Baerbocks Lebenslauf: Generation Selbstoptimierung

Annalena Baerbocks frisierte Vita zeigt ein karriereorientiertes Verständnis von Lebensläufen. Gerade Grüne sollten es anders machen.

POrtrait von Annalena Baerbock

Kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten? Annalena Baerbock Foto: Kay Nietfeld/dpa

Nach dem großen Sprung ist Annalena Baerbock unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Nicht nur das Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt hat die Aufbruchstimmung der Grünen gedrosselt. Jetzt wirft auch noch der Umgang Baerbocks und ihres Wahlkampfteams mit ihrem Lebenslauf ein peinliches Licht auf das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Eigentlich werden Lebensläufe selten derartig öffentlich seziert. Vielleicht zu selten, geben sie doch gerade in der Generation Selbstoptimierung – zu der man Baerbock, geboren 1980, zählen kann – bemerkenswerte Einblicke in das Selbstbild einer Person. Schon in der schulischen Berufsorientierung wurde Heranwachsenden nahegelegt, dass es „für den Lebenslauf“ wichtig sei, sich auch politisch oder sozial zu engagieren. Während die einen, vielleicht von Minderwertigkeitskomplexen getrieben, bei ihrer Biografie ordentlich auf die Tube drücken, stehen andere ganz selbstbewusst zu dem, wer sie sind – wie es Joschka Fischer, Taxifahrer, Außenminister a. D., mal vorgelebt hat.

Nachdem ihr Lebenslauf inzwischen drei Mal korrigiert wurde, räumte Baerbock Fehler ein und entschuldigte sich: Sie habe ihren Lebenslauf „knapp und komprimiert veröffentlicht und dabei unwillentlich einen missverständlichen Eindruck erweckt“. Während die Kritik, dass sie ihre Arbeit für eine EU-Abgeordnete nicht nur von Brüssel aus verrichtete, etwas kleinkariert wirkt, wiegen die ungenauen Angaben zu ihren Studienabschlüssen und die angeblichen Mitgliedschaften im German Marshall Fund und im Flüchtlingshilfswerk UNHCR schon schwerer.

Denn sie legen den Eindruck nahe: Das, was Annalena Baerbock an politischer Erfahrung auf die Waage bringt, reicht irgendwie nicht. Genau das war die Kritik an ihrer Kanzlerkandidatinnenschaft, dass es ihr an politischer Erfahrung fehle. Der Umgang von Baerbock und ihrem Wahlkampfteam mit dem Lebenslauf suggeriert, dass man diese Sorge teilt.

Eine Partei wie die Grünen sollte sich mehr Selbstbewusstsein leisten. Denn ihr Alleinstellungsmerkmal war es, auch mit nicht-polierten Biografien Türen zu öffnen.

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studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Potsdam, Berlin und Mexiko-Stadt und schreibt seit 2009 für die taz. Sie volontierte bei der taz in Hamburg, war dort anschließend Redakteurin, Chefin von Dienst und ab Juli 2017 Redaktionsleiterin. 2019 wechselte sie in die Produktentwicklung der taz und ist verantwortlich für die Digitalisierung der täglichen taz.

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