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Der Jahrestag der Ukraine-InvasionWarum Russland verlieren wird

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Vor drei Jahren hat Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet. Die Erwartung auf einen schnellen Durchmarsch hat sich nicht erfüllt.

Machen es den russischen Truppen nicht so leicht, wie erwartet: Ukraine Soldaten laden eine Panzerhaubitze Foto: Evgeniy Maloletka/ap/dpa

A ls Russland vor drei Jahren die Ukraine überfiel, erwartete fast die gesamte Welt einen schnellen Durchmarsch. Die russische Regierung erwartete einen ukrainischen Kollaps innerhalb von zehn Tagen und plante ihre „Spezialoperation“ als Blitzkrieg. Der Westen war noch pessimistischer – die US-Militärspitze erläuterte dem US-Kongress Anfang Februar 2022, die ukrainische Hauptstadt werde bei einem russischen Einmarsch „innerhalb von 72 Stunden“ fallen. Dies erwarteten auch viele Deutsche, als im Morgengrauen des 24. Februar 2022 Bomben auf Kyjiw fielen und Russlands Armee an breiter Front die Grenze überschritt.

Drei Jahre später hat Russland keines seiner Kriegsziele erreicht. Kyjiw wurde nicht eingenommen und nach dem Scheitern der anfänglichen Invasion hat Russland keinen zweiten Versuch gestartet. Seit 2022 wurde keine einzige zusätzliche ukrainische Gebietshauptstadt von Russland dauerhaft eingenommen. Zunächst vergrößerte Russlands „Blitzkrieg“ das russisch besetzte Territorium in der Ukraine von rund 43.000 Quadratkilometern, also die Krim und Teile der Gebiete Donezk und Luhansk, auf rund 152.000 – ein Viertel der Ukraine.

Aber schon Ende November 2022 waren davon nur noch gut 105.000 übrig, und nach jahrelangen Angriffswellen mit Hunderttausenden Toten sind es mittlerweile erst wieder 113.000. International begründete Russland seinen Krieg immer damit, die Nato fernhalten zu wollen. Doch in den drei Jahren ist das Bündnis durch die Aufnahme Schwedens und Finnlands größer geworden, nicht kleiner, und hat einen neuen Sinn für sich entdeckt.

Innenpolitisch wollte Russland die Ukraine „entmilitarisieren“ und „entnazifizieren“, also ein Satellitenregime einsetzen, das den ukrainischen Freiheitsgedanken auslöscht. Die Ukrainer sollten sich daran erinnern, dass sie eigentlich Russen seien und damit Untertanen des Kreml. Folter und Mord, Ausradierung ganzer Städte, Verschleppung ukrainischer Kinder, Zwangsrussifizierung und Sprachverbot sollten dieser Erinnerung auf die Sprünge helfen. Doch nie war das ukrainische Nationalbewusstsein stärker als in diesem Krieg, ohne dass damit autoritäre Strukturen entstanden wären – Solidarität steht nicht im Widerspruch zu Bürgerstolz.

Russland erleidet hohe Verluste

Die Ukraine fand auch zu ungeahnter militärischer Stärke und hielt Russlands Angriffen stand. Eine Kriegsfront aus verkohlten Ruinen, Schützengräben und Minenfeldern zieht sich jetzt durch den Süden und Osten des Landes, auch mitten durch alle von Russland für annektiert erklärten Gebiete. An 95 Prozent der Front ändert sich seit Monaten praktisch nichts. An den restlichen 5 Prozent sind die Kämpfe so zäh, dass kein Durchkommen in Sicht ist. Ukrainische Gegenoffensiven sind damit kaum denkbar, aber ein russischer Sieg eben auch nicht.

Entgegen der aktuellen internationalen Wahrnehmung lässt die Intensität der russischen Angriffe entlang der Front seit einigen Monaten deutlich nach. In Berichten werden mittlerweile Vorstöße von 60 Metern als bedeutsam gewertet. Die ukrainischen Verluste sind hoch – Selenskyj nannte Mitte Februar 46.000 getötete und 390.000 verwundete Soldaten – die russischen Toten an der Front gehen jedoch allen vorliegenden Erkenntnissen nach in die Hunderttausende.

Eine größere Mobilisierung in Russland würde einen massiven Arbeitskräftemangel hervorrufen und Russlands Kriegswirtschaft vor große Probleme stellen. Der Verbrauch an Waffen ist jetzt schon viel höher als die Eigenproduktion, die sowjetischen Altbestände sind fast aufgebraucht. Analysen zufolge kann Russland ab 2026 seine Kriegslast nicht mehr tragen. Die angeblich unbesiegbare Kriegsmaschine ist jetzt schon auf Nordkoreaner als Kanonenfutter und Esel als Lastenträger angewiesen.

Kritik gegenüber Schulterschluss zwischen Trump und Putin

Deswegen versucht Putin, dieses Jahr noch einen „Frieden“ zu seinen Bedingungen zu diktieren. Trump hilft ihm dabei – ein Schlag in die ukrainische Magengrube, der Putin Morgenluft wittern lässt. Aber zugleich adelt Trumps Schulterschluss mit Putin den Kampf der Ukraine auch in den Augen der Weltmehrheit, die die US-Außenpolitik kritisch sieht, als Freiheitskampf. Selbst Südafrika, dessen regierende Ex-Befreiungsbewegung ANC bis heute nostalgische Solidarität mit Moskau pflegt, hat Selenskyj zum Staatsbesuch eingeladen.

Die USA als Gegenspieler zu haben, sollte für die Ukrainer kein Grund zur Panik sein. Sie haben Putins Panzer zurückgeschlagen, sie werden auch mit Trumps Tiraden fertigwerden. Mit jedem Trump-Vorstoß in Richtung eines Scheinfriedens, der Russlands Krieg legitimiert, wird dieser diplomatisch schwerer durchzusetzen. Denn von Grönland bis Panama weiß inzwischen die ganze Welt, was von Trump zu halten ist. Sie werden nicht durchkommen, lautet ein alter antifaschistischer Spruch. Selten war er passender als in der Ukraine heute, nach drei Jahren Widerstand.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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23 Kommentare

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  • Die Zeichen stehen nicht so gut,



    DÄUMCHEN DRÜCK!

  • Ich teile die Meinung des Autors nicht.

    Russland wird vermutlich einige Ländereien und auch Zusagen (z.B. Ukraine nicht in der Nato) erhalten. Ob das den Krieg wert war - aus meiner Sicht nicht. Aber innenpolitisch würde das in Russland als großer Sieg verkauft werden und Putin's Macht festigen.

    Die großen Verlierer werden die Ukraine und die EU-Länder sein. Allein die Kosten fürs Militär und den Wiederaufbau werden astronomisch sein.

    Gewinner werde wohl die USA und China sein. Ich gehe davon aus, das Trump auf der Friedens-Zielgeraden noch einen guten "Deal" abschließen kann.

  • Russland verliert, unzweifelhaft. Das russische Volk ist Putin jedoch egal, womöglich, genau wie das terrorisierte ukrainische.



    Leider werden wir weiter aufrüsten müssen (und, liebe Rheinmetall: das ist nicht dasselbe, wie eure Börsenkurse einfach nur erhöhen).

  • Wenn ich die Trump Administration richtig verstanden habe, dann hat Russland aber gewonnen und Putin sieht das genauso.



    Der Ukraine steht ein Versailler Frieden bevor.

  • Durchhalteparolen sind sicher angebracht.



    Mit der Realität hat der Artikel allerdings wenig zu tun.



    Die ukrainische Armee ist nicht rein zufällig erstarkt, sie wurde vom Westen massiv unterstützt. Ein Detail, das keinerlei Erwähnung findet.



    Die Hauptlast trug die USA.



    Trump will sich nun " sein Geld" für die bisherigen Waffenlieferungen zurück holen, von neuen Lieferungen ist keine Rede.



    Dass die ukrainische Armee erschöpft ist wird oben auch nicht erwähnt.



    Natürlich sind die Verlustzahlen Putins Propaganda, die aus Kiew allerdings auch.



    Es ist wenig hilfreich, die Reaitäten nicht anzuerkennen.



    Bei aller Sympathie für die angegriffene Ukraine und seine BewohnerInnen, Propaganda ist keine Lösung für die massiven Probleme.

  • Ich finde die Artikel von Johnson teilweise sehr interessant, aber bzgl dem Krieg in der Ukraine oft schwer nachzuvollziehen.



    Mir fehlt die Fantasie, wie die Ukraine einen NATO -Beitritt erreichen möchte oder Gebiete zurückerobern möchte.



    Irgendwie wirkt der Artikel ein wenig so als wenn man sich nur etwas stark genug wünschen muss und es dann schon eintreten würde. Ich fände eine sachliche Begründung für die These, dass Russland verlieren wird gut. Wie schafft man es zb die Ukraine gegen den Willen der USA und einigen anderen Ländern in die NATO aufzunehmen, obwohl die Statuten, dass nicht hergeben? Wie schafft man es, dass die Ukraine wirklich genügend Soldaten in Zukunft in diesem Jahr am Ende haben wird? Wirklich das Alter auf 17 Jahre herabsetzen wie teilweise schon gefordert wird? Und wie schafft man es genügend Waffen der Ukraine zur Verfügung zu stellen? Und würde man wirklich im Zweifelsfall eine militärische Strategie fahren, die im Zweifelsfall gegen die US-Interessen ginge?

  • Najaaa, muss die Ukraine nicht mit etwas mehr als mit "Trumps Tiraden" fertigwerden? Immerhin wurde sie durch die US-Regierung und US-amerikanisches Geld massiv unterstützt. Wenn das jetzt wegfällt, sehe ich da schon ein paar größere Probleme als nur die Launen von Donald Trump auf das Land und seine Verteidigung zukommen.

  • China versteht sicherlich, daß Trump versucht, Russland als Partner zu bauchpinseln, um die gegenseitige Unterstüzung von China und Russland zu untergraben.

    Russland hat ab 1856 riesige riesige Gebiete Chinas gestohlen. Größere als Deutschland, Großbritannien und Portugal. Dazu hat es am Ende des 2. Weltkrieges zuvor von Japan besetzte Teile eingenommen und bis heute behalten. Die Ansprüche Chinas auf diese Gebiete sind historisch besser belegbar als der Anspruch Russlands auf die ehemals osmanische Krim.

    Bis auf Russland haben alle Kolonialmächte ihre Gebiete an China rückübertragen.

    China hat sich z. Zt. auf die Anbindung Taiwans - welches immerhin keine ausländische Kolonie ist - versteift. Da Russland Atomwaffen hat und Russlands politische Unterstüztung gegen Taiwan vorerst behalten möchte, kann China die wirtschaftliche Destabilierung Ruslands z.Zt. nur vorbereiten.

    China vermeidet die Abhängigkeit von russischen Lieferungen. China finanziert keine russischen Pipelines, die eines Tages gekappt werden. Es baut eine Seidenstraße um Russland herum. Russlands Wirtschaft baut Dinge, die eingelagert werden oder Kaputt gehen. Ohne Wert. Die Zeit ist auf der Seite von China.

  • Dein Wort in Gottes Gehörgang. Aber ja, wenn es Merz gelingt die wichtigsten Euroländer für sehr viel mehr Ukrainehilfe, zivile wie militärische, zu gewinnen; wenn es ihm gelingt auch die Deutschen mehrheitlich dafür zu begeistern, dann kann Putin einpacken und Trump wird als Kasper entlarvt.

  • Schwer vorstellbar, daß Russland das als "Verlieren" wahrnimmt, wenn es am Ende 4 Provinzen plus Krim dauerhaft behalten kann und eine Handpuppe im Oval Office gewonnen hat. Und es kann sich in aller Ruhe und in Kooperation mit China für die nächste Runde neu aufstellen.

  • Verehrter Herr Dominic Johnson,



    ihr Wort in Gottes Gehörgang.

  • So ein Unsinn.

    Russland wird nicht verlieren. Am Ende werden sie eine funktionierende Kriegswirtschaft haben, ihren alten Kram sind sie auch losgeworden, Europa ist militärisch ausgeblutet und ohne die bisherige Unterstützung der USA wäre die Ukraine schon eingenommen.



    Und es würde noch jahrelang so weitergehen. Bzw. solange es ukrainische Soldaten gibt. Russland würde einfach weiter Material in den Kampf bringen. Zur Not noch ein paar Koreaner. Oder dickere Bomben.



    Aber ohne die USA geht es ratzfatz, das weiss auch die Ukraine. Und auch Europa. .... Und auch Russland. Daher können sie nun fordern was sie wollen, weil Trump keine Lust mehr hat.

    So schauts aus.

  • Hoffen wir, dass es bald gelingt, einen für die Ukraine positiven Frieden zu erreichen.

    Bei Bildern von ukrainischen Soldaten denke ich immer, alles Gute für euch und stelle mir vor, es sind oft eigentlich Lehrer, Schreiner oder Buchhalter.

  • Sehr gut, wie alles von Dominic Johnson.

  • Die Ukrainer leisten großartiges und sollten uns Ansporn sein zusammen zu stehen, um die demokratischen Werte zu verteidigen. Mit fortschreitender Rechtsbewegung wird das auch in den eigenen Reihen erschwert.

  • "Warum Russland verlieren wird"



    Kommt vermutlich drauf an, woran man das misst. Mittel- bis langfristig wird der erlittene Schaden für Russland marginal sein.



    Russlands leidende Bevölkerung und Probleme haben für Moskau noch nie eine Rolle gespielt.

  • Nicht zu vergessen: Der Schulterschluss zwischen Putin und Xi. Von Kim mal ganz abgesehen. Und Bibi...?



    Natürlich kann man auf dem Standpunkt sein, dass es nun, da die Masken gefallen sind, leichter fällt zu entscheiden, gegen wen sich die freien Länder stellen müssen. Das Ergebnis ist trotzdem so offen wie nie.

    • @Hannes Hegel:

      um genau den Schulterschluss geht es doch zur Zeit. Schon zu Beginn des Krieges hatten verschiedene Analysten darauf hin gedeutet dass der Krieg und insbesondere die westlichen Sanktionen gegen Russland selbiges an die Seite Chinas drängen werden. Das ist auch geschehen, und China wurde gestärkt. Gleichzeitig ist China der größte Gegner der USA. das heisst, es liegt im Interesse der USA diese Allianz aufzubrechen um China zu schwächen. und genau das passiert gerade. Die UA ist da nur noch Verhandlungsmasse, und Selenski sollte versuchen zu retten was zu retten ist, ohne auf komplett unrealistischen Maximalforderungen zu bestehen. Ohne amerikanische Unterstützung (und dazu zählt z.B. Satellitenaufklärung, die praktisch nie erwähnt wird, und großräumige Steuerung der Luftabwehr die Europa mangels Mitteln nie leisten können wird) kann die UA nicht weiterkämpfen. Und Siegen schon garnicht. vd Laien schmeisst gerade noch mehr Geld zum Fenster raus das ebenso verloren sein wird wie alles andere das vorher in die UA geschickt wurde. Abgesehen von dem Teil den sich irgendwelche UA-Oligarchen eingesteckt haben natürlich.

      • @Gerald Müller:

        Steuerung der Luftabwehr? Die EU hätte durchaus genug Möglichkeiten die ukriane auch ohne die USA zu unterstützen wenn sie an einem Strang ziehen wollte. Und welches Geld wurde zum Fenster rausgeschmissen? Das die Ukrainer kämpfen auf eigene Kosten für Europa. Europäer wie sie verstecken sich hinter den Ukrainern.

      • @Gerald Müller:

        Ach Gerald. Der Krieg entwickelt sich langsam zu einem europäischen Unabhängigkeitskrieg sowohl vom imperialistischen Russland als auch auf strategischer Ebene von den USA. Es gibt keinen Grund jetzt einzuknicken oder sich auf den Rücken zu schmeißen. Da können sie hier so defätistisch sein, wie sie wollen

    • @Hannes Hegel:

      Donnie Darko und seinen Musketeer nicht zu vergessen, die voll auf russisch Roulette stehen. Die Freiheit des Westens wird am Dnipr verteidigt

  • Ihr Wort in Gottes Ohr.



    Eine gewagte These die letztendlich an den Egoismen und der Unfähigkeit der Europäer, den Menschen zu erklären warum die Verteidigung der Ukraine so wichtig ist scheitern wird.

    • @Tom Lehner:

      Wer nicht an die bessere Welt glaubt, hat schon aufgegeben. Und wer aufgegeben hat, macht sich zum Steigbügelhalter von Nazis, Autokraten und Diktatoren. Widerstand bedroht ihren Herrschaftsanspruch. Helfen sie bitte nicht dabei, dass sie ihn durchsetzen können.