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Debatte um Israels SelbstverteidigungEin ur-linkes Anliegen

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Linksidentitäre Kritik an Israel verhallt zu Recht, erkennt sie doch sein Existenzrecht nicht an. Der „Kontext“, von dem viele sprechen, geht anders.

Vor dem Krieg protestieren Tausende in Tel Aviv gegen die Regierung Netanjahus Foto: Natan Dvir/polaris/ddp

E s ist ohne Belang, was hierzulande, was andernorts in der westlichen Welt, was in den Foren der Vereinten Nationen zu Israel und seinem Abwehrkrieg gegen­ die Hamas gedacht und erörtert wird. Was in den hiesigen Nachrichtensendungen zu sehen ist, bleibt auch das Falsche, wenn es mit grauenerregendem Leiden verbunden ist: Bombardements und andere militärische Interventionen im Gazastreifen.

Medien neigen zur Produktion greller, erschütternder Bilder – und die aus jener Landschaft, die das israelische Militär besonders im Visier zu haben hat, wecken, je nach Gemütslage, Empörung, Mitleid oder Hass. All dies kann stark moniert werden, überhaupt kann Israel und seine Politik heftig kritisiert werden, ohne dass dies als antisemitisch oder antijüdisch (miss)verstanden werden müsste.

Die Politik Netanjahus kann, ja muss aus der Perspektive von Demokraten schroff angegangen werden. Er und seine rechtsradikalen Koalitionspartner haben durch militärische und politische Unachtsamkeit überhaupt möglich gemacht, dass am 7. Oktober nicht nur Hamas-Kader, sondern hinter ihnen einfallend Zivilbewohner des Gazastreifens auf israelisches Staatsgebiet mordend und schlachtend einfielen, Wehrlose massakrierend.

Arye Sharuz Shalicar, einer der Militärsprecher Israels, sprach im taz-Interview daher zutreffend von einem „Mini-Holocaust“ – ein Gefühl, das mit dem 7. Oktober die israelische Bevölkerung (und wesentliche Teile der jüdischen Diaspora) beschlichen hat: Israel, Safe State für Jüdinnen und Juden, vermag offenbar das Leben seiner BürgerInnen nicht zu schützen.

Wehrbereitschaft ist keine Geschmacksfrage

Der jüdische Staat, zu dem mehr als ein Fünftel anderer religiöser Traditionen gehören, auch der Islam, ist von mehr oder weniger feindlich gesinnten Nachbarn umgeben – das macht dort Fragen der Verteidigung und Wehrbereitschaft nicht zu einer Geschmacksfrage in irgendeinem Diskurs zum Nahen Osten, sondern zu einer der Existenz schlechthin.

Das festzustellen, ist kein Resultat irgendeiner philosemitischen Haltung, erst recht nicht aufgrund irgendeines sogenannten Schuldkults (so der Historiker Dirk A. Moses und vieler seiner postkolonial gesinnten FreundInnen), sondern des demokratischen Verstands: Israel ist als Staat, allem jüdischen Prä zum Trotz, in seiner Region mit Abstand das Land, das allen liberalen Demokraten auch in der Mentalität am nächsten liegen sollte.

Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, demokratische Wahlen, ein Land ohne Todesstrafe und mit hohem Bewusstsein für ethnische Diversität: Wer Israel als „weißes“ Land imaginiert, gibt nachfragelos zu verstehen, noch nie da gewesen zu sein.

Lebendigere Demokratie als die deutsche

Israel müsste auch Linken ein positives Anliegen sein: ein utopisches Projekt, das wider alle Erwartungen zu gedeihen begann. Ein Staat, der sich 1948 per UN-Beschluss gründete (mit Hilfe der Sowjetunion auch, nicht der USA, nicht Großbritanniens) und aus so gut wie nichts in wüstenähnlicher Umgebung einen kapitalistischen Global Main Player machte, unabhängig von Religionen: Gegen die demokratisch ausgetragenen Streitigkeiten dort wirkt die bundesdeutsche Demokratie wie eine einschläfernde Veranstaltung. In Israel geht es immer um alles – deshalb werden die Debatten jetzt um den Krieg gegen­ die Hamas dort leidenschaftlicher ausgetragen, als sich aus den kargen Bildern, die deutsche Medien spiegeln, nur entnehmen lässt.

Israel müsste für Linke – nicht: Linksidentitäre, die vom Global South sprechen und die Welt sich nur ethnisiert vorstellen können, nicht als Mixtur wie eben etwa in Israel – auch deshalb attraktiv sein, weil es Meinungs- und Organisationsfreiheit gibt. Weil dessen arabische BürgerInnen einen viel höheren Lebensstandard genießen als etwa solche in Staaten wie Jordanien, dem Libanon oder Ägypten. Nichts in Israel ist paradiesisch, im Gegenteil.

