Erlanger Studentenverbindungen: Illegales Ehrenduell
In Erlangen fochten Verbindungen ein verbotenes Duell, zwei Personen wurden schwer verletzt. Die Korporierten befürchten jetzt ein Fecht-Verbot.
Es handelte sich bei dem Duell um eine sogenannte „Pro Patria-Suite“, bei der Mitglieder um ihre Ehre kämpfen. Das ist verboten. Nur die Mensur, also das Fechten, um „seine Mann zu stehen“, ist unter Auflagen erlaubt.
Die Einladung zu dem Abend bestätigt, dass nicht bloß eine Mensur gefochten werden sollte. Ein Mann namens Franc V. schrieb am 31. Januar „mit treuen Munichengrüssen“ seinen „lieben Bundesbrüdern“ von der „Turnerschaft Munichia Bayreuth im CC“: „Hiermit möchte ich Euch herzlich zu unserer PP-Suite mit der B! Germania Erlangen einladen“. PP steht für „Pro Patria“ im Jargon der Korporationen. Einem solchen Duell geht meist eine Beleidigung voraus.
Die Burschen- und Turnerschaft führten an dem Abend dann eine dreigliedrige Fechtfolge durch. Drei Burschen und drei Turner traten gegeneinander an. Geplant war, dass der Abend anschließend „feucht-fröhlich ausklingen“ sollte. Doch es kam anders. Zwei Mitglieder der Munichia wurden durch „Germanen“ so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. In den Worten der schlagenden Verbindungen: Es gab zwei „klinische Abfuhren“.
Bis zum Knochen
Den ersten Verletzten brachten Beteiligte noch alleine in die Universitätsklinik. Der zweite Verletzte war allerdings so schwer verletzt, das die Anwesenden einen Rettungswagen riefen. Die Rettungsleitstelle informierte die Polizeiinspektion Erlangen-Stadt.
In den internen Chats, die die Autonome Antifa Freiburg veröffentlicht hat, berichtet ein „Alter Herr“ des Erlanger Corps Pomerania Silesia Bayreuth: „Es gab eine Knochenrille und beim zweiten Paukanten konnte eine Arterie nicht geschlossen werden.“
Die Schwere der Verletzungen durch geschliffene Klingen schockierte die Radiologie an der Klinik so nachhaltig, dass sie MRT-Aufnahmen des einen Verletzten veröffentlichte. In einer Pressemitteilung schreibt die Polizei, dass bei einer „Fechtveranstaltung“ ein 21-Jähriger beim „Wettkampf eine Schnittwunde am Kopf“ und eine weitere Person ebenso eine „Kopfverletzung“ erlitt. Ermittlungen wegen „gefährlicher Körperverletzung“ seien aufgenommen wurden. Vom Duell schreibt die Polizei bisher nichts.
Die internen Chats der Verbindungsmitglieder zeigen, dass dort nun große Sorge besteht. Sie fürchten, dass das studentische Fechten mit scharfen Waffen komplett verboten werden könnte und eine aufbrechende gesellschaftliche Debatte um die Mensur. So wettert einer: „Wie kann ein Paukarzt so blöde sein und die Rettung rufen, wenn die Uni-Klinik 200 m entfernt ist!!“. Pauken nennen schlagenden Verbindungen das Fechttraining.
Wackelt bald auch die bisher legale Mensur?
Der Mann erklärt im Chat weiter: „Es ist blöde, weil 1. die Rettung nicht der Schweigepflicht unterliegt und gesetzlich verpflichtet ist, bei Körperverletzung die Polizei zu verständigen und weil 2. die Chirurgie selbst wenn man den Patienten hinträgt schneller erreichbar ist als mit der Rettung und weil jetzt 3. die politische Diskussion um ein Mensurverbot wieder angestoßen wird“.
In den Chats wird denn auch prompt dargelegt, wie bei solchen Unfällen reagiert werden sollte, um Polizei und Öffentlichkeit außen vorzuhalten. Ein Alter Herr beklagt aber auch, dass bei einem früheren Duell in Erlangen schon mal ein „Paukant“ ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Eine Sprecherin der Freiburger Autonomen Antifa sagt, aus den Chats gehe hervor, dass das Fechten um die Ehre verbreiteter sei als bekannt. Der Nachweis sei wegen des Corpsgeistes in Korporationskreisen schwer zu führen, betont sie. Aber: „In diesem Fall ist die Sachlage eindeutig“.
Die Rechtslage ist nicht minder deutlich. In einem Grundsatzurteil von 1953 entschied der Bundesgerichtshof, dass bei einer Mensur die Einwilligung in die Körperverletzung nicht sittenwidrig sei. Dies würde aber nicht auf Duelle zutreffen, „die der Austragung von Ehrenhändeln dienen“.
„Ehrenhändel widersprechen dem staatlichen Gewaltmonopol und sind deshalb seit Jahrhunderten verboten“ sagt die Kulturwissenschaftlerin Alexandra Kurth der taz. Sie beobachtet schon lange die Studentenverbindungen in Deutschland. Laut ihr schwanke die strafrechtliche Verfolgung von Duellen. Oft sei es schwierig, nachzuweisen, dass überhaupt ein Duell stattgefunden hat.
Doch im aktuellen Fall ist Kurth hoffnungsvoll: „Sollte sich herausstellen, dass es sich bei den Erlanger Mensuren tatsächlich um Ehrenhändel gehandelt hat – und vieles spricht dafür – darf man einen hochspannenden Strafprozess erwarten.“
Aber auch die derzeit legalen Mensuren sind umstritten. Die „guten Sitten“, zu denen der Bundesgerichtshof 1953 Mensuren als Männlichkeitsritual zählte, könnten heute ganz anders ausgelegt werden, hofft die Sprecherin der Freiburger Autonomen Antifa. „Ein potenziell tödlicher Fechtkampf als Mutprobe zur Bildung einer Gruppenidentität elitärer Männerbünde würde heute wohl als Verstoß gegen die ‚guten Sitten‘ gesehen werden.“
Ein Aschaffenburger Rechtsanwalt von der Burschenschaft Libertas Würzburg warnt in den internen Chats selbst: „Wenn heutzutage wirklich einmal ein Gericht darüber entscheiden müsste, ob die Mensur gegen die guten Sitten verstößt (…), sehe ich ehrlich gesagt ziemliche Unwetterwolken am Horizont aufziehen“. Die Sprecherin der Freiburger Antifa sagt dazu: „Wir hoffen, für schlechtes Wetter zu sorgen“.
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