Söders Aiwanger-Treue: Es geht um Macht, nicht um Moral

Söder hält am Freie-Wähler-Chef fest, weil er ihn nach der Bayernwahl braucht. Um die Sache ging es bei der Flugblatt-Affäre längst nicht mehr.

Markus Söder und Hubert Aiwanger nebeneinander

Aiwanger, ein pflegeleichter Koalitionspartner Foto: Lukas Barth-Tuttas/epa pool/dpa

Der entscheidende Satz fiel in der vorletzten Minute: „Wir werden in Bayern die bürgerliche Koalition fortsetzen. Es wird definitiv kein Schwarz-Grün geben.“ Man tritt Markus Söder bestimmt nicht zu nahe, wenn man ihm unterstellt, dass genau das der eigentliche Beweggrund dafür ist, an Hubert Aiwanger festzuhalten, der längst nicht mehr nur das Enfant terrible seines Kabinetts ist.

Mit Moral, mit einer ausgewogenen Beurteilung des Verhaltens Aiwangers in der vergangenen Woche hat diese Entscheidung nichts zu tun. Das zeigt sich schon an den fadenscheinigen Begründungen. Er wolle keine Vorverurteilung vornehmen. Aber was heißt hier Vorverurteilung? Verurteilung vor was? Diesen Satz hätte man direkt nach der ersten Veröffentlichung der Süddeutschen Zeitung bringen können. Aber nun geht es um das seitherige Verhalten Aiwangers. Dieses allen Ernstes als unglückliches Krisenmanagement zu bezeichnen, bedarf schon einer Extraportion Chuzpe.

Man erinnere sich an das Silvestervideo von Christine Lambrecht, das Energiekrisenmanagement von Robert Habeck. Hier hätte man die Vokabel „unglücklich“ vielleicht gebrauchen können. Söder hingegen forderte die Entlassung der beiden. Aber Moral ist bei Söder immer nur die Moral der anderen.

Jetzt dürfe nichts mehr dazukommen, hat Söder vor ein paar Tagen noch großspurig gefordert, und er erwarte eine umfangreiche und glaubwürdige Beantwortung seines Fragenkatalogs. Nun lässt er Aiwanger aber etwa mit der Behauptung durchkommen, er wisse nicht, wie die Flugblätter in seine Schultasche gekommen seien. Auch die windelweiche Pseudoentschuldigung seines Vize lobt er als richtig und notwendig. Und dass er sich von dem Flugblatt distanziert habe, spreche für Aiwanger. Hallo? Allein dass Söder offenbar in Betracht zieht, es könne möglich sein, sich nicht von diesem Machwerk zu distanzieren, lässt einen sprachlos zurück.

Söder geht es um Wählerstimmen

Söders Entscheidung ist eine wohlkalkulierte, rein machtpolitische. Gut, bei Wählern der Ampelparteien in Bayern dürfte er ein weiteres Stück Glaubwürdigkeit verspielt haben, nur juckt ihn das so sehr, wie wenn irgendwo in Niederbayern eine Schultasche umfällt: Deren Stimmen hätte er sowieso nicht bekommen.

Viel schmerzhafter für ihn wären die Stimmen gewesen, die er bei einer Entlassung Aiwangers an die Freien Wähler, vielleicht auch die AfD verloren hätte. Und der Verlust eines sonst im Großen und Ganzen pflegeleichten Koalitionspartners. Für Söder und Aiwanger dürfte die Sache damit vielleicht noch mal glimpflich ausgehen – für Bayerns Demokratie nicht.

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Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.

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