Gegen die Politik Netanjahus hat die Hälfte der jüdischen Israelis (und auch der nichtjüdischen BürgerInnen) in den zehn Monaten vor dem 7. Oktober Woche für Woche in Tel Aviv lautstark protestiert. Die Paraden des Protests haben am Ende auch viele arabische Israelis willkommen geheißen, zumal das Thema der apartheidähnlichen Besatzung der Westbank aufgebracht werden konnte.

Das sind politische Kulturen der Selbstkritik, die aus den benachbarten arabischen Ländern nicht einmal phantasmatischerweise denkbar wären.

Palästina-Sentimentalität hilft keinem weiter

Dass die Militärinterventionen im Gazastreifen – von dort werden nach wie vor auch Bomben auf das verhasste Israel gestartet – auch in Israel umstritten sind, hat hauptsächlich mit dem Umstand zu tun, dass die Hamas-Täter immer noch über 100 Geiseln gefangen halten.

Warum sollte auch nur irgendein liberaler oder linker Politiker auf solchen surrealen Kram hören?

Israels Politik wird also kritisiert, am schärfsten in Israel selbst. Der Grund, warum linksidentitäre oder palästinasentimentalistische Kritik gerade aus westlichen Zirkeln so resonanzlos verhallt, ist simpel. Die meisten Beiträge, zuletzt der von Masha Gessen bei der von ihr beim Schopfe ergriffenen Chance, angelegentlich einer Preisverleihung in Bremen Israel zu dämonisieren – verkennen dessen politische Lage und erkennen nicht das Existenzrecht Israels an.

Sie halten, wie der Philosoph Omri Boehm, Israel nur als Konföderation mit den Palästinensern für denkbar, wollen den UN-Beschluss zur Staatsgründung revidieren: Warum also sollte auch nur irgendein liberaler oder linker Politiker, von Netanjahu und seinen Fellows zu schweigen, in Israel auf solchen surrealen Kram hören?

Wie es besser ginge

Jede Diskussion aus palästinensischem Blickwinkel macht sich realitätstüchtig, wenn sie auf Rückkehrrechte in früher nicht allein jüdisches Gebiet verzichtet. Wenn sie auf Handel setzt, nicht auf Massaker. Dann läge die Einsicht nicht fern: Wenn jemand die Sache der palästinensischen BürgerInnen besonders vernichtet, nachhaltig rufschädigt, dann ist es die Hamas, die mit dem 7. Oktober das größte Verbrechen auch gegen die eigene Bevölkerung angerichtet hat.

Netanjahu aber muss für sein politisches Versagen belangt werden, üblicherweise in demokratischen Ländern durch Wahlen. Es ist vor allem sein Scheitern, die Hamas für einhegbar, die palästinensische Frage für hinfällig gehalten – und eine nötige Zweistaatenlösung hintertrieben zu haben. Auf sein Konto geht auch die Verantwortung für die Vernachlässigung der Sicherheit zum Gazagebiet mit der mörderischen Hamas. Das ist eine verheerende Bilanz, aber so geht der „Kontext“, von dem jetzt alle linksidentitäre Welt redet. Nicht anders. Israel hat Probleme zu lösen und ist nicht ein Problem per se.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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61 Kommentare

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  • Das Existenzrecht von Isreal ist unverhandelbar und natürlich trägt die palististänsische Seite Schuld für die aktuelle Situation auf Grund der unglaublich grausamen Terrorakte vom 7.10.23. Auch war es fatal von Arafat 2000 die Friedensgespräche in Camp David zu torpedieren.



    Trotzdem bin ich irritiert darüber wie wenig Kritik sich an Israels Vorgehen hier geäußert wird.

    Leider betrachten die meisten Menschen viele Kriege und Konflikte in der Welt zu ideologisch und sind nicht bereit andere Sichtweisen verstehen zu wollen.

    Precht & Lanz hatten dazu Mal einen interessanten Podcast vor 2 Wochen im ZDF gemacht. Besonders interessant fand ich auch die Behandlung der 30:1 zu Strategie. In Deutschland mögen wir es gerechtfertigt finden, wenn bis zu 30 Zivilisten für einen Hamas Kämpfer sterben müssen, da Israel ja im Recht ist und sich verteidigt, aber vielleicht sollte man auch andere Sichtweisen versuchen zu verstehen.



    Ideologisches Vorgehen führt fast nie zu guten Lösungen. Und auch, wenn das altmodisch klingen mag, das Völkerrecht sollte von allen Staaten aktzeptiert werden unabhängig davon, ob die Länder Russland, Isreal, USA oder auch China heißen.



    Die Zeiten in der der Westen mit Doppelmoral seine Ziele global umsetzen kann sind nun einmal vorbei. Glaubwürdigkeit wird immer wichtiger werden und in dieser Kategorie schneiden wir leider sehr schlecht ab und spielen damit Diktatoren wie Putin, Xi Jinping in die Karten.

  • "Und spätestens seit dem Eichmann-Prozess wissen wir, dass die persönliche, freiwillige Einordnung in diese NS-Mordmaschinerie nicht unbedingt dem Motiv des blindwütigen Judenhasses entspringen musste, sondern recht unterschiedlichen Motiven."

    Dieses vor allem von Hannah Arendt wirkungsmächtig gezeichnete Bild ist von der historischen Forschung schon seit einigen Jahren in Frage gestellt worden. Eichmann war keineswegs nur das kleine Rädchen und der gehorsame Bürokrat, als der er sich selbst im Prozess inszeniert hat, sondern ein fanatischer Nationalsozialist, der den Massenmord aus eigener Überzeugung vorangetrieben hat. Nachzulesen etwa bei Bettina Stangneth, Eichmann vor Jerusalem (2011).

  • Danke für diesen sehr fundierten Artikel!



    Es ist sehr erfreulich, dass es noch links denkende Menschen gibt, denen das Existenzrecht Israels als Selbstverständlichkeit erscheint.



    Es ist schön, zu lesen, wie Phrasen der Linksidentitären zerpflückt werden.



    Es ist schön, dass die Taz auch eine Basis für Linke darstellt, die die hier vorgestellten Ansichten teilen.



    Die Analyse des aufkeimenden Antisemitismuses in Deutschland, auch innerhalb des " linken "Teils der Gesellschaft , ist dringend notwendig.



    Leider ist dies nur einer von wenigen Artikel, die seit dem 7. Oktober die Problematik derart kompetent behandeln.

  • Israel ist kein Problem per se. Korrekt.



    Ein Rückkehr der in der Nakba vertriebenen Menschen und ihrer Nachkommen wird es nicht geben. Das weiß auch jede*r. Nur der Verzicht auf diesen Anspruch muss den Palästinenser*innen abverhandelt werden. Es ist das einzige politische Instrument, das sie haben, deshalb geben sie es nicht ohne Gegenleistung auf.



    Dass postkoloniale Kritik nicht per se für den Garten ist, kann man ahnen, wenn man reflektiert, dass die wenig demokratischen Verhältnisse in Israels Nachbarschaft natürlich auch durch westliche Nahostpolitik und die ökonomische Verfasstheit des Westens mitgeschaffen wurden und das nicht erst seit aktuellen politischen Entscheidungen wie im Falle al-Sisi, sondern historisch weit zurückreichend. Literaturtipp zu diesen Verpflechtungen: Mitchells "Carbon Democracy".



    "Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, demokratische Wahlen, ein Land ohne Todesstrafe und mit hohem Bewusstsein für ethnische Diversität" - stimmt, aber es ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist: Siedlungsbau, Administrativhaft, Rassismus gegen nicht-weiße (z.B. äthiopische) Juden, extralegale Tötungen (nicht im aktuellen Krieg, sondern in den Jahrzehnten davor), "physischer Druck" bei Verhören. Keine Dämonisierung, sondern Fakten, die für ein vollständiges Bild erwähnt werden müssen (als die vom Autor angesprochenen "Probleme").



    Und als "irrelevant", sollte vielleicht auch nicht abgetan werden, dass sich unter den zahlreichen Unterzeichner*innen diverser kritischer offener Briefe zum militärischen Vorgehen in Gaza, zahlreiche Professor*innen der Genocide oder Holocaust Studies befinden, denen man nur schwer absprechen kann, sich mit der Materie auszukennen.

  • Danke. Möge das ein Denkanstoß werden.

  • Netanyahu in seiner Angst vor Knast aufgrund seiner Korruptiosvorwürfe treibt 'sein (?)' Land in eine Sackgasse: Wenn jetzt mit Trump demnächst der vorletzte Verbündete von der Stange geht (außer dem Chor einer Staatsräson) wird es von früher oder später kein Überleben in Israel mehr geben können, genauso wie den Einwohnern Gazas, deren Lebensgrundlagen jetzt schon weggebombt werden. Wer gegen diese Form der Kriegsführung ist, kann kein Antisemit sein, im Gegenteil: Schon wieder werden viele Zivilisten beider Seiten Opfer kriegführender Despoten aus rassistischer Motivation heraus,..

  • Danke für diesen Kommentar Jan Feddersen. "Free the world from Hamas": diese erste aller Forderungen nach dem 7. Oktober steht über der Hamburger Roten Flora!

  • Mini-Holocaust klingt erschreckend nach Holocaust-Verharmlosung. Wenn das Massaker an 7.10 als Mini-Holocaust bezeichnet werden, müssten dann nicht auch Srebrenica und Ruanda so bezeichnet werden? Wenn die Welt in den letzten Jahrzehnten aber mehrere Holocausts gesehen hätte, würde das nicht die Einzigartigkeit des Holocaust relativieren? Kann man ein abscheuliches Massaker in einem ethnischen Konflikt wirklich mit einer Infrastruktur zur bürokratischen, industriellen Ermordung von Millionen von Angehörigen einer Minderheit vergleichen? Als Deutsche sollten wir vorsichtiger mit Holocaust-Vergleichen sein - selbst dann wenn wir über unentschuldbare Verbrechen gegen die Menschlichkeit sprechen.



    Das Existenzrecht Israels zweifeln die meisten, die aktuell Kritik über sicher nicht an. Die Frage danach, was wir damit meinen, wird sich aber mittelfristig stellen: Meinen wir damit das Existenzrecht eines demokratischen und jüdischen Staates? Wie soll der aussehen, wenn Netanyahu - wie er selbst sagt - einen palästinensischen Staat verhindert hat und gleichzeitig Smotrich & Co von "freiwilligen Umsiedlungen" träumen?



    Und wie realistisch ist es, eine Lösung durch Handel zu finden, wenn als Belohnung für die moderatere Haltung der Fatah, die Zahl illegaler Siedlungen im Westjordanland stetig wächst und radikale Siedler Menschen vertreiben?



    All das rechtfertigt in keiner Weise die Taten der Hamas und natürlich hat Israel ein Recht auf Selbstverteidigung.



    Trotzdem sehr ich gerade die Notwendigkeit deutlich zu machen, wo rote Linien verlaufen. Die Hamas gilt richtigerweise bereits als Terrororganisation. Wo die Grenze dessen, was legitime Selbstverteidigung ist, muss ebenso klar benannt werden. Am besten, bevor diese überschritten werden. Das ist langfristig auch im Sinne Israels.

  • Danke für diese klare Argumentation. Regressive Linksidentäre, seien sie postkolonialistischer oder antiimperialistischer Provenienz, wird die Evidenz dieser Gedanken jedoch nicht anrühren, sie sind um "Haltung zeigen" bemüht, die ergibt sich aus den gängigen Moden im akademischen und Kulturbetrieb, und da hat Israel schlechte Karten. Analyse und Kritik, womöglich was wissen über den Gegenstand? Viel zu anstrengend sowas!



    Und danke für diese Formulierung: "apartheidähnlichen Besatzung der Westbank" - nicht mehr und nicht weniger, den Vorwurf kann man machen. Nicht die Besatzung an sich, deren Aufgabe lässt die palästinensische Seite (derzeit) gar nicht zu, aber das Gewährenlassen der Besiedlung mit all den ungerechten Begleiterscheinungen.

  • Ich muß schon sagen anderen Leuten Realitätsverlust vorzuwerfen, mit der Begründung Konföderation würde einen UN-Beschluss revidieren, ist in Anbetracht der Anzahl von UN-Beschlüssen die Israels Regierung ignoriert schon ein ganz schön seltsames Argument. Entweder sind UN-Beschlüsse wichtig oder eben nicht.

  • Danke Herr Feddersen für Ihre sachliche und fundierte Analyse in Bezug auf linksidentitäre Israelfeindlichkeit. Insbesondere Ihr erster Satz bringt die Relevanz der ganzen israelfeindlichen Agitation westlicher Linker und sonstiger Besserwisser auf den Punkt: Sie ist "ohne Belang".



    Schön, dass es hier überwiegend sehr positive Reaktionen auf Fedesens Artikel gibt. Das stimmt doch hoffnungsvoll, dass auch hierzulande nicht die lauten und hasserfüllten SchreihälsInnen in der Mehrheit sind.

  • „Es ist vor allem sein Scheitern, die Hamas für einhegbar, die palästinensische Frage für hinfällig gehalten – und eine nötige Zweistaatenlösung hintertrieben zu haben.“

    Das stimmt so halb. Die Hamas für „einhegbar“ gehalten zu halten, war in der Tat ein großer Fehler, die palästinensische Frage für hinfällig gehalten zu haben hat hingegen nachvollziehbare Gründe.



    Seit den aufgrund der palästinensischen Verweigerungshaltung gescheiterten Gesprächen von Camp David gilt die Palästinenserfrage in weiten Teilen des israelischen Diskurses als unlösbar, Jassir Arafat hat die Friedenspläne der israelischen Linken vollends desavouiert. Man weiß auf israelischer Seite, dass der Großteil der Palästinenser dem „Traum von der Rückkehr“ nachhängt (hier muss man Jan Feddersen eigentlich loben, dass dieser Punkt überhaupt mal erwähnt wird!).



    Auf palästinensischer Seite ist die Position der israelischen Ultra-Rechten communis opinio: aktuell wollen laut AWRAD 74,7% der Palästinenser „A Palestinian state from the river to the sea”. Und so sehen es auch deren politische Vertreter. Über was will man da verhandeln? Für eine Zweistaatenlösung müsste es auf palästinensischer Seite eine Akzeptanz des Existenzrecht Israels geben, was nicht der Fall ist, wenn drei Viertel der Palästinenser Anspruch auf das gesamte Gebiet erheben.



