Flutkatastrophe in Westdeutschland: Das Ende des Wohlfühlwahlkampfs
Die Union wollte mit netten Post-Krisen-Botschaften die Bundestagswahl gewinnen. Diese Illusion ist mit dem Unwetter zerstört.
D ie Unwetterkatastrophe im deutschen Westen ist traumatisch. Dutzende Menschen sind ertrunken oder von ihren Häusern verschüttet worden. Zwar gab es schon diverse Flutkatastrophen an Flüssen, aber bisher waren die Schäden vor allem materiell. Diesmal endeten die Regenfälle tödlich.
Durch den Klimawandel werden Naturkatastrophen häufiger, sodass das tragische Unwetter auch den Bundestagswahlkampf prägen dürfte. Armin Laschet hat dies verstanden. Der CDU-Vorsitzende sagte seinen Besuch bei der CSU-Klausur in Seeon ab und reiste stattdessen nach Altena und Hagen, um sich vor Ort zu informieren. Auch SPD-Finanzminister Olaf Scholz kündigte an, noch am Donnerstag in das Katastrophengebiet zu kommen.
Es mag zynisch klingen: Für Kanzlerkandidaten ist es wahltaktisch zwingend, die Flutgebiete aufzusuchen. Der einstige CSU-Chef Edmund Stoiber ist ein warnendes Beispiel, wie desaströs es sein kann, nicht rechtzeitig die Gummistiefel anzuziehen. Beim Hochwasser an Elbe und Mulde im Sommer 2002 reiste SPD-Kanzler Schröder medienwirksam durchs Krisengebiet, während Stoiber zunächst nur aus der Ferne sein Beileid bekundete. Das kostete entscheidende Stimmen. Ganz knapp zog Schröder damals erneut ins Kanzleramt ein.
Allerdings ist Laschet mit Krisen überfordert, wie sein Presseauftritt in Hagen zeigte. Es dauerte fünf lange Minuten, bevor er die Toten erwähnte – und er beschränkte sich allein auf die Opfer in seinem eigenen Land Nordrhein-Westfalen. An die Toten und Vermissten in Rheinland-Pfalz wurde mit keinem Wort gedacht.
Dieser befremdliche Auftritt erinnerte an die Coronazeiten, als Laschet ebenfalls ziemlich flatterhaft wirkte und unfähig war, das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. Der negative Höhepunkt war damals erreicht, als er die Masseninfektionen in der Fleischfabrik Tönnies mit den Worten abtat, dass die betroffenen Beschäftigten ja „Rumänen und Bulgaren“ seien.
Eigentlich hatte die Union gehofft, dass sie bis zum 26. September einen Wohlfühlwahlkampf führen könnte. Nach dem Motto: Corona war gestern, die Krisen sind vorbei. Diese Illusion ist mit dem Unwetter erst mal zerstört. Prompt tat Laschet in Hagen, was er immer tut. Er log sich die Welt schön.
Diesmal behauptete er, Nordrhein-Westfalen leiste „den größten Beitrag“ zum Klimaschutz. Das ist falsch. Stattdessen verhindert das Kabinett Laschet, dass weitere Windkraftanlagen aufgebaut werden können. Diese Anti-Klimaschutz-Politik ist zynisch. Und Laschet ist als Krisenmanager mal wieder überfordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern