Öko-Energie zu teuer: Grünes Schrumpfen ist angesagt

Eine neue Studie weist nach, dass „grünes Wachstum“ eine Illusion ist. Denn Öko-Energie, die unsere Technik antreibt, hat schlicht zu hohe Kosten.

Ein Kamel in einer kargen Landschaft, Windräder im Hintergrund

Viel Platz für Wind- und Sonnenkraft: Ein Windpark in der Nähe der marokkanischen Kleinstadt Tarfaya Foto: Paul Langrock

Klimaschutz scheint einfach: Man muss nur auf Ökoenergie setzen. Doch leider ist es nicht trivial, genug Ökoenergie zu mobilisieren. Energieexperten schätzen, dass Deutschland etwa 2.000 Terawattstunden (TWh) an Ökostrom benötigen würde, wenn „grünes Wachstum“ möglich sein soll. Das wäre rund 4-mal so viel Strom, wie Deutschland heute verwendet.

Diese Mengen kann die Bundesrepublik nicht komplett erzeugen. Selbst wenn so viele Solar­paneele und Windräder wie möglich installiert würden, kämen wohl nur 1.200 heimische Terawattstunden heraus. Die restlichen 800 TWh müssten importiert werden.

Wirtschaftsminister Robert Habeck ist daher kürzlich nach Namibia gereist, um dort ein Projekt anzustoßen, das 10 Milliarden Dollar kosten soll. Mit Sonne und Wind soll grüner Wasserstoff produziert und dann in Ammoniak umgewandelt werden. 2027 soll die erste Fuhre nach Deutschland gehen, um hier Dünger und andere Chemikalien klimaneutral herzustellen.

Die Idee hat Charme: Namibia ist mehr als doppelt so groß wie Deutschland, hat aber nur knapp 2,6 Millionen Einwohner – und damit viel Platz für Windräder und Solarpaneele. Zugleich würde auch Namibia Ökostrom erhalten, denn „eine Art von grünem Energie-Imperialismus“ schließt Habeck aus.

Bleibt die Frage: Wie teuer wird die gesamte Produktion? Es sagt wenig, dass ein Projekt 10 Mil­liar­den Dollar kosten soll. Um die Energiewende zu kalkulieren, ist wichtig, wie teuer die einzelnen grünen Energie-Einheiten im Vergleich zu den fossilen Varianten werden.

Lange gab es nur vage Schätzungen – bis im Dezember eine Studie erschien, die das Bundeswirtschaftsministerium gefördert hat. Gerechnet wurden Modelle für das nördliche Afrika und den Nahen Osten, wo die Bedingungen ähnlich günstig wie in Namibia sind: Die Sonne scheint fast immer, und in den Wüsten leben kaum Menschen, die sich an den Solarpaneelen oder Windrädern stören könnten.

Immerhin: Theoretisch ließe sich genug Strom erzeugen, um ganz Europa zu versorgen. Doch der Rest ist schwierig. Denn der Wüstenstrom lässt sich nicht einfach nach Norden transportieren, weil Stromleitungen zu teuer wären. Um aber per Schiff oder Pipeline nach Europa zu ­gelangen, muss der Strom umgewandelt werden – erst in grünen Wasserstoff und dann in synthetische Kraftstoffe oder andere Basisprodukte. Schon dabei geht eine Menge Energie verloren. Zudem lässt sich Wasserstoff nur erzeugen, wenn ­Süßwasser vorhanden ist, das aber in Wüsten bekanntlich fehlt.

Hohe Energiekosten

Also muss Meerwasser entsalzt werden, was erneut Energie kostet. Ein weiteres Problem: Um grünes Kerosin oder andere Energieträger zu erzeugen, wird Kohlenstoff benötigt. Klima­neutral ist dies jedoch nur, wenn dafür CO2 aus der Luft gefiltert wird, weil auch wieder CO2 entsteht, wenn grünes Kerosin verfeuert wird. Leider kostet es erneut viel Energie, CO2 aus der Luft zu holen.

Die neue Studie hat daher errechnet, dass ein Liter grünes Kerosin 2030 zwischen 1,92 und 2,65 Euro kosten dürfte. Bis 2050 sollen die Herstellungskosten auf 1,22 bis 1,65 Euro fallen. Diese Preise wirken zunächst nicht besonders teuer – schließlich müssen Fluggesellschaften momentan etwa 2,81 Dollar pro Gallone Kerosin zahlen, wobei eine Gallone 4,4 Litern entspricht. Das grüne Kerosin scheint also „nur“ 4-mal so teuer zu sein wie die fossile Variante.

Marktpreise und Herstellungskosten verwechselt

Doch dieser Vergleich führt in die Irre, weil Marktpreise mit Herstellungskosten verwechselt werden. Die Fluggesellschaften zahlen nicht nur für die Produktion des Kerosin, sondern finanzieren auch die enormen Gewinne der Ölstaaten – und die Spekulation an den Finanzmärkten. Das Öl selbst lässt sich relativ billig aus dem Boden holen. Im Nahen Osten liegen die Förderkosten bei etwa 10 Dollar pro Barrel (159 Liter), in den USA sind es rund 30 Dollar.

Natürlich ist auch ein bisschen Aufwand nötig, um das Rohöl zu Kerosin zu raffinieren – aber insgesamt dürfte die Herstellung von grünem Kerosin etwa 10- bis 40-mal so viel kosten wie die fossile Variante. Damit wird „grünes Wachstum“ zur Illusion.

Stattdessen ist „grünes Schrumpfen“ angesagt. Denn die Energie treibt die ganze Technik an, die unseren Wohlstand produziert. Wird Energie knapp und teuer, muss die Wirtschaftsleistung sinken. Viele Klimaretter wollen nicht wahrhaben, dass es auf „grünes Schrumpfen“ hinausläuft. Sie führen gern zwei Argumente an, die aber beide falsch sind. Erstens: Nur die Marktpreise würden zählen, nicht die Herstellungskosten. Denn das hiesige Geld sei futsch, sobald wir unsere Öl­importe zahlen. Deswegen sei grünes Kerosin „nur“ 4-mal so teurer.

Firmen müssten aufgeben

Dieses Argument krankt daran, dass so getan wird, als würde das Geld auf ewig in Saudi-Arabien verschwinden. Das Geld kehrt jedoch nach Europa zurück, weil die Saudis hier Urlaub machen, Immobilien erwerben oder Luxuskarossen kaufen. Es behindert die weltweite Wirtschafts­leistung kaum, wenn die Saudis ihr billiges Öl überteuert verkaufen. Beim grünen Kerosin hingegen fallen echte Kosten an: Es werden weitaus mehr Rohstoffe, mehr Arbeit und mehr Energie benötigt, um eine Energie-Einheit zu gewinnen.

Das zweite Argument lautet: Die fossilen Energien sind irgendwann genauso teuer wie die grünen Varianten, weil die CO2-Preise steigen. Doch damit wird kaschiert, dass die Unternehmen zusammenbrechen würden, wenn sie die echten Schäden des CO2 zahlen sollten – es sei denn, sie können zu billiger Ökoenergie wechseln. Wenn aber auch die Ökoenergie extrem teuer ist, müssen viele Firmen aufgeben. Es kommt zum „grünen Schrumpfen“.

Das Wirtschaftsministerium dürfte es noch nicht bemerkt haben: Es hat eine Studie finanziert, die zwischen den Zeilen nachweist, dass „grünes Wachstum“ eine Illusion ist.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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