Mangelnde Diversität in deutschen Medien: Faule Repräsentation

Der Autorin Sophie Passmann wird vorgeworfen, die Stimmen von BIPOC nicht ernst zu nehmen. Doch sie hat Recht mit Kritik an Medien und Redaktionen.

Eine Studiolampe

Scheinwerfer ist an, Kamera läuft: Doch wer nun dahinter steht, muss dringend neu debattiert werden Foto: PantherMedia/imago

Es wird aktuell sehr viel über weißen Feminismus gesprochen. Den Anstoß gab ein Interview, das die Autorin Sophie Passmann dem Schweizer Magazin Annabelle gegeben hat.

Darin sagte sie unter anderem: „Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine Schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird: Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interview-Mikrofon hinein? Ohne dabei irgendetwas gegen Rassismus getan zu haben.“

In diesem Text soll es nicht um das Interview selbst gehen, denn dazu ist schon sehr viel gesagt worden. Ich würde lieber über einen Aspekt des Interviews sprechen, der mich schon lange umtreibt und offen gestanden langsam wütend macht: die mangelhafte und faule Repräsentation sogenannter marginalisierter Gruppen in den deutschsprachigen Medien.

Ich schließe mich Passmanns Kritik an Redaktionen zu großen Teilen an, obwohl ich die Formulierung „laut, funky“ etc. aus verschiedenen Gründen unglücklich finde, und möchte hier meine Wut darüber teilen: als Schwarze Frau, die als Kolumnistin, Redaktionsleiterin, Pod­casterin, gelegentliche Moderatorin und Schauspielerin vor der Kamera und hinter den Kulissen wirkt.

Sehr betroffen

Als deutsche Redaktionen und Sender Schwarze Menschen und Rassismus entdeckt haben, das muss um 2020 gewesen sein, wurden sie nervös. Und wie sie nicht müde zu betonen wurden, sehr betroffen. Wir müssen was machen! Das geht doch so nicht. Anna, ich bin entsetzt. Und traurig. Und erwähnte ich schon: betroffen?

Also wurden Schwarze Menschen vor die Kamera gezerrt: Komm, erzähl uns doch mal deine schlimmste Rassismuserfahrung. Mensch, das ist wirklich so passiert? Heftig. Gut, dass wir nicht so sind, wie die schlimmen Rassisten, von denen du berichtest, schließlich geben wir dir Raum, um über sie zu sprechen.

Weiße Menschen klopften sich nach der Aufzeichnung gegenseitig auf die Schulter: Heute haben wir erfolgreich was gegen Rassismus getan. Morgen dann wieder normale Themen mit normalen Menschen. Dass die vielen Schwarzen Menschen, die da vor das Mikro gezerrt werden, auch anderes können, als „nur“ über Rassismuserfahrung zu sprechen, passt nicht so recht ins Bild.

Was bedeutet es eigentlich für Kreative, denen großzügig ein Platz am Tisch, aber bitte am Schwarzen Tisch für die Schwarzen Geschichten, angeboten wird? Oder denen nur dann eine Plattform gegeben wird, wenn sie über Rassismuserfahrungen sprechen sollen?

Wie denn jetzt am besten?

Eine befreundete Autorin und Regisseurin erzählte mir, wie ihr die Regie für eine Schwarze Geschichte angeboten wurde, die sie mit einer anderen marginalisierten Frau teilen sollte. Dass diese Frauen auch für andere Jobs infrage kämen, bei denen sie ihren Stuhl an dem besagten Tisch nicht miteinander teilen müssten, kam gar nicht in Frage.

Hört sich für mich eher nach Charity an als nach Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Mensch, Anna, egal wie man es macht, man macht es falsch. Wie soll man es denn jetzt am besten machen?

Na ja, diese Nachricht wird einige schockieren, aber man könnte Schwarze Regisseure, Journalisten, Schauspieler für alles Mögliche anfragen. Auch für andere Themen. Dafür müsste man aber Schwarzen Menschen und „ihren“ Geschichten zugestehen, dass sie genauso universell sind wie „weiße“ Geschichten.

Keine echte Teilhabe

Anderes Beispiel: Ich sprach neulich mit einem potenziellen Auftraggeber über ein Unterhaltungsprojekt, das sie kreativ und inhaltlich super fanden, aber letztlich ablehnten, weil das Geld in diesem Jahr fehlte.

Der potenzielle Auftraggeber sagte mir, dass es noch einen anderen Topf gebe, aber da gehe es um Projekte mit Rassismusbezug.

Ich bin sehr irritiert, dass das jetzt die Schlussfolgerung aus den letzten Debatten ist: Ideen von Schwarzen Menschen werden finanziert und finden eine Plattform, aber nur, wenn es um Rassismus geht.

Das ist keine echte Teilhabe und alles andere als nachhaltig. Mich beschleicht langsam das Gefühl, dass es nicht um echte Teilhabe geht, sondern darum, weiße Redaktionen und Entscheider progressiv erscheinen zu lassen. Ohne fundamental etwas an den Strukturen zu ändern, die nach wie vor rassistisch sind.

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