Alles schlimm finden bringt nichts: Was hilft gegen Populisten?

Manche Drecksäcke wollen gern die emanzipatorisch-liberaldemokratische Entwicklung der BRD abschreiben. Den Gefallen sollte man ihnen nicht tun.

Wahlhelfer*innen beim Auszählen der Stimmen für die Oberbuergermeisterwahl in Nordhausen

Die AFD abwählen statt jammern Foto: imago

Der Katastrophismus ist eine beliebte Kultur, die speziell von manchen Haltungslinken gern gepflegt wird. Ein AfD-Landrat löst bei ihnen Weimar-Vergleiche und Schoß-ist-fruchtbar-noch-Gerede aus oder bringt den Evergreen in die heavy rotation zurück, dass „die Deutschen“ Faschismus einfach im Blut hätten, was ja ironischerweise eine Variante von Blut-und-Boden-Ideologie ist.

Ich will damit nicht sagen, dass es keine Gründe gäbe, sich Sorgen zu machen – im Gegenteil. Gerade deshalb suche ich eine Herangehensweise, die die steigende Nachfrage nach populistischen Parteien, Slogans und Figuren (AfD, Aiwanger, Wagenknecht) sowie rechts- und linksautoritären Pseudolösungen ernst nimmt und medial und politisch bearbeitet, statt aus intellektueller Schwäche zum Multiplikator der Destruktion zu werden.

Dafür darf man die emanzipatorisch-liberaldemokratische Entwicklung der Bundesrepublik seit 1945 nicht vorauseilend abschreiben, nur weil irgendwelche Drecksäcke das gern hätten. Es wird aber auch nicht helfen, Haltung zu beschwören, auf Antifa-Demos zu gehen oder gar „die Mitte“ weit nach rechts zu schieben oder gleich zu nazifizieren. Mit Letzterem reduziert man nämlich Nazis nicht, sondern produziert sie.

Etwas weniger dramatisiert kann man von einer zunehmenden Bockigkeit sprechen in Teilen bisher unauffälliger Milieus, hervorgerufen durch den Schock des Verlusts der gewohnten „Normalität“ und die Schwierigkeiten von Regierung, Opposition und Mediengesellschaft, damit umzugehen.

Grüne-sind-schuld-Fantasy

Daraus entwickelt sich Zustimmung für Sündenbock-Rhetorik und an Problemlösungen komplett desinteressierter Politik – von Trump, Le Pen, Meloni über AfD zu Aiwanger. Das wiederum hat zur Folge, dass Protagonisten der liberaldemokratisch-europäischen CDU/CSU (Söder, Merz) derzeit zu Hybriden geworden sind, die mit einer inhaltlich und stilistisch erbärmlichen Grüne-sind-schuld-Fantasy das Werte- und Politikfundament dementieren, auf dem die Partei aufgebaut ist.

Warum nimmt die Union nicht den Wettbewerb um das moderne Bürgertum auf, das der Motor und Resonanzraum der Habeck-, Kretschmann- und Al-Wazir-Grünen geworden ist? Offenbar hat sie das nicht drauf. Und (warum) lässt sich das konservativ-liberale Bürgertum in Bayern diesen unwürdigen Politik-Klamauk von Markus Söder bieten und seine politische Ankettung an den Populisten Aiwanger und dessen Anti-Zukunftspolitik? Der Classic-Linke wird sagen: Weil die halt alle rechts sind und schlimm.

Das hilft nicht und ist nicht auf der Höhe der Problemlage des sozialökologischen Jahrhunderts. Rechtsradikale AfD-Politiker sind Feinde der Demokratie, weshalb wir uns vor ihnen mit den Mitteln des Staates und unserer Verfassung gnadenlos schützen müssen. Die große Mehrheit der Gesellschaft aber sind keine Feinde der Demokratie, sondern Leute, die miteinander auskommen müssen und können.

Das Gemeinwesen schützen

Die erste Voraussetzung dafür ist, das zu wollen und auf einer gemeinsamen Basis Kompromisse zu schließen, auch wenn das zunächst weniger Wirtschafts- und Klimapolitik heißt, als physikalisch und zukunftsökonomisch notwendig wäre.

Da nun nicht nur traditionell Deutschland- und EU-skeptische Linke, sondern Rechtspopulisten, FDP-Kundschaft und Teile der inhaltlich taumelnden Union angefangen haben, die Bundesrepublik schlimm zu finden, ist es die Aufgabe der sozialökologischen Kräfte, das Gemeinwesen aus dem Zentrum heraus zu schützen, zusammenzuhalten und zukunftsfähig zu machen.

It’s a tough job, but somebody’s got to do it.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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