Energiekooperation mit Namibia: Wasserstoff aus der Wüste

Deutschland will in grünen Wasserstoff aus Namibia investieren. Minister Habeck ist dafür nach Windhoek gereist. Eine Chance für das afrikanische Land?

Robert Habeck und Tom Alweendo, Minister für Bergbau und Energie in Namibia

Wirtschaftsminister Habeck mit dem namibischen Energieminister Alweendo in Windhoek Foto: Bernd von Jutrczenke/dpa

Pro Jahr 300 Sonnentage, 3.000 Kilometer Küste, wie gemacht für Wind und Solarkraft, stabil und demokratisch, so stellt sich Namibia dar – als das ideale Land für erneuerbare Energie. Künftig möchte sich Namibia als ein Weltmarktführer in der Herstellung von sogenanntem grünem Wasserstoff positionieren. „Das Wasserstoff-Rennen ist angesagt“, titelt das Regionalblatt Allgemeine Zeitung kurz vor dem Besuch von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der namibischen Hauptstadt Windhoek.

Namibia könnte künftig Deutschlands wichtigster Lieferant für grünen Wasserstoff werden. Das wird in einer Absichtserklärung festgehalten, die Habeck und der namibische Präsident Hage Geingob am Montag unterzeichnet haben. Der Besuch des Vizekanzlers in Namibia reiht sich ein in das Bemühen Deutschlands, die Energiewende voranzubringen und Wirtschaft neu aufzustellen. Dem grünen Wasserstoff aus Namibia, der aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenkraft hergestellt wird, könnte dabei eine Schlüsselrolle zukommen, um die Klimaziele zu erreichen. Bis 2045 will Deutschland CO2-neutral sein.

Für den Umbau der Wirtschaft werden große Mengen grünen Wasserstoffs benötigt. Laut dem Wirtschaftsministerium wird 2030 schätzungsweise eine zweistellige Zahl von Ländern grünen Wasserstoff etwa in der Form von Ammoniak, einem Wasserstoffderivat, das sich besonders gut für den Transport per Schiff eignet, nach Deutschland exportieren. Gerade bei „kritischen“ Rohstoffen wolle das Bundeswirtschaftsministerium Abhängigkeiten von China verringern.

„Jetzt wird es konkret“, sagte Habeck bei einer Pressekonferenz nach dem Gespräch mit Präsident Hage Geingob und Energieminister Tom Alweendo. Rund 10 Milliarden Euro soll das Investitionsvorhaben kosten, fast so viel wie Namibia jährlich erwirtschaftet. Im Jahr 2025 soll Baubeginn sein. In einer Pressemitteilung schreibt der Energieriese RWE: „Gemeinsam mit Hyphen Hydrogen Energy haben wir eine Absichtserklärung unterzeichnet, um zu prüfen, wie grünes Ammoniak aus Namibia nach Deutschland gebracht werden kann.“ Ab 2027 könnten jährlich bis zu 300.000 Tonnen des transportierfähigen Derivats aus Namibia geliefert werden.

Tiefseehäfen müssten noch gebaut werden

Als bevorzugtes Unternehmen für die Entwicklung des ersten grünen Wasserstoffprojekts in Namibia ist das 2021 gegründete namibische Unternehmen Hyphen im Rennen, Joint Venture der Firma Enertrag und Nicolas Holdings. Im März hatte RWE seinen Plan angekündigt, bis 2026 ein Terminal für grünes Ammoniak in Brunsbüttel in Deutschland zu bauen. Entsprechende Tiefseehäfen in Namibia gibt es noch nicht, die bestehenden müssten noch ausgebaut werden.

Schon vor der Energiekrise warb Namibia mit dem Potenzial, in großem Stil grünen Wasserstoff zu produzieren und zu exportieren. Die nationale Wasserstoffstrategie vom November liest sich wie eine Win-win-Situation: Einerseits möchte Namibia einen Beitrag zur Lösung der globalen Klimakrise leisten, aber gleichzeitig Wohlstand für seine Bür­ge­r:in­nen schaffen. Die Regierung schätzt, dass das Geschäft mit dem grünen Wasserstoff bis zu 6 Milliarden US-Dollar zum Bruttoinlandsprodukt beitragen könnte. Für das Jahr 2030 würde das eine Steigerung von 30 Prozent bedeuten. Weiter prognostiziert die Regierung, dass durch die Wasserstoffproduktion bis zu 600.000 Jobs geschaffen werden könnten. Gemessen an der Gesamtbevölkerung von 2,5 Millionen Einwohnern eine hohe Zahl, die sich jedoch nicht überprüfen lässt.

Nicht alle sind von den Plänen derart begeistert wie die Regierung. „Wir finden es auch ironisch, dass Deutschland aufgrund seiner unglücklichen Energiepolitik, dem Ausstieg aus der Kernenergie, der Entwicklung einer übermäßigen Abhängigkeit von Russland und der schleppenden Dekarbonisierung seiner Energiesysteme bereit ist, Namibia für die Zerstörung global wichtiger Ökosysteme und der biologischen Vielfalt zu bezahlen, anstatt die Probleme zu Hause und in der EU anzugehen“, kritisiert Chris Brown, Chef der Namibian Chamber of Environment, und warnt vor den ökologischen Folgen im Nationalpark Tsau Khaeb.

Warnung vor „Energie-Imperialismus“

Warum gerade das Sperrgebiet in der Wüste im Süden des Landes für die Produktion von grünem Wasserstoff ausgesucht wurde, sei intransparent entschieden worden, so Brown. Das Gebiet beherberge 20 Prozent aller Pflanzenarten in Namibia auf nur 2 Prozent der Landesfläche, unter anderem endemische Arten. „Wenn die Wasserstoffproduktion in diesem Nationalpark stattfindet, mag sie zwar kohlenstoffneutral sein, aber sie kann nicht als,grün' bezeichnet werden“, so Brown zur taz.

In einem Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) heißt es, noch gebe es weder die Infrastruktur für die Stromerzeugung im Gigamaßstab, entsprechende Übertragungskapazitäten, noch die notwendigen rechtlichen und regulatorischen Bestimmungen. Von beidem aber könnte das Land aber profitieren. „Diese Policies kommen nicht über Nacht“, sagt Natalie Russmann von der KAS der taz. „Vieles ist im Gange.“ Für die Wasserstoffproduktion in der Nähe der Kleinstadt Lüderitz müsste neue Infrastruktur geschaffen werden. Die Anlagen, die gebaut werden müssten, um Wasser etwa für die Gewinnung von Wasserstoff zu entsalzen, Derivate und Strom zu transportieren und zu speichern, könnte der regionalen Stromversorgung zugute kommen: „Das wäre eine große Chance für das Land.“ Bislang ist Namibia abhängig von ausländischen Energieversorgern.

Wie viel Strom aus der grünen Wasserstoffproduktion für die lokale Versorgung vorgesehen ist, sei aber noch unklar, so Russmann. Die KAS macht deutlich: Der Aufbau der Wasserstoffproduktion könnte ein Wachstumsmotor werden – wenn sie nicht nur zum Nutzen der Industrienationen geschaffen wird. Auch andere Kri­ti­ke­r:in­nen fürchten sich vor einer Abhängigkeit von der früheren Kolonialmacht Deutschland.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht währenddessen selbst von einem „Energie-Imperialismus“ und warnt davor, dass Namibia Energie entwickele, Europa oder Deutschland sie absauge und das Land alleine lasse. In der Pressekonferenz äußerte der Wirtschaftsminister, das Wichtigste sei, dass Namibia eine verlässliche, saubere und günstige Energieversorgung bekäme. Dafür wurde bei dem Treffen eine Vereinbarung unterzeichnet, die es den Wettbewerbshütern beider Länder ermöglichen wird, ein faires Marktumfeld für grünen Wasserstoff zu schaffen.

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