Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: „Die Masken sind gefallen“
Überraschend wird Thomas Kemmerich (FDP) zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt. Entscheidend: die Stimmen der AfD.
Im dritten Wahlgang erhielt Kemmerich am Mittwoch im Erfurter Landtag 45 Stimmen und damit eine Stimme mehr als der bisherige Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke). Damit stimmte die AfD-Fraktion offenbar geschlossen für den FDP-Kandidaten, ihr eigener Bewerber Christoph Kindervater erhielt keine Stimme.
Die Entscheidung über das Amt des Ministerpräsidenten in Thüringen fiel im Landtag erst in einem dritten Wahlgang. Der bisherige Amtsinhaber Bodo Ramelow verfehlte am Mittwoch in den ersten zwei Durchgängen die erforderliche absolute Mehrheit von 46 Stimmen. Der für eine rot-rot-grüne Minderheitskoalition antretende Linke-Politiker erhielt 44 Stimmen und damit eine mehr als im ersten Wahlgang. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen auf 42 Abgeordnete.
Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im zweiten Wahlgang 22 Stimmen, wie Landtagspräsidentin Birgit Keller mitteilte. Die AfD war bei der Landtagswahl im Oktober 2019 mit 22 Abgeordneten zweitstärkste Fraktion geworden. Im dritten Wahlgang reicht zur Wahl des Regierungschefs die einfache Mehrheit.
SPD-PolitikerInnen finden klare Worte
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat CDU und FDP vorgeworfen, in Thüringen einen „unverzeihlichen Dammbruch“ ausgelöst zu haben. „Dass die Liberalen den Strohmann für den Griff der Rechtsextremisten zur Macht geben, ist ein Skandal erster Güte“, schrieb Walter-Borjans am Mittwoch auf Twitter. „Da kann sich niemand in den Berliner Parteizentralen wegschleichen.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem „Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich habe sich mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD an die Macht wählen lassen.
Juso-Chef Kevin Kühnert hat CDU und FDP vorgeworfen, bei der überraschenden Ministerpräsidentenwahl in Thüringen einen Tabubruch begangen zu haben. Der AfD „zu echter Macht verholfen zu haben“, werde für immer mit diesen Parteien verbunden sein, schrieb der SPD-Vize am Mittwoch auf Twitter. „Die Masken sind gefallen.“ Nun sei Wachsamkeit das Gebot der Stunde.
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Thüringens CDU-Chef Mike Mohring hat den Vorwurf zurückgewiesen, seine Partei habe durch die Wahl des von der AfD unterstützten FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten einen Tabubruch begangen. „Wir haben uns entschieden, den Kandidaten der bürgerlichen Mitte zu unterstützen“, sagte Mohring nach der Wahl am Mittwoch. „Wir sind nicht verantwortlich für die Kandidaturen anderer Parteien.“ Von Kemmerich erwarte er nun eine „klare Abgrenzung zur AfD“.
Mohring berief sich auf die „staatspolitische Verantwortung“: „Eine Enthaltung hätte sich verboten“, sagte er. „Alle haben gesagt, es geht um staatspolitische Verantwortung.“ Dem sei die CDU nun nachgekommen. „Entscheidend ist nun, dass Kemmerich klarmacht, dass es keine Koalition mit der AfD gibt.“
Die Landes-SPD warf den Liberalen nach Kemmerichs Wahl mit Stimmen der AfD eine „Missachtung des Wählerwillens“ vor. Er sei „geschockt, dass die FDP sich hergibt, Spielchen mit der AfD zu machen“, sagte der bisherige Landesinnenminister Georg Maier (SPD). Die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten entspreche nicht dem Votum der Wähler.
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke sprach von einem „guten Tag für Thüringen“. Seine Partei habe „das Wahlziel gehabt, Rot-Rot-Grün zu beenden“, sagte Höcke. Unter der bisherigen Regierung sei Thüringen „in einen Linksstaat deformiert“ worden. „Deshalb haben wir heute gewählt, wie wir gewählt haben.“
Nach seiner Vereidigung am Nachmittag teilte Kemmerich mit, eine Regierung mit CDU, SPD und Grünen führen zu wollen. Er wolle eine Regierung der Mitte, sagte er im Landtag. SPD und Grüne haben einer Zusammenarbeit mit einer Regierung unter Kemmerich jedoch bereits eine Absage erteilt.
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