    Und „Existenzrecht Israels“ meint eben die Existenz Israels als jüdischer Staat. Israel versteht sich aus guten Gründen – nämlich aufgrund des Umstands, dass Juden nirgendwo sonst in Frieden gelassen wurden - als Ethnodemokratie. Mit dem „Traum von der Rückkehr“ ist das genauso wenig zu vereinbaren wie mit Boehms Idee einer „Republik Haifa“, die Juden dann nur wieder den aus der Diaspora allzu bekannten Gefahren aussetzt.

  • "Mini-Holocaust" klingt nun wirklich erschreckend verniedlichend!

    IMHO war der 7. Oktober eine Mischung aus Bataclan und 9/11 - ist so ein "Festival konzertierten islamistischen Terrors" gegen die Israelis in ihrem Lande nicht schrecklich genug?

    Holocaust ist jedenfalls das falsche Label. Es ging gegen Menschen dort ohne Rücksicht auf deren Religion! Islamistischer Terror hingegen ist ein Begriff für eine Gegenwartserscheinung, die nicht im Interesse der Völker dieser Welt sein kann, nicht einmal der islamischen.

    Die Reaktion Netanjahus per Krieg gegen Terror - das ist der absolut gleiche Reflex wie ihn einst George W. Bush zeigte mit nach tagelanger hysterischer Zuspitzung seiner Rhetorik erfolgter Ausrufung seines Krieges gegen den Terror. Am Ende stand Bush auf einem Flugzeugträger und erklärte den Sieg. Dass es höchstes ein Pyrrhus-Sieg war, das zu erklären war er nicht imstande.

    Was in der Berichterstattung über den Gaza-Krieg fehlt sind Opferzahlen. Denn die von der Hamas bekannt gegebenen Zahlen - wer auf diesem Planeten und der Raumstationsumlaufbahn kann die nach diesem Hamas-Terror-Fest des Grauens für glaubwürdig halten? Richtig geraten: NIEMAND!

    Auch jeder anderer anstelle Netanjahus hätte eine Spezialoperation gegen den Terror befohlen, nur vielleicht eine etwas smartere. Die wichtigste NGO, die nun in Gaza präsent sein müsste, wäre eine der neutralen Beobachter. Um z.B. glaubwürdige Zahlen zu erwirken.

    Außerdem ist anzunehmen, dass beim Umfang der Operation mehr Gazabewohner zu Tode gekommen sind als Israelis an den Terrortagen ab 7. Oktober. Vor allem, weil sich der Angriff ja nicht auf Gaza-Stadt im Norden begrenzen ließ, obwohl die Bewohner die von Israel geforderte Flucht nach Süden überwiegend angetreten hatten, trotz der vollkommenen Irrationalität dieser Forderung. Das Maß "der üblichen Vergeltung", die Israel oft als Antwort auf Angriffe übt, ist leider überschritten, aber es war unvermeidbar. Wer da "Völkermord" ruft: Eigene Nase fassen!

    • @Uwe Kulick:

      Sehr guter Kommentar, dem ist nichts hinzuzufügen .

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Uwe Kulick:

      ""....der 7. Oktober eine Mischung aus Bataclan und 9/11.""



      ===



      Sicher nicht.

      ZAKA ist nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober mit der extrem schwierigen Aufgabe befasst, die Leichen und Leichenteile der etwa 1.200 bei den Anschlägen getöteten Menschen zu bergen und zu identifizieren.

      Die Feststellungen der ZAKA-Mitarbeiter über das Ausmaß der Tötungen und Folterungen werden protokolliert und sollen in künftigen Gerichtsverfahren Hinweise auf Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord liefern.

  • Jan Feddersen mit einem sehr guten Kommentar, wie so oft aus seiner 'Feder'.

  • Der Autor wendet sich gegen die ethnoidentitären Linken und bezeichnet andererseits Böhms humanistische Perspektive eines Kantonalstaates als surrealen Kram!?



    D.h.: sein "Kontext" unterschlägt kritische Begrifflichkeit, verdrängt kritische Selbstüberprüfung

    • @ferry:

      Könnte es nicht auch sein, daß Herr Feddersen die Idee eines Kantonalstaates schlicht deshalb ablehnt, weil sie wirklich unrealistisch ist?



      Vielleicht ist das ja das Ergebnis seiner "kritischen Selbstüberprüfung"?

      Die Linken neigen ja dazu, Geschichte und Gegenwart gerne durch die Brille einer Theorie, einer Denkschule oder eines Konzeptes zu sehen. Leider neigen manche auch dazu, die Teile der Realität zu verdrängen, die sich nicht in jeweils bevorzugte Schablone pressen lassen.



      Das könnte auch bei manche ethnoidentitären Linken der Fall sein.

  • Auch in diesem Kommentar kommt zum Ausdruck, dass Kritik am Handeln des Staates Israel irgendwie dessen Existenzrecht abspreche. Habe ich bei der inkrimierten Gessen so nicht gelesen. Und der "Vorschlag" einer "Lösung", dass die Palästinenser*innen vorab auf ihre Rückkehrrechten verzichten sollten, ist ebenfalls einseitig zu deren Lasten. Dann bitte zumindest an die jüdische Seite auch den Anspruch, von vornherein auf den Besitz Ostjerusalems und des Westjordanlandes zu verzichten. Davon aber kein Wort.



    Und zuletzt eine Bitte: Warum negiert die Idee einer Konföderation den UN-Beschluss?

    • @Jörg Levin:

      Immerhin sah die Teilungsresolution 181 eine Wirtschaftsunion des jüdischen mit dem arabischen Staat vor.

    • @Jörg Levin:

      "Und der "Vorschlag" einer "Lösung", dass die Palästinenser*innen vorab auf ihre Rückkehrrechten verzichten sollten, ist ebenfalls einseitig zu deren Lasten."

      Vielleicht ist mein Vorschlag zu pragmatisch, aber ich würde die ca. 700.000 vertriebenen Palästinenser (sofern die Zahl stimmt, angeblich haben auch einige/viele? ihr Land an die jüdischen Mitbürger zu verkauft oder haben das Land auf Grund der Aufforderung der arabischen Kriegsparteien verlassen) gegen die ca. 800.000 vertriebenen jüdischen Bürger in den arabischen Ländern gegenrechnen.

      Gibt es denn gar keine Möglichkeit, dass die 700.000 vertriebenen Palästinenser den Platz der vertriebenen Juden in den arabischen Ländern einnehmen? Da wären Gelder aus der EU, Deutschland und UN meiner Meinung nach als Starthilfe für eine Existenzgründung besser aufgehoben gewesen, als bei der früheren/jetzigen UNRWA/Hamas in Gaza. Aber das kann immer noch gemacht werden.

      Hinsichtlich Westjordanland dachte ich bisher, dass Israel das Gebiet im 6-Tage-Krieg dazu gewonnen hat, so wie beispielsweise Tschechien nach dem 2. WK das Sudetenland dazu gewonnen hat.

      Ost-Jerusalem ist etwas komplizierter, aber das hat, meines Wissens nach, Israel von Jordanien, auch im 6-Tage-Krieg, gewonnen. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass Ost-Jerusalem unter internationale Verwaltung gestellt werden sollte, da die Stadt für Juden, Christen und Anhänger des Islam wichtig ist. Vielleicht wäre dieses Mal auch die arabisch-palästinensische Seite damit einverstanden, seit 1947 hat sich ja doch einiges geändert.

      Über all dieses hin und her, wem gehört was, seit wann, müsste man sich keinen Kopf machen, wenn die dortigen Bürger befähigt wären, sich zu arrangieren ... im Namen ihres jeweiligen Gottes.

      oct7map.com/women

      • @*Sabine*:

        Hallo Sabine, Sie vergleichen ernsthaft Israel mit dem Deutschland, das den Zweiten Weltkrieg entfesselte? Und bitte schauen Sie sich die Grenzen der Tschechoslowakei vor 1938 an: die haben "nach dem 2. WK" gar nix "dazu gewonnen". Das sog. "Sudetenland" gehörte schon seit Jahrhunderten zu dem, was 1918/19 die Tschechoslowakei wurde.

    • @Jörg Levin:

      Warum unbedingt Ostjerusalem? Und was sollt dieses "Whatabout " an der Stelle schon wieder? Das schreit doch nur nach einer retourkutsche (z. B. Rückkehrrecht in die ganzen arabischen Länder aus denen Juden 1948 vertrieben wurden). Feddersen hat ganz Recht, dass diese "Aber ICH bin doch der Verletzte"-Mentalität sich zwar immer begründen lässt, aber letztlich nichts bringt.

      • @Normalo:

        Warum Ostjerusalem? Weil das nicht innerhalb der Waffenstillstandslinien von 1949 liegt, sondern von Israel 1967 besetzt und einseitig annektiert wurde. Völkerrechtlich und aus Sicht der Palästinenser gibt es keinen Unterschied zwischen Ostjerusalem und anderen palästinensischen Städten wie Gaza, Ramallah, Nablus, Jenin usw.

      • @Normalo:

        Was bitte meinen Sie mit "whatabout"? Ich kritisiere an dem Kommentar die Einseitigkeit, wer zur Lösung etwas nachgeben solle.

        • @Jörg Levin:

          ...indem Sie - Ihrerseits einseitig - nur die Vertreibung von Palästinensern aus Israel anführen, die 1948 stattgefunden hat, und die NACH Israel vertriebenen Juden unerwähnt lassen - von den wiederholten Versuchen, auch Israel wieder unter arabische - oder, wenn man den nicht unwesentlichen Beitrag des Iran zu der ganzen Konfliktsituation einbezieht, unter islamistische - Herrschaft zu bringen, mal ganz zu schweigen.

          Das ist es, was ich meinte: In diesem Konflikt wird es nie eine Heilung aller Wunden der Vergangenheit oder Durchsetzung der Interessen der Gegenwart geben, und deshalb ist es kontraproduktiv, an jedem Kompromissvorschlag sofort die unvollkommene Berücksichtigung bestimmter Interessen zu bemängeln. Die Frage sollte lauten: Was kann funktionieren, und da wäre es aus meiner Sicht klüger, den (eher symbolischen) Zankapfel Ostjerusalem mal vom Tisch zu nehmen.

  • Endlich ein Lichtstrahl in das obskure Identitätsgeschwafel, der zeigt, wo die wirklichen Probleme liegen - und angegangen werden. Vor allem in Israel selbst als auch sonstwo.



    Erschöpfter Dank auch von mir.

  • Danke für den Artikel, der wichtige Dinge benennt.



    Wichtig wäre auch, einen Blick auf die Perspektivlosigkeit des aktuellen israelischen Vorgehens zu werfen. Ich lese/ höre nirgendwo von einem Ziel, dass im aktuellen Krieg gegen die Hamas angestrebt wird. Sollte jetzt noch ein offener Krieg mit der Hisbollah dazukommen, sieht es finster aus. Legitimiert werden kann ein Krieg nur über seine Ziele ... wo keine genannt werden, bleibt nur das Töten von Menschen und die Legitimation geht verloren.

  • Nebenbei: In etlichen Beiträgen, auch in diesem, ist neuerdings häufig von „Linksidentitären“ die Rede. Bisher waren mir nur „Identitäre“ als nach rechts ausgerichtete Gruppen ein Begriff.



    Was sind die Übereinstimmungen und die Unterschiede zwischen „Linksidentitären“ und „Identitären“? Und was sind die Übereinstimmungen und die Unterschiede zwischen „Linksidentitären“ und „Linken“?



    Es wäre hilfreich gewesen, der Autor hätte eine (leichtfassliche) Definition gebracht. Aber vielleicht tut es jemand aus seinem Kollegenkreis. Ich entschuldige mich für meine Unwissenheit!

    • @Pfanni:

      Auch wenn ich da ebenfalls dünner Laie bin, würde ich mal ein Beispiel konstruieren wollen. Wenn jemand der Meinung ist, ein Mensch müsste bevorzugt behandelt werden, weil andere Menschen, die diesem Menschen ähnlich sehen, benachteiligt werden, so würde ich ihn als "Linksidentitären" bezeichnen.



      Zugehörigkeit zu einer Gruppe, insbesondere mit gemeinsamen äußerlichen Merkmalen als wichtigste Eigenschaft eines Menschen zu definieren ist allgemein "identitär".



      Sieht man sich und seine eigene Gruppe mit gemeinsamen äußerlichen Eigenschaften - früher Rasse genannt - als höherwertiger an als andere Gruppen, so ist man Rassist.



      Soweit meine Vermutung...

  • Danke, der Artikel ist sehr fundiert. Ich halte diese Idee, Politik wie ein Fußballspiel zu betreiben "Team Palastine" vs. "Team Israel" und diese dann automatisch als die Guten bzw. Bösen zu qualifizieren für fehlgeleitet.



    Besser für Prinzipien einzustehen: Menschenleben, Gerechtigkeit für alle. Und das heißt: "Zwei-Staaten-Lösung". Israels Existenzrecht darf NIEMALS in Frage gestellt werden. Eine Minderheit, die immer wieder ermordet und verfolgt wurde, benötigt einen eigenen Staat.



    Und die Palästinenser brauchen einen eigenen Staat.



    Und beide Staaten müssen - wie Deutschland und Frankreich- lernen, gute Nachbarn zu sein. Eine Jahrhundertaufgabe.



    Die Nachfahren der vertriebenen Palästinenser müssen entschädigt werden. Extremisten beider Seiten sind der Feind beider Seiten. Hamas ist tatsächlich das Schlimmste, was den Palästinensern (und ja, natürlich auch den Israelis) passieren konnte.

    • @Kartöfellchen:

      "Die Nachfahren der vertriebenen Palästinenser müssen entschädigt werden".

      Und die Nachfahren der aus den arabischen Staten vertriebenen Israelis nicht?

      Und wer soll das bezahlen? Nur die Israelis? Tragen nicht auch die arabischen Staaten eine Mitverantwortung, weil sie eine Integration der vertriebenen Palästinenser vereitelt haben? Weil sie diese Masse an Hoffnungslosen lieber im Dreck sitzen ließen, damit sie sie umso leichter als Kanonenfutter für ihren Kampf gegen das "zionistische Gebilde" verheizen konnten?

      • @ PeWi:

        Exakt, die palästinensischen Erbflüchtlinge müssen von den arabischen Staaten entschädigt werden, die sie seit Generationen als Waffe gegen Israel missbrauchen.

    • @Kartöfellchen:

      Israel lehnt die Zwei Staaten Lösung ab. Und selbst wenn die UN Palestina als Land anerkennt, etwas was bereits über hundert andere Länder machen, würde dies nicht wirklich etwas an der Expandierung der Westbank ändern.

      • @Jessica Blucher:

        "Israel lehnt die Zwei Staaten Lösung ab."



        Die einzige Seite, die über die Jahrzehnte hinweg vorgeschlagenen Zwei-Staaten-Lösungen abgelehnt hat, ist die palästinensische. Ich habe nicht gehört, dass sich das geändert hätte.

      • @Jessica Blucher:

        "Israel lehnt die Zwei Staaten Lösung ab."



        Einfach nur: falsch. Netanyahu und seine rechtsradikalen Verbündeten ja, aber die sind nicht Israel. Vor allem sind es die palästinensischen Repräsentanten aller möglichen Couleur, die von Anbeginn an zwei friedlich koexistierende Staaten ablehnen und jeden Weg, der in diese Richtung führen könnte, torpedieren. Sie wollen das ganze Land für sich. Sie wollen keine Juden.

      • @Jessica Blucher:

        Israel lehnt aktuell MIT KNAPPER MEHRHEIT eine Zwei-Staaten-Lösung ab. Die Mehrheit der Palästinenser, die das auch tut (sich nur eine völlig andere Ein-Staaten-Lösung vorstellt), ist um Einiges deutlicher. Und was die allermeisten Israelis mit den Palästinensern anstellen wollen würden, wenn es bei ihrer Version der Ein-Staaten-Lösung bleiben sollte, dürfte um Welten milder sein, als was umgekehrt in den Palästinensergebieten und nicht wenigen Nachbarstaaten an Plänen für die Israelis dominiert. Fragt sich also, wer sich hier weiter zu bewegen hat.

        • @Normalo:

          Es gab noch keine israelische Regierung, die ein Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat anerkannt hätte. Selbst Rabin versprach bei der Ratifizierung der Oslo-Abkommen vor der Knesset, dass diese nicht zu einem palästinensischen Staat führen würden. Wo also ist die Fast-Mehrheit für eine Zweistaatenlösung?

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Er (Netanyahu) und seine rechtsradikalen Koalitionspartner haben durch militärische und politische Unachtsamkeit überhaupt möglich gemacht, dass am 7. Oktober nicht nur Hamas-Kader, sondern hinter ihnen einfallend Zivilbewohner des Gazastreifens auf israelisches Staatsgebiet mordend und schlachtend einfielen, Wehrlose massakrierend.""

    ==



    Der erste Artikel in der Bundesrepublik den ich lese der zumindest einen leisen vorsichtigen Hinweis bietet wo die Probleme in Gaza liegen.

    Wer in Gaza ist denn immer noch ""ziviler Bewohner"" -- nach 16 Jahren brutaler Hamas Diktatur?

    2.. Was hat die Bundesrepublik und andere in Gaza eigentlich finanziell unterstützt? - warum ist es niemandem aufgefallen - trotz mehrer Kriege - das Gaza mit milliardenschwerer Unterstützung von aussen in eine Terrorfestung verwandelt wurde?

    3.. Faktisch war es wohl so, das die Netanjahu Regierung komplett versagt hat - weil sie sämtliche Warnungen vor dem 7. Oktober nicht beachtet hat. Nur sollte das schwer wiegende Versagen eine Angelegenheit sein deren Konsequenzen die Israelis zu entscheiden haben.

    Die internationale Gemeinschaft, welche die Terrorfestung Gaza länger als ein Jahrzehnt mit riesigen Summen unterstützte -- hat sich auch nicht mit Ruhm ""beklekkert"" - weil sie anscheinend nicht sehen wollten, was sich da eigentlich in Gaza entwickelt. .

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Das Versagen finde ich aber für eine Diskussion der Situation auch über Israel hinaus schon relevant: Die doch sehr hohen Opferzahlen und das Ausmaß an Leid werden ja immer wieder durch den Verweis auf das Recht, sich selbst zu verteidigen, legitimiert. Auch wenn man das Vorgehen von Staaten und Individuen nur begrenzt vergleichen kann, finde ich die Kriterien für Notwehr auch für die Beurteilung der staatlichen Selbstverteidigung ganz interessant. Dabei sollte übermäßige Gewalt vermieden werden und das setzt eine Beurteilung der nötigen Gewalt und eventueller milderer Mittel voraus.



      Dass über Netanyahu Bargeldlieferungen aus Katar zur Hamas erfolgten, Warnungen vor einen Angriff ignoriert wurden und Soldaten zum Schutz illegaler Siedlungen ins Westjordanland beordert wurden, ist insofern relevant als dass zu prüfen wäre, ob Israel, wenn es diese Fehler in Zukunft vermeidet, die eigene Sicherheit gewährleisten könnