Islamisten-Demo in Hamburg: Alle Faschos sind gleich
In Hamburg demonstrierten am Wochenende Islamisten. In ihrer Sehnsucht nach Autorität und Tradition ähneln sie den Reichsbürgern um Prinz Reuß.
E in selbst gemaltes Plakat mit klarer Ansage: „Kalifat ist die Lösung“. In Hamburg riefen am vergangenen Samstag über 1.000 Menschen nach einer islamischen Regierungsform. Sie hatten vorgeblich gegen Islamfeindlichkeit in Politik und Medien demonstriert. Aber ihre Kritik beschränkte sich nicht auf rechte und rechtsextreme Tendenzen in Parteien und Netzwerken, Zeitungen und Blogs. Den Demonstrierenden sind Diversität und Liberalität ebenso verhasst wie der Wandel der Geschlechterrollen.
Ein Plakat glich einem Offenbarungseid: „Deutschland = Wertediktatur“. Ausgerechnet in dieser „Diktatur“ konnte die Demonstration ausgerichtet werden. Die Grundrechte garantierten die Zulassung. Diese freiheitlichen Rechte schienen den Teilnehmenden im Hamburger Stadtteil Sankt Georg offensichtlich zu frei. Sie skandierten lieber „Allahu Akbar“ – „Gott ist groß“. In Gesellschaften, in denen Gott aber groß ist, ist das Individuum klein.
„Die Kritik an der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik“, konstatierte Karl Marx schon 1843. Der Ansatz kommt über 180 Jahre später in fundamentalistisch-religiösen Milieus immer noch einer Gotteslästerung gleich.
Der Anmelder der Kundgebung soll der Gruppe „Muslim Interaktiv“ nahestehen. Diese Gruppe gilt als gesichert extremistisch und zutiefst antisemitisch. Sie steht der verbotenen islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir nahe. Diese würde schon lange für die Einführung eines Kalifats werben, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor. Ein Vereinsverbot von Organisationen, die der Hizb ut-Tahrir naheständen, sei dringend geboten.
Hass führt zu Hass
Ein Verbot dürfte die Islamisten nicht zum Umdenken bewegen, aber ihren Handlungsrahmen einengen. Sie selbst schüren aber auch den Hass und die Hetze gegen muslimische Menschen, die sie angeblich anprangern. Sie fordern genau das, was die vermeintlichen Retter des christlichen Abendlandes immer wieder als Bedrohung ausmachen: einen islamischen Gottesstaat auf deutschem Boden.
Hier, wo jede Moschee, jedes Minarett als Zeichen der „Überfremdung“ ventiliert wird, dürfte die Demonstration nun als Bestätigung popularisiert werden.
In ihrem Herbeisehnen eines Kalifats haben sie indes viel gemein mit Rechtsextremen, die das ehemalige deutsche Kaiserreich glorifizieren. Sie eint die vormoderne Sehnsucht nach einem autoritären Staat, in dem Hierarchien und Tradition bestehen, Männer Männer bleiben und Frauen Frauen.
Am Montag konnte man sehen, wohin dieser Pfad führt: im Falle der Reichsbürger um Prinz Reuß vor das Oberlandesgericht in Stuttgart.
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