Populismus der Union: Billige Eindimensionalität
Die Opposition macht die Ampel für das Erstarken der AfD verantwortlich. Sie sollte besser ihre eigene Rolle hinterfragen.
T agtäglich kann man es derzeit fast lesen, in Interviews oder den sozialen Netzwerken: Die Union – mal in Person von Markus Söder oder Julia Klöckner, zuletzt von Christina Stumpp, Vize-Generalsekretärin der CDU – gibt der Ampel die alleinige Schuld am Umfragehoch der AfD. Doch auch die ständige Wiederholung dieser These macht sie nicht richtig. Denn die Gründe für die besorgniserregenden 18 Prozent für die AfD in den Umfragen sind vielfältig. Und die Union hat durchaus ihren Anteil daran.
Zunächst: Der größte Sprung in den Umfragen gelang der AfD nicht in den vergangenen Wochen, sondern bereits Mitte 2022. Da war die Verunsicherung angesichts von Energieknappheit, Inflation und drohendem Wirtschaftsabschwung groß. Der AfD ist gelungen, dies für sich zu nutzen, obwohl die Ampel mit ihren Sozialpaketen vieles richtig machte und im Winter einen Energienotstand verhindert hat.
Die derzeitige Performance der Ampel allerdings dürfte der AfD wirklich helfen. Eine zerstrittene Regierung, die die Bürger*innen mit kommenden Lasten verunsichert, ist für die Rechtsradikalen eine Steilvorlage. Die Ampel hat es nicht geschafft, die sozialen Ängste aufzufangen, die mit der Debatte um das Heizungsgesetz freigesetzt worden sind. Und soziale Ängste in Wut gegen das Establishment und Zustimmung für sich selbst zu verwandeln, das ist eine der Kernkompetenzen der AfD.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Union hat im Zusammenspiel mit der Springer-Presse viel dafür getan, dass Sorgen, Ängste und Wut wuchsen. Dass die AfD derzeit weiter dazugewinnt, dürfte auch an der Debatte über Migration liegen, die derzeit von der Union kräftig angeheizt wird. Probleme zu benennen ist notwendig und richtig. Diskussionen über Zäune, eine Beschränkung des Grundrechts auf Asyl und ein Infragestellen der Genfer Flüchtlingskonvention aber sind populistisch und legitimieren die Positionen der AfD.
Meint die Union es in ihrer Sorge um die hohen Zustimmungswerte für die AfD ernst, muss sie ihren Kurs überprüfen. Und die Ampel sich zusammenraufen. Sonst droht spätestens bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr in Ostdeutschland ein Debakel – für alle Demokrat*innen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!