piwik no script img

Erinnerungskultur und SchuldabwehrDie Deutschen und das Opfernarrativ

Eine deutsche Influencerin will ihr Kriegstrauma „rausreinigen“. Mit dieser Schlussstrich-Rhetorik bewegt sie sich in bekannter deutscher Tradition.

Blick auf das am 13. und 14. Februar 1945 zerstörte Dresden auf einem undatierten Foto Foto: ap

D as Trauma ist das It-Piece der Gegenwart. Neuerdings getoppt mit dem Zusatz transgenerational, kann mittlerweile fast alles Trauma sein. So wird der Begriff bedeutungslos.

Erstmals untersuchten Psychoanalytiker die Weitergabe von Traumata an die nachfolgende Generation im Zusammenhang mit Kindern von Shoah-Überlebenden. Diese hatten in ihrem Aufwachsen nach 1945 Symptome entwickelt, die sie auf die extremen Erfahrungen ihrer Eltern in den Ghettos und Konzentrationslagern zurückführten.

In meinem Urlaub in Brandenburg stolperte ich gerade über die Instagramstory einer Influencerin mit über 120.000 Followern, die eigentlich die Themen Mutterschaft und ADHS behandelt. Traumata seien gerade ihr Lieblingsthema, schrieb sie. Auch das Kriegstrauma stecke noch in uns (sic!) drin. Mit diesem uns meinte sie offensichtlich ihre deutschen Follower, mich sicher nicht. „Wir, meine Generation, ist jetzt ready, das teilweise ein bisschen rauszureinigen“, erklärte sie.

Ich hätte dieser Influencerin gerne geschrieben, dass sie sich mit ihrem Wunsch etwas „rauszureinigen“ in bekannter deutscher Tradition bewegt, die Deutschen wollten ihre Vergangenheit nach 1945 schließlich auch be-reinigen, mit dem Ziel einer sauberen Weste ohne Flecken ihrer Taten, aber leider konnte ich ihr das nicht mitteilen, weil das Internet auf dem brandenburgischen Land bekanntlich miserabel ist.

Erfahrungen, die Kinder von NS-Tätern im Krieg gemacht haben, waren sicher leidvoll. Nur haben diese Nachfahren, wie der Psychoanalytiker Kurt Grünberg einmal treffend formulierte, nicht nur unter den Kriegsfolgen gelitten, sondern insbesondere daran, „dass ihre Eltern den Krieg durch eigenes Mittun oder Unterlassen mitzuverantworten hatten“.

Alle in einem Boot?

Dieses Verschweigen oder Verharmlosen der eigenen (Mit-)Täterschaft ist es, was bis heute, also bis in die dritte und vierte Generation wirkt. Heißt: Deutsche meiner Generation haben sich oft noch immer nicht mit Schuld und Verantwortung, mit den Taten ihrer Vorfahren auseinandergesetzt.

Allein von der Kriegserfahrung zu sprechen, so als ob der Nationalsozialismus und die Vernichtungslager nie existiert hätten, kommt einer Verharmlosung gleich. In der Konsequenz lebt das deutsche, geschichtsrevisionistische Opfernarrativ weiter. Opfer, Täter und Mitläufer sind in ihrer Erfahrung plötzlich vereint, und die nachfolgenden Generationen, so Grünberg, sehen sich mit einer gemeinsamen Erbschaft konfrontiert: „Letztlich säßen wir doch alle in einem Boot…“.

Während ich diese Gedanken nicht loswerde, finde ich mich im Spreewald an einer Erinnerungstafel, Titel „1945“, wieder, die an die Bombardierung der Stadt Lübben erinnert. Exemplarisch steht diese Tafel dafür, was meist nicht erwähnt wird: was den Luftangriffen der Alliierten vorausging (nämlich der deutsche Raub- und Vernichtungskrieg), wer keinen Platz in den Luftschutzbunkern fand (u.a. Zwangsarbeiter:innen), warum und von wem Todeszahlen bis heute vervielfacht und propagandistisch genutzt wurden.

Bezeichnend ist doch, wie die Erinnerungsgeschichte bis heute wirkt. Auch in diesem Jahr haben sich wieder Neonazis zum Gedenktag an die Opfer der Bombardierung Dresdens versammelt. „Gestern Dresden, heute Gaza“, stand auf einem Banner. Von links hieß es im vergangenen Oktober von Hunderten Studenten: „Free Palestine from German guilt“.

In ihrer Konsequenz ähneln sich die Forderungen von Rechtsextremen, antiimperialistischen Linken und der Mutter-Influencerin. Sie alle wollen – bewusst oder nicht – einen Schlussstrich ziehen, die Deutschen von ihrer historischen Verantwortung befreien, etwas rausreinigen. An dieser Stelle stimmt es ja tatsächlich: sie sitzen im selben Boot.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
Mehr zum Thema

85 Kommentare

 / 
  • "Von links hieß es im vergangenen Oktober von Hunderten Studenten: „Free PALESTINE from German guilt“.

    In ihrer Konsequenz ähneln sich die Forderungen von Rechtsextremen, antiimperialistischen Linken und der Mutter-Influencerin. Sie alle wollen – bewusst oder nicht – einen Schlussstrich ziehen, die DEUTSCHEN von ihrer historischen Verantwortung befreien"

    Sie scheinen den Spruch nicht verstanden zu haben oder missverstehen zu wollen. Die Palästinenser sollen nicht unter Besatzung, Landnahme, Vertreibung und Schlimmerem leiden müssen, weil Deutsche sich für den Holocaust schuldig fühlen und Israel aus Wiedergutmachung deswegen bedingungslos unterstützen.



    Vielmehr sollte Deutschland sich, gerade wegen seiner historischen Verantwortung, für die universellen Menschenrechten einsetzen, damit solch schreckliche Taten "Nie Wieder" passieren.

  • "Free Palestine from German guilt" hat nichts mit Schlussstrich zu tun, sonst würde es heißen "Free Germany from German guilt" und wäre AfD-Sprech (180°-Wende, Mahnmal der Schande und ähnlich Verabscheuenswürdiges).

  • Mit dem Begriff der deutschen Schuld kann natürlich Schindluder getrieben werden (übersetzt: Missbrauch), so z.B. mit dem Spruch "Free Palestine from German guilt"... Denen, die sich im Blick auf die Shoah elegant mit ihrer späten Geburt herausreden wollen, würde ich aber gerne erklären, dass das auch ganz schlicht und einfach eine Frage von Empathie und Betroffenheit an alle ist, die heute, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer jeweiligen Familiengeschichte, mit uns in diesem (Täter-)Land leben.

    • @Auweiowei:

      Klassisch-Deutsche werden auf absehbare Zeit ein wenig anders auf Israel blicken als auf andere Länder..

      Wir haben zugleich aber und vor allem den Wert von Werten, Grundrechten, Menschenrechten und Völkerrecht zu schätzen gelernt.



      Also Israel in seinen völkerrechtlichen Grenzen schützen wie z.B. die Ukraine auch.



      Und palästinensische Menschen vor Besatzung schützen, wie die Ukrainer auch.

  • Das eigentliche Problem in Deutschland ist nicht ein Zuviel sondern ein Zuwenig an Schuldgefühlen.

    Wie anders könnte man sich diese absolute Rücksichtslosigkeit erklären, die Juden seit zehn Jahren in diesem Land erfahren, ganz besonders seit dem Oktober letzten Jahres als der Iran durch seine Proxys Hamas, Hizbullah, Huthis und Islamischer Jihad Israel überfiel?

    Ein Überfall, der hier auf deutsche Juden fortgeführt wird.

    Und Deutschland schläft.

    Nicht jedoch seine Politiker, die zwar gern lauthals "Nie wieder!" rufen, doch de facto längst ein "Schon wieder" akzeptiert haben.

    Juden? Sind ja nur 150.000 Stimmen.

    Wäre toll, wenn diese Influencerin aus ihrem vermutlichen SE- (für Somatic Experience)-Slang rauskäme, Verantwortung durch politisches Bewusstsein übernähme und ihre Follower ein bisschen woke für Antisemitismus rütteln könnte.

    • @shantivanille:

      Schuld ist ein schlechter Ratgeber, wenn man als Noch-nicht-Geborene offensichtlich keine Schuld trägt. Schuldzuweisungen ("du als Deutsche") bewirken eher Ablehnung, d.h. bewirken den gegenteiligen Effekt.

      Besser ist es positive Werte zu vermitteln, die Menschenverachtung in Gegenwart und Zukunft ausschließen.

    • @shantivanille:

      Sorry, Sie reden dummes Zeug. Der Überfall der Hamas, dasss Hundertfache Abschlachten von Jüdischen Kindern, Babys, Alten, Männern Frauen wird hier nicht fortgeführt. Die Gleichsetzung ist niht weniger falsch, wie von einem Genozid der Isrealischen Armee an den Palästinensern zu reden.



      Auch wird ein "Schon wieder" von den deutschen Politikern nicht akzeptiert,. Zum einen, weil es ein solches "Schon wieder" nicht gibt (Wissen Sie überhaupt worauf sich das "Nie wieder" bezieht? Offensichtlich nicht), zum anderen, weil die Mehrheit der politischen Klasse in Deutschland jüdisches Leben in Deutschland (und zwar ein Leben in Freiheit und ohne Angst) unterstützt - sei es durch Reden, durch gesetzliche Massnahmen oder anderen Formen der Solidarität. Ob das genug ist, oder man das Falsche macht oder auch über das Ziel hinausschiesst, darüber kann man politisch diskutieren.



      Und: Ob es zuviel oder zu wenig Schuldgefühle in D. gibt ist völlig unerheblich. Ich zum Beispiel habe überhaupt keine. Es geht nicht um Schuldgefühle, sondern um Empathie und Verantwortung...

  • Sich von etwas traumatisiert zu fühlen, was anderen Menschen in einer Zeit passiert ist, in der man noch garnicht geboren war, ist nach meinem Empfinden schon grundsätzlich ein sehr schräges Konzept.

    • @Samvim:

      Google Sie Epigenetik, damit wird klar wie es funktioniert. Es geht dabei nicht um die Gene zum Zeitpunkt der Zeugung, sondern um Veränderung der Gene viele Monate später.

    • @Samvim:

      Es ist leider für viele Menschen Realität und gut erforscht. Das Unbewusste ist eben immer noch rätselhaft.

    • @Samvim:

      Ich habe schon darüber gelesen, dass Traumata qua Vererbung durchaus folgende Generationen (bis Enkel) beeinträchtigen können. Siehe z.B. manche Nachkommen von Shoa-Überlebenden.

      • @Gerd Saecularius:

        Gerade shoah Überlebende mussten verstehen, wie langfristig die Folgen des Handels der israelischen Armee im Gaza sein werden. Und die israelische Armee kennt diese Folgen, gerade weil es Forschungen an israelischen Unis und Forschung jüdischer Wissenschaftler an US Unis war, die die Zusammenhänge ermittelt hatten.

    • @Samvim:

      Ich denke es ist sehr wichtig dass man aus der Vergangenheit lernt und wie diese die Politik und Kultur der Gegenwart formt.



      Aber schuldig fühle ich mich kein Stück.



      Unser Job besteht darin, unsere Regierung davon abzuhalten den selben Mist nochmal zu machen.

    • @Samvim:

      Gene werden vererbt, wie sie sind. Die Genschalter sind Eiweißmoleküle, sie sorgen für erniedrigte oder erhöhte Reaktionsbereitswchaft der Gene - und sie werden vererbt. D.h. jemand, der schon auf geringen Stress panisch reagiert, tut dies womöglich, da die Schaltermoleküle, auf Alarm geeicht sind.



      In Tierversuchen wurde gezeigt, dass noch die siebte Generation Ratten mit Panikreaktionen auf einen Klang reagierte, der in der siebten verangegangenen Generation mit einem Stromschlag gekoppelt war - OBWOHL die dazwischen liegenden Generationen weder gefoltert noch überhaupt mit diesem Klang konfrontiert wurden.



      Schräges Konzept? Aber eines, das seit 30 Jahren immer besser erforscht wird, es ist die Epigenetik.

  • Es ist doch gut, bedrückende Dinge vergessen zu wollen. Warum nicht Schlussstrich? Doch im nächsten Satz fragt man sich, wer war der beste General? Welche Auszeichnung hatte der "Führer" von Ersten Weltkrieg? Es geht nicht um's vergessen wollen. Es sollen nur selektiv Fakten ausgeblendet werden. Nämlich, genau das, wo man sich selber schuldig fühlt. Doch das ist keine Aufarbeitung sondern Selbstbetrug.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob in dem Artikel nicht zwei Fragen vermischt werden, die erst einmal nichts miteinander zu tun haben: denn die Überwindung intergenerationaler Traumata impliziert ja keinen erinnerungspolitischen Schlussstrich (ganz im Gegenteil: Erinnerungspolitik muss unabhängig von persönlicher Betroffenheit/Involviertheit funktionieren, weil sie sonst mit wachsendem zeitlichem Abstand und einer stärker durch Migration geprägten Gesellschaft in eine Sackgasse gerät).

    • @O.F.:

      Danke, das klärt für mich die Widersprüche die ich wahrgenommen habe aber nicht klar bekam.

  • Vielleicht ist das das Problem, jede Wurst darf sich Influencer nennen, irgendeinen Quark hinausblubbern, der dann sogar die taz beschäftigt. Vielleicht ein bißchen viel der Ehre für jemanden, der außer dem Hochladen von Videos keine wirkliche Qualifikation als Soziologin, Pyschologin oder Historikerin vorzuweisen hat. Vielleicht da öfter mal den Igno-Button, real und im Kopf, drücken.



    Rausreinigen, hä? Praktisch niemand, der heute lebt, hat sich noch real schuldig gemacht und natürlich gibt's auch keine Traumata. Höchstens das Entsetzen, zu was Oma und Opa offensichtlich fähig waren, und wir unter den falschen Umständen wohl auch wieder wären. Offensichtlich ist der Schlussstrich der falsche Weg, flux wählt man wieder Nazis an die Macht, wie demnächst im Osten. Übermäßige Beschäftigung mit der Nazizeit wird man denb Leuten dort sicher nicht attestieren können.

    • @Bambus05:

      "Praktisch niemand, der heute lebt, hat sich noch real schuldig gemacht ..."

      Profitiert aber durch u.a. familiäres Vermögen von den damaligen Tätern. Das ließe sich relativ einfach lösen indem das von den Vorfahren verbrecherisch erworbene Vermögen von den Erben gespendet und gestohlene Kunstgegenstände der nächstgelegenen jüdischen Gemeinde übergeben werden, sofern die früheren Besitzer nicht mehr leben bzw. keine Hinterbliebenen haben.

      Ich nehme allerdings an, so schwer wiegt das Trauma dann doch wieder nicht, dass man sich auf diese Weise entlasten möchte.

      • @*Sabine*:

        Ooops, gilt das auch für Menschen, die in Ostjerusalem in Häuser einziehen, aus denen man vorher die Palästinensischen Familien vertrieben hat, die darin mehr als ein Jahrhundert gelebt haben?

  • Weiß die Autorin genau, was alle ihre Ur Ur Großeltern so getrieben haben, also wirklich verlässlich? So weit müsste ich nämlich zurück gehen, um jemanden zu finden, der nicht nur ein Kind war bis 1945.

    • @Sybille Bergi:

      Wenn Sie vermögend sind, Ihre Vorfahren Unternehmen besaßen oder Sie Immobilien, Kunstgegenstände erben oder bereits geerbt haben, kann man da schon mal nachschauen, woher die Vermögenswerte stammen.

    • @Sybille Bergi:

      Informieren Sie sich doch mal über die Autorin.

  • "Die Deutschen und das Opfernarrativ" - Frage: wer sind denn "Die Deutschen"?



    Deutschland lebt von Migration, tat es schon immer. Die wenigsten von uns besitzen einen reindeutschen Stammbaum - was soll das überhaupt sein, ab wieviel Generation zählt das?



    Mütterlicherseits bin ich Deutscher, also Täternachfahre?



    Das Land meines Vaters litt schwer unter den Nazis, Teile der Familie starben unter deutscher Besatzung, der Hof niedergebrannt - also auch Opfernachfahre obwohl ich hier geboren bin?



    Und was ist mit den Türken und Südeuropäern die hier das Wirtschaftswunder mitaufgebaut haben und längst auch deutsche Pässe halten - oder den Syrern, die erst seit 2015 hier sind und teilweise auch schon eingebürgert wurden?



    Alles Deutsche🤷‍♂️



    Sollen die sich auch als historisch Schuldige fühlen weil sie nun Deutsche sind?



    Die Tätergeneration kann und darf niemals freigesprochen werden. Aber wir?



    Ich habe mich nie als Täter noch als Opfer verstanden - Eltern haften für ihre Kinder, nicht Kinder und Enkel für ihre Ahnen.



    Deutschland trägt historische Schuld, ich nicht.



    Das ist Staatsaufgabe, nicht persönliche Bürde eines jeden Spätgeborenen nur weil er einen weinroten Pass hält.

    • @Farang:

      Korrekt

    • @Farang:

      Deutschland trägt historische Schuld, ich nicht.



      Das haben Sie schön gesagt, Andererseits: In der Tätergeneration gab es ja auch solche, die sich keiner Schuld durch Handlung vorzuwerfen haben - auch die soll man nicht "freisprechen". Und wenn sich nicht nur mütterlicherseits, sondern (so wie ich) auch väterlicherseits "Deutscher" wären, würde die Bezeichnung "Täternachfahre" dann passen? Und würden Sie dann doch historische Schuld tragen?

    • @Farang:

      Danke das sie mein Empfinden so treffend formuliert haben.

    • @Farang:

      Da schließ ich mich. Es wird generell zuviel und zu oft in starren Schubladen gedacht. Auf allen Seiten. Und man auch mal irgendein dummes Quaken aus einer rechten Internet-Blase einfach dort belassen. Das sprechen ganz bestimmt nicht für "die Deutschen".

    • @Farang:

      "Deutschland trägt historische Schuld, ich nicht."

      Das ist ein wichtiger Punkt.

  • Ein ganz wichtiger Beitrag. Vielen Dank an die Autorin!

    Ich habe mich seit den 80ern bei Aktion Sühnezeichen engagiert und als Schüler die Gedenkstätte Ausschwitz gepflegt, damals noch unter dem Regime von Jaruzelski,, später an der Uni zu vergessenen KZ und dem Widerwillen gegen Aufarbeitung geforscht und publiziert, Filme gemacht, Bücher geschrieben - in den 90ern immer noch gegen den Widerstand mancher Professoren, die darin eine Nestbeschmutzung des Studienortes sahen. Wohltuend damals war, dass alte 68er dieses Engagement unterstützten und unsere Arbeit gegenüber ihren Kollegen und Kolleginnen verteidigten.

    Um so schlimmer schmerzt es mich, dass heute die nächste Ebene nicht erklommen wird, sondern im Gegenteil, der "Fliegenschiss der Geschichte" kultiviert wird. Diese Relativierung ist gefährlich und fördert Antisemitismus. Sie ist aber auch ein Produkt der sogenannten "Awareness", der Achtsamkeit, die das institutionalisierte Kleinreden und Wegschauen propagiert.

    Wir brauchen wieder mehr Mut zum Anecken, zum Widerspruch!

  • Es reicht eben nicht aus, zu wissen das Dresden bombardiert wurde und Juden in KZ ermordet wurden.

    Der Begriff "Weltkrieg" eröffnet sich einem erst wenn man bedenkt wie viele Staaten durch Deutschland und seine Verbündeten angegriffen und traumatisiert wurden.

    Aber in der 10. Klasse werden in 36 Wochen die Weimarer Republik, der 2.WK, die Nachkriegszeit und die DDR durchgenommen und Abschlussprüfungen geschrieben. Wie soll das ausreichen? Was weiß man denn danach, wenn man sich vorher nicht dafür interessiert hat?

    Damit legt man den Grundstein für Geschichtsrevisionismus und hilft Wissenschaft und Geschichte zu verklären und umzudeuten.

    • @Hans-Peter Wagner:

      Schule sollte ja gerade im Geschichtsunterricht das Weltbild weiten. Da sollte der Stoff zwischen der 5. und 13. Klasse schon mehr als die Zeit zwischen ca. 1900 und 1949 umfassen.



      Und ohne Westfälischen Frieden oder Wiener Kongress (um nur mal dabei zu bleiben) wird es schwierig, den Ersten und Zweiten Weltkonflikt einzusortieren oder die Ursachen zu verstehen oder (wenn es gut werden soll) Lösungsansätze für heute zu finden.



      "Damit legt man den Grundstein für Geschichtsrevisionismus und hilft, Wissenschaft und Geschichte zu verklären und umzudeuten." Nein, den legt man, wenn die großen Zusammenhänge nicht mehr verstanden werden und sich das Denken nur in den - quasi - eigenen vier Wänden bewegt.

  • "In ihrer Konsequenz ähneln sich die Forderungen von Rechtsextremen, antiimperialistischen Linken und der Mutter-Influencerin. Sie alle wollen – bewusst oder nicht – einen Schlussstrich ziehen, die Deutschen von ihrer historischen Verantwortung befreien,"...ist eine haltlose Unterstellung. Antiimps wollen, dass die deutsche historische Schuld nicht auf dem Rücken der Palästinenser als neue Opfer ausgetragen werden darf. Die Lehre des Holocaust und des Faschismus sehen sie darin, dass Diktaturen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord überall zu verurteilen sind, unabhängig davon ob der Täter von heute früher selber Opfer war. Antiimps und Faschisten dazu in ein Boot zu setzen, ist eine durchsichtige Strategie, linke Kritik an der israelischen Kriegs- und Besatzungspolitik zu diskreditieren.

    • @Rinaldo:

      Vielen Dank!! Ich hätte meine Einstellung zu diesem Thema nicht besser beschreiben können!!

    • @Rinaldo:

      Die Behauptung, dass die deutsche historische Schuld auf dem Rücken der Palästinenser ausgetragen werde, ist aus der Luft gegriffen. Und die Juden im Nahen Osten sind nicht die Täter von heute, sondern die Angegriffenen, die aber heute - anders als zur Nazizeit - in der Lage sind, sich zu wehren.

      Und von antiimperialistischer Seite ist in aller Regel wenig Protest gegen Verbrechen zu vernehmen, solange diese nicht den USA, europäischen Ländern und/oder Israel zum Vorwurf gemacht werden können.

    • @Rinaldo:

      Der linken Kritik an der israelischen Politik fehlt die differenzierte Betrachtung ihrer Ursachen. Eine wesentliche Ursache ist -bei aller Kritik an den israelischen Ultras und ihren Verbrechen- die religionsfeudalistische antisemitische Gewalt der Hamas gegen Juden und Palästinenser. Dazu fehlt bei der Linken jede aber auch jede Stellungnahme. Mit Urteilen gegen Israel ist man da schneller.

      • @aujau:

        Kenn Sie die diversen Statements der unterschiedlichsten linken Gruppen und Zusammenhänge nicht oder ignorieren Sie diese bewusst?

        Die bekannte Plakatwand an der Roten Flora, das etwas weniger bekannte Banner "Free Gaza from Hamas" ebendort,

        das differenzierte Statement der IL



        interventionistisc...g-israelpalaestina

        der RH Leipzig



        knack.news/6981

        um auf die Schnelle nur drei Beispiele unter Vielen zu nennen.

        Wo fehlt da "jede, aber auch jede Stellungnahme"?

        • @Zecke:

          Ich bezog mich auf die Pro-Palestina Szene. Sorry für die Ungenauigkeit. Natürlich habe ich das Statement der Roten Flora und den Streit darüber verfolgt. Erfreulich, dass es auch andere Stellungnahmen gibt. Werde diese gerne lesen.

  • Rausreinigen.

    Verständlicher Wunsch.

    Wer möchte nicht clean und unschuldig sein?

    Wer sich ein bisschen mit der Funktionsweise von Karma beschäftigt hat und dessen Folgen für einen selbst in diesem oder anderen Leben, wird sehr genau hinschauen was er da so mit sich rumschleppt.

    "Alayavigyan". Das "Lagerhaus des Bewusstseins". So bezeichnen Buddhisten das was das Bewusstsein aufzeichnet, registriert. Und das tut es ununterbrochen. Da stehen dann die ganzen Fässer rum und warten karmisch aufgelöst zu werden. Was gegen unser Wesen verstößt, unsere Natur, unser Selbst, ist ein Verbrechen.

    Lange nach dem Krieg geboren habe ich keine Spur Schuldgefühle, und ich bin sehr achtsam was mir bei mir abläuft.

    Doch dieses Land hat so monströse Verbrechen verübt, dass es Jahrhunderte oder Jahrtausende brauchen wird um das aufzulösen.

    Und wir leben in diesem Land, sind Teil davon und gerne sollten wir denen, denen wir am meisten geschadet haben, den Juden, alle Hilfe zukommen lassen, die sie brauchen.

    Wir haben die Juden beinahe ausgelöscht, jetzt sind wir dran, sie vor der Auslöschung durch ihre Feinde zu bewahren.

    Das beste "Rausreinigen" ist es zu helfen.

    All in!

  • "Auch in diesem Jahr haben sich wieder Neonazis zum Gedenktag an die Opfer der Bombardierung Dresdens versammelt. „Gestern Dresden, heute Gaza“, stand auf einem Banner." Schlimm ist dieser Kurzschluss in dieser Nazi-Behauptung, schlimmer ist, dass es offenbar von nicht wenigen nachvollzogen wird, am schlimmsten sind allerdings dabei die antisemitischen Narrative, denen dadurch weitere Scheinargumente zugeführt werden.



    Nicht ganz unproblematisch waren und sind allerdings die Bombardierungen deutscher Städte vor allem durch das britische Bomber Command ("Moral Bombing", "Area Bombing", an dem sich die US Airforce übrigens nur vereinzelt beteiligte, weil ethisch abgelehnt), wenn man einmal von dem "...ja aber vorher haben die Deutschen..." wegkommt (weil die große Schuldfrage doch völlig unstrittig ist). Ich empfehle dazu die Lektüre der sehr ausgewogenen Studie "Die toten Städte" des britischen Philosophen A.C. Grayling.

    • @Vigoleis:

      "Nicht ganz unproblematisch waren und sind allerdings die Bombardierungen deutscher Städte ..."

      Da ist mein Standpunkt derselbe, wie auch zu der Auseinandersetzung in Gaza:

      Wer das nicht will bzw. meint, mit den Folgen nicht leben zu können/wollen, darf keinen Krieg anfangen.

      • @*Sabine*:

        Das gilt nicht nur für das Anfangen sondern auch für das Führen von Kriegen.. Angegriffen zu werden erzeugt keinen Freibrief.

      • @*Sabine*:

        Kriege werden von Leuten angefangen die auf einer anderen Ebene stehen als die, die die Folgen ausbaden müssen. Das sind fast nie diejenigen, die Kriege anfangen....

        Insofern klingt Ihre Aussage ziemlich menschenverachtend.

        Vielleicht sollten Sie mal über Vigoleis Kernaussage nachdenken: der Satz mit dem "...aber vorher haben die...."

      • @*Sabine*:

        Die Bombardierung deutscher Städte war nicht nur "nicht ganz unproblematisch", sondern schlicht ein Kriegsverbrechen. Trotzdem bin ich den Briten und vor allem den Amerikanern dankbar, dass sie Europa und damit auch Deutschland von den Nazis befreit haben.



        Die Bombardierung des dichtbesiedelten Gaza unterschiedet sich davon, dass Kombatanten der Hamas sich genau dort befinden - versteckt in Wohnhäuser, Krankenhäuser und Schulen. Das war in Dresden, Hamburg oder Frankfurt nicht der Fall. Ich bin kein Jurist aber das Humanitäre Völkerrecht sieht vor, dass



        "Ein Spital oder eine Schule zu einem legitimen militärischen Ziel werden kann, wenn diese Einrichtungen zu spezifischen Militäroperationen des Feindes beitragen und wenn ihre Zerstörung einen deutlichen militärischen Vorteil für die Angreifer darstellt" (Quelle: www.icrc.org) Das ist im Gaza der Fall.

  • Ich glaube ich bin ein Mensch, der sich sehr intensiv mit der NS-Geschichte beschäftigt und ohne jetzt die Dimension der Gräul klein zu reden, würde ich gerne die Transgerationalen Traumata wegbekommen.

    Meine Großmutter wurde mindestens zweimal von Russen in Berlin vergewaltigt, hat vieles im Osten verloren und einen Mann, der gelinde gesagt, aus dem Krieg heimkehrend, von seinen Brüdern bzgl. des Erbes verarscht wurde.

    Das hat was mit meiner Großmutter gemacht, das hat was mit ihren Kindern gemacht und das hat auch auf mich eine Wirkung. Und ehrlich gesagt, könnte ich gerne drauf verzichten…

    • @Andi S:

      "im Eifer der Kollektivschuld etwas das Mitgefühl."

      Das ist erklärungsbedürftig. Wessen Eifer? An wessen Mitgefühl wird appeliert?

      • @Chris Demian:

        Sie beziehen sich dabei auf einen anderen Foristen.

        • @aujau:

          Sie haben Recht, es bezog sich auf das Posting von @DRUSUS hier drunter, aber meine Korrektur versackte irgendwo...

    • @Andi S:

      "Und ehrlich gesagt, könnte ich gerne drauf verzichten…"

      Dann würde ich vorschlagen, Sie geben es an Ihre Nachkommen nicht weiter. Wäre doch mal ein Cut in der ewig weiter gereichten Traumatisierung, nicht? Ich z.B musste aufwendig recherchieren und Leute regelrecht "anbohren" um zu erfahren, dass die Familien meiner Großeltern von den Nazis in der Ukraine ausgelöscht wurden. Wenn die Opfer es schaffen ihre Nachkommen nicht in fortwährend zu traumatisieren, sollte es für die Täter und Nachkommen auch klappen?!

      Ich will Ihre Schilderung nicht bagatelisieren, aber das Schicksal des Mannes Ihrer Großmutter, ist nichts was auch nur entfernt irgendeinen Schlußstrich rechtfertigen würde. Schändliche innerfamiliere Erbschleicherei scheint mir keine direkte Folge irgendeiner falschen Erinnerungskultur oder einer unangemessenen Aufarbeitung...

      Darüber hinaus gebe ich zu bedenken, dass Ihre Schilderung der Traumata, auf die Sie gerne verzichten wollen allenfalls den Bereich der Folgen (unmittelbarer und teilweise nur mittelbarer Folgen) der deutschen Schandtaten betreffen; die nicht private Erinnerung an letzere ist wäre vielleicht sogar vorrangiger in Sachen Bedeutung der Erinnerung.

      • @Chris Demian:

        Ich finde sie machen es sich sehr leicht mit der Täter/Opfer Zuweisung. Ihr Vorredner hat keine Auskunft über das wirken seiner Vorfahren gegeben, deswegen können wir hier keine Zuordnung (insbesondere bei der Großmutter) vornehmen. Schuld ist in in einem demokratischen Staat immer individuell.

  • Seit wann muss man Influencer ernst nehmen? Aber irgendwie, ich kann es nicht richtig fassen, fehlt mir im Eifer der Kollektivschuld etwas das Mitgefühl.

  • Nicht nur in der Bibel, sondern noch einer Reihe weiterer weiser Schriften, ist die Rede davon, daß es 7 Generationen braucht bis ein kollektives Trauma geheilt ist. Das selbe gilt bei einer kollektiven Täterschaft.

    So gesehen wird sich die Influencerin wohl noch eine Weile mit dem Thema beschäftigen können/müssen.

    Es sei denn, sie versucht es das ganze abzuspalten. Was allerdings auch nur vordergründig funktioniert, aber begleitend zu einer generellen Verarmung führt. Denn Abspaltung heißt immer ganze Komplexe auszugliedern, mit allen damit verbundenen Erinnerungend Gefühlen...

    ..so ist das nunmal...

    • @Wunderwelt:

      Die Bibel hat mit der weit weniger weisen Textstelle zu Augen und Zähnen das deutlich wirkmächtigere Konzept in der Geschichte verankert.

  • Man darf durchaus anmerken, dass die/wir Deutschen auch einen furchtbaren Preis bezahlt haben, für diesen furchtbaren Krieg. Jede große Stadt in Schutt und Asche gebomt, Millionen Soldaten und vor allem Zivilisten tot, 1/3 der Fläche weg, hunderttausende Soldaten in Sibirien ermordet, riesige Reparationszahlungen. Ich denke, in den wenigsten Familien haben es alle durch den Krieg geschafft.

    • @Wonneproppen:

      Ich verstehe Ihren Kommentar nicht. Wir Deutschen hatten eine Wahl, unsere Opfer nicht.

      • @*Sabine*:

        Ach, wenn es doch so einfach wäre.

    • @Wonneproppen:

      Der größte Preis ist die fortdauernde seelische und geistige Schädigung durch die Täterschaft an industriell organisiertem Völkermord und Weltkrieg. Die Reparationszahlungen und zerstörten Städte sind geringfügig dagegen.

    • @Wonneproppen:

      Ja, die Deutschen haben etwas verloren, in und vor dem Krieg, den sie angefangen haben.

      Das fängt mit den Morden nach der Machtergreifung an, geht zu Juden, Rom, Behinderten Menschen, politischen Gegner über, um dann nahtlos in den Massenmord in den eroberten Gebieten überzugehen.

      Der Flächenverlust betrug 1/4 und es gab und gibt keine Reparationszahlungen.

      Es gab genug Familien und vor allem PG Mitglieder in allen Strukturen Deutschlands, die danach wieder in Amt und Würden gelangten. Den Preis haben die anderen bezahlt.

      Bei dem Vorgehen der Wehrmacht an der Ostfront, aber auch gegen die Gefangenen, ist es ein Wunder, dass überhaupt jemand zurückgekommen ist.



      Die Deutschen danken es auf ihre Art, es sind wieder deutsche Panzer in Russland im Einsatz.



      Lernfähig ist das Volk der "Dichter und Denker" leider nicht.

    • @Wonneproppen:

      Ja und nein.



      Die toten Zivilisten wären durch eine zeitige und fanatismusfreie Kapitulation 1944 zumeist noch am Leben geblieben.



      Die Millionen Soldaten hätten nicht nach Russland gemusst. Deutsche Kriegsgefangene wurden deutlich besser behandelt von einem bitterarmen Land als sowjetische umgekehrt - die wurden regelrecht ermordet.



      Die Reparationszahlungen wurden im Westen rasch durch das Londoner Abkommen auf einen im Vergleich zum Schaden lächerlichen Betrag gekürzt; und auch die Sowjets und Polen haben nie auch nur annähernd ihre Schäden zurückerhalten.

      Wenn ich so direkt fragen darf, und bei allem Respekt für den Schmerz in allen unseren Familien: Was für einen Geschichtsunterricht hatten Sie eigentlich?

  • Influenzer müssen ein gar sonniges Gemüt haben.

    "Auch in diesem Jahr haben sich wieder Neonazis zum Gedenktag an die Opfer der Bombardierung Dresdens versammelt. „Gestern Dresden, heute Gaza“, stand auf einem Banner."



    ...und vorgestern Coventry, Swansea, Leningrad, Warschau, verbrannte Erde ... Alles nur ein Fliegenschiss in der Geschichte.



    Und wie heißt es außerdem so schön: Den Holocaust werden wir den Juden nie verzeihen.

  • Sie sitzen tatsächlich im selben Boot. Sie wollen die deutsche Schuld am Holocaust tilgen oder zumindest relativieren.

    Runterlaufen wie Öl tut ihnen dabei der Postkolonialismus, der die Shoah als einen Massenmord unter vielen anderen einordnen will.

    Schlimmer noch, die Geschichte wird umgedichtet. Die "weißen" Juden sind die letzten existierenden Kolonisatoren, die einen Genozid an den "indigenen" Palästinensern begehen.

    Eine völkische, stumpfsinnige Sicht auf die Lage von ganz links bis ganz rechts.

    Und: Juden, die sich wehren, passen ihnen gar nicht. Denn das wissen sie in ihrer ganzen Blödheit doch, verliert Israel einen Krieg, ist es aus mit den Juden.

    • @Jim Hawkins:

      Kein Menschheitsverbrechen wird durch ein anderes weniger relevant. Der industriell organisierte Völkermord an Juden, Cinti und Roma sowie anderen Opfern ist in Absicht und Methode einzigartig. Der Kolonialismus, der Völkermord an den Indigenen Amerikas, der Sklavenhandel haben allerdings auch bis heute Auswirkungen und sind Menschheitsverbrechen. Solange Leid als Währung in der Politik instrumentalisiert wird, werden immer Relativierungen auftauchen und mit Maximalvorwürfen um sich geworfen. Das alles ist nutzlos. Notwendig ist ein realistischer Blick auf das, was die Menschen wirklich brauchen anstatt identitäre Nebelkerzen von ganz links bis ganz rechts. Wobei ganz rechts ja ausser Vereinnahmung und Verlogenheit gar nichts dazu zu bieten hat.

    • @Jim Hawkins:

      In einem Krieg gibt es keine Gewinner, nur Verlierer.



      Und, durch die Unterstützung der USA ist es auch ausgeschlossen, dass Israel einen "Krieg verliert".



      Warum haben Sie indigenen in Anführungszeichen geschrieben?

      • @Des247:

        "In einem Krieg gibt es keine Gewinner, nur Verlierer."

        Das klingt gut, aber meiner Meinung nach zu einfach. Es gibt "ganz normale" Kriegsgewinner (Rüstungsfirmen, Aktionäre usw.).



        Desweiteren möchte ich dem entgegensetzen, wenn die jüdische/israelische Seite einen Krieg verliert, werden Israel und alle jüdischen Bewohner in der dortigen Region ausgelöscht. Insofern denke ich, dass Israel in einem Krieg verlieren kann, aber es existiert zumindest weiter und auch die jüdischen/israelischen Menschen dort. Ebenso die arabischen Israelis, die am 07.10.23 auch Opfer der gegnerischen Kriegspartei wurden.

        "Und, durch die Unterstützung der USA ist es auch ausgeschlossen, dass Israel einen "Krieg verliert"."

        Ich persönlich hoffe, dass diese Unterstützung zumindest so lange anhalten wird, wie es Antisemitismus gibt. Oft, wenn ich mir eine Welt ohne Judenhass ausmale, fällt mir wieder ein, dass es Judenhass bereits seit mindestens 2.500 Jahren gibt ... und sich hoffentlich seinem Ende zuneigt.

    • @Jim Hawkins:

      Ich weiß nicht ganz, wieso Sie das Thema hier einführten, doch sei's drum.

      Vergleichen darf und muss man immer. Gleichsetzen ist meist fraglich.

      Ich würde bei Israel keinen Shoah-Vergleich als zielführend sehen (eher wie Traumata aus Pogromen und Shoah für das Leid der Palästinenser kurioserweise wohl weniger sensibel machten), vielleicht der Vergleich mit Spartaner/Heloten, Buren/Zulus, Marokkanern/Saharouais.

      Das gegenwärtige Israel zu idealisieren wäre genauso eine ungute Nachfolge wie das Gegenteil. Genauso eine fehlgegangene "Reinigung".

    • @Jim Hawkins:

      Wie immer finde ich Ihre Beiträge hervorragend. Volle Zustimmung.

      • @shantivanille:

        Sie kennen den Ausdruck "Sykophant"?



        Können Sie Ihre Euphorie noch sachlich an Punkten festmachen, wenn Sie nicht der Zwillingsbruder sind?

    • @Jim Hawkins:

      Der Postkolonialismus erkennt das Leid und die Grauen der Shoah an. Nur sind ihnen die Opfer von Kolonialismus und Rassismus nicht weniger wichtig. Der Westen gibt der Shoah moralisch eine höhere Gewichtung als den Kolonialverbrechen und seine Folgen, was sich der "Globale Süden" mit recht so nicht mehr bieten lässt. Leute wie sie versuchen ihnen daraus einen antisemitischen Strick zu drehen.

    • @Jim Hawkins:

      Dieses Gerede von "weißen Juden" ist natürlich übelster Unsinn.

      Aber ich finde, man sollte nicht reflexartig sofort von "Relativierung" reden, wenn Menschen aus "Schwarzafrika" auf die Folgen des Kolonialismus oder des Sklavenhandels für ihre Geschichte und ihre heutigen Gesellschaften hinweisen, und dafür mehr Interesse und Aufmerksamkeit verlangen.

      Es mag uns im "Westen" seltsam erscheinen, aber es gibt nun einmal Regionen auf dieser Erde, für die die Shoah nicht Teil ihrer Geschichte war.

      Und deren Menschen nicht automatisch Relativierer, Revisionisten oder Antisemiten sind, wenn sie der Shoah nicht diese Bedeutung geben, wie das bei "uns" aus bekannten Gründen üblich und richtig ist, oder sich gar "erdreisten", ihn mit dem transatlantischen Sklavenhandel zu vergleichen.

      • @ PeWi:

        Weil sie nicht betroffen waren, müssen sie den Holocaust nicht ernst nehmen?



        Komplett daneben, die Ansicht, Sorry. Da wurden Menschen zu Millionen gezielt ermordet, jedes Alter, jedes Geschlecht.

        Die anderen wurden entführt und zum Arbeiten gezwungen.

      • @ PeWi:

        Und was ist in diesem Kontext mit der in aller Regel verschwiegenen Sklaverei im Islam?

        de.wikipedia.org/w...binen.?wprov=sfla1

        Und: Das Ziel des Antisemitismus ist es, alle Juden zu töten, weil das in dieser Ideologie die Welt zu einem besseren Ort macht.

        Das Ziel der Sklavenhalter ist es nicht, alle Sklaven zu töten.

        Au contraire. Sie sollen leben und ihre Ausbeutung soll zum Nutzen der Weißen erfolgen.

        • @Jim Hawkins:

          Eventuell spielt der hier nicht so eine Rolle, weil wir uns im christlichen Europa mit unseren eigenen Verbrechen zuerst beschäftigen und mit dem Kapitel gerade erst am Anfang stehen. Wir beschäftigen uns ja z.Bsp. auch kaum mit den Verbrechen der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg.



          Ist nur die Frage, ob Gewalt und Nationalismus hilft Traumata zu überwinden oder ob irgendwann der Akt der Gewalt als identitätsstiftend und notwendig angesehen wird.

        • @Jim Hawkins:

          Oder Araber oder anderer Schwarzer. Sklavenhaltung war in ziemlich jeder Kultur hip. Insbesondere und im großen Stil bei Arabern.

          • @Wonneproppen:

            In Europa nannte man sie "Leibeigene".

            Und auch die Kämpfer der Gaza-Hamas-palästinensischen Seite scheinen Sklaven zu schätzen. (Zumindest wurde dieser Begriff bei der Parade der Geiseln durch Gaza und in Telefonaten der Kämpfer für weibliche Geiseln verwendet.)

        • @Jim Hawkins:

          Natürlich ist die Shoah ein einzigartiges Menscheitsverbrechen.

          Aber diese Einzigartigkeit macht die Sklaverei, egal durch wen, oder anderes Untasten nicht automatisch zu einer zu vernachlässigenden Fußnote der Geschichte der Menschheit.

          Wer sich die fürchterlichen Fakten ansieht, dürfte normalerweise auch zu dem Schluß kommen, daß die Shoah einzigartig war.

          Was mich stört, ist die Erhebung dieser Einzigartigkeit zu einer Art "Dogma", das jeden, der auf andere Massenverbrechen hinweist, sofort zum "Häretiker" macht, der zum Schweigen zu bringen ist. Und zwar ohne vorher zu prüfen, ob diese Person wirklich die Shoah verharmlost, oder gar leugnet, oder schlicht darauf hinweisen will, daß es noch andere Ungeheuerlichkeiten gibt, die manche Gesellschaften bis heute traumatisieren.

          In Benin z. B. leben Nachkommen der Opfer und Täter des innerafrikanischen Sklavenhandels. Und die Nachkommen der Täter haben es teilweise gar nicht gern, wenn an diesen sehr unrühmlichen Teil erinnert wird. Sei es, weil sie sich für ihre Vorfahren schämen, sei es, weil es das Opfernarrativ gegenüber dem Westen eintrübt.

          Dort sieht man die Shoah dann anders als wir, ohne damit gleich Antisemit zu sein.

          • @ PeWi:

            Natürlich ist die Sklaverei keine Fußnote in der Geschichte, sondern ein Menschheitsverbrechen.

            Der Trick der Postkolonialen ist jedoch der, die Shoah zu relativieren, indem man sie in eine Reihe von anderen Verbrechen stellt und ihr damit das Spezifische nimmt.

            Das Spezifische ist eben der Versuch, eine ganze Gruppe auszurotten, um dadurch in der Betrachtung der Antisemiten die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

            Das, was Hamas, Hisbollah, IJ, Iran, Huthis und andere Verbrecher eben auch umtreibt.

            Selbst Frau Roth, der ja alles misslingt, was sie in die Hand nimmt, geht mit ihrem neuen Konzept der Erinnerungspolitik, das zurecht auf heftigste Kritik stößt, diesen Weg.

            Ist der Holocaust erst einmal nichts besonderes mehr, wird die Existenzberechtigung Israels gleich etwas fragiler.

  • Die Auseinandersetzung mit den Taten der Vorfahren setzt besonders im konkreten Fall voraus, darüber etwas erfahren zu können. Mit dem Versuch dazu sind die zweite und dritte Generation nach dem industriell organisiertem Völkermord am Schweigen der beteiligten Generation gescheitert. Alles was ich als Enkelin der beteiligten Generation über die Nazizeit weiß, habe ich selbst zusammengelesen. In den Schulen der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde so gut wie gar nichts dazu unterrichtet, eine Generation später auch nur das Nötigste.



    Und sobald es um die Recherche von konkreten Personen der eigenen Familie geht, erneuern sich die Hindernisse.



    Bin auf Widerspruch jetzt sehr gespannt.

    • @aujau:

      Ich entnehme Ihren Schilderungen, das Sie in Westdeutschland sozialiert wurden. " In den Schulen der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde so gut wie gar nichts dazu unterrichtet, eine Generation später auch nur das Nötigste."



      Meine ostdeutsche Biographie bezeugt gegenteiliges zu Ihrer Erfahrung. Prägend für mich war die lyrische Aufarbeitung der NS-Barbarei. Literaturunterricht 6.Klasse Frau Sperling. Thema: Johannes R. Becher, Die Kinderschuhe aus Lublin. Vorgetragen von unserer geliebten Lehrerin, Tränen in Ihren Augen.



      Die Authentizität des Gefühls verband sich mit der Aufforderung der Interpretation des Gedichts. Und wer jetzt von unzulässiger Überwältigung spricht möge schweigen, angesichts der heutigen Überwältigung mittels Netflix und YouTube, ganz ohne pädagogische Begleitung.

      • @Thomas Kühnelt:

        Ja, es ist Westdeutschland. Ich muss an mich halten, mich nicht über den sozialen Alltag in Westdeutschland auszukotzen. Beschämungskultur, Gewalt, Vertuschungsstress. Gedenktheater und wenig echte Konsequenzen aus der Nazizeit.

    • @aujau:

      In den 80/90ern wurde in allen Fächern so viel NS unterrichtet, dass der Umfang allein das Interesse vieler kostete. Ein Teil der Täter war tot, viele haben geschwiegen, auch deren Kinder wussten wenig. So waren wir allein gelassen und mussten, was uns interessierte, selbst erarbeiten.



      Außerhalb rechter Kreise gilt übrigens: Es gibt keine Sippenhaft und keinen „Volksgeist/-willen“ etc., auch kein „Tätervolk“. Ich bin Bürger des Rechtsnachfolgers des Dritten Reichs, der Ansprüche gegen seinen Staat gelten zu lassen hat. Ich finde sogar, dass mein Staat mehr tun müsste, aber danach ist Schluss!



      Ich kannte meine Großeltern väterlicherseits nicht persönlich, deren Söhne sind verschlossen. Ob dem ein Trauma eines Täters zugrundeliegt? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass meine Vorfahren als Täter „kleine Lichter“ waren. Sie waren zu jung für höhere Ränge oder zu alt für die Front, zu arm für die Offizierslaufbahn und Einfluss. Mein anderer Opa (*1923) war 1945 hinter der Ostfront. Er floh nach Westen, um nicht den Russen in die Hände zu fallen. Er war Sozialist, Anhänger Brandts, nicht blauäugig für die UdSSR, den USA nahm er Vietnam und Reaganomics übel. Mehr werde ich nicht erfahren.

      • @Zangler:

        Ich habe in der Schulzeit der 70er Jahre nur sehr wenig erfahren und die Berichte von SchülerInnen der 60er Jahre im Ohr, dass nach Bearbeitung der Zeit nach dem ersten Weltkrieg im Unterricht zum Altertum zurückgegangen wurde.



        In der Familie gab es Andeutungen und diffuses Geraune. Nachfragen wurden entweder totgeschwiegen oder brachten Ärger.

    • @aujau:

      Das ist spannend, denn ich hatte das ebenfalls als Enkel dieser Generation das Thema Drittes Reich/Nazi-Deutschland drei mal in verschiedenen Schulen. Das ist allerdings jetzt auch schon wieder über 10 Jahre her. Wo und wann waren Sie denn in der Schule?



      Insgesamt hatte ich das Gefühl dass das Thema schon sehr stark vertreten war. Gab ja auch sowas, wie Phoenix und ähnliche Angebote, dazu in den meisten Teilen Deutschlands Erinnerungsstätten.



      Das mit in der der Geschichte der eigenen Familie ist halt etwas schwierig. Die Generation ist mehr oder weniger schon tot oder war im Kleinkindalter. Wenn da nicht die direkt nachfolgende Generation etwas mehr nachgehakt hat oder die Person zufällig Person des öffentlichem Interesse war, wird's halt schwierig da Informationen rauszukommen, weil die die noch leben, ebenfalls wenig Ahnung haben.



      Was ich ein krasser es Problem finde ist, dass die Generation der direkten Opfer mittlerweile am aussterben ist. Die Berichte von echten Menschen, die erzählen konnten, wie es war, das verfolgt, entrechtet und deren Angehörige systematisch ermordet wurden, das wird fehlen.

      • @Hoehlenmensch:

        Ich war in den 70er Jahren Schulkind im südlichen Rand Ruhrgebiet. Nachfolgende Generationen der Täter/Mitläufer/Schnäppchenjägerseite haben nachgefragt und wurden durch Schweigen oder abweisende Reaktionen gestoppt. Noch vor wenigen Jahren wurde mir von einer 90-jährigen Tante bei einem Wiedersehen nach gut 50 Jahren sofort gesagt: " Lass die Vergangenheit ruhen." Kurzer scharfer Blick dazu.

    • @aujau:

      Mein Opa mütterlicherseits war bis 1945 Leiter des Finanzamts in Gotha. Da die Finanzämter sehr eifrig an der Inventarisierung des Eigentums beteiligt waren, das die deportierten Juden zurücklassen mussten, könnte ich jetzt in den zuständigen Archiven schauen, in welchem Ausmaß er daran beteiligt war.



      Aber was soll mir das bringen?

      Er ist 1971 verstorben, da war ich 9 Jahre alt.

      Natürlich hätte ich, als vor Jahren die Beteiligung der Finanzämter an diesem Raub endlich bekannt wurde, meiner Mutter einen entsprechenden Artikel auf den Tisch legen, und ihr bohrende Fragen stellen können.

      Ich hätte auch meinen Vater fragen können, ob sein Vater als Lehrer nicht doch dem System loyaler gedient hat, als er immer behauptete, oder den Onkel aus der Waffen-SS, warum er "lieber nicht" zum Urlaub nach Jugoslawien fahren wollte.

      Aber was hätte es gebracht, außer Zank und Streit? Denn eine ehrliche Antwort hätte ich wohl kaum bekommen.

      Nun sind sie alle tot und ich kann damit leben, daß einige meiner Familie eventuell doch schuldiger waren, als sie sagten.

      Aber da ich es 1933/45 wohl auch nur zum "kritisch engagierten Mitläufer" (Johannes Gros) gebracht hätte, bin ich da lieber still.

      • @ PeWi:

        Wir alle müssen uns wohl mit dem Gedanken auseinandersetzen, 33-45 wahrscheinlich feige leicht schadenfreudige kleine Mitläuferchen gewesen zu sein und das dann in der Nachkriegszeit durch Verdrängung herausreinigen gewollt zu haben. Allerdings wüsste ich heute schon gern mehr über die Handlungen und Entscheidungsräume meiner Gross- und Urgrosseltern. Sie haben nämlich, ob man das nun will oder nicht, eine transgenerationale prägende Wirkung.