprochen habe, „während er auf deutschem Boden stand, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheure Lüge“, schrieb die Botschaft auf Twitter.
Der neue deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, wies den Holocaust-Vergleich als „falsch und inakzeptabel“ zurück. „Deutschland wird niemals einen Versuch dulden, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Holocaust zu leugnen“, schrieb Seibert auf Twitter.
Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte den Palästinenserpräsident. „Durch seine Holocaustrelativierung hat Präsident Abbas jegliche Sensibilität gegenüber uns deutschen Gastgebern vermissen lassen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Das gilt gerade auch im Hinblick auf die gestellte Frage zum Olympia-Attentat, das von PLO-Terroristen verübt wurde.“ Abbas war zuvor gefragt worden, ob er sich für das Attentat auf israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München 1972 entschuldige.
Aus der Union kam Kritik an Scholz, dass dieser dem Holocaust-Vergleich am Ende der Pressekonferenz nicht sofort zurückgewiesen habe. „Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt. Der Bundeskanzler hätte dem Palästinenserpräsident klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen“, twitterte etwa CDU-Chef Friedrich Merz.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, sprach von einer Scheindebatte. „Das Problem ist nicht die Reaktion des Kanzlers, das Problem ist die Haltung von Palästinenserpräsident Abbas“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dass Scholz auf die „schlimme Entgleisung“ von Abbas nicht sofort reagiert habe, sei „der Choreographie so einer Pressekonferenz bei einem Staatsbesuch geschuldet“. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff erklärte, eine breitere Öffentlichkeit erfahre endlich, „wie die Palästinenser und Abbas – Israels angebliche „Partner“ – drauf sind. Das ist wichtiger als Kritik am @Bundeskanzler, dessen Empörung klar sichtbar war“.
Aktualisiert am 17.8.2022 um 12:50 Uhr. d. R.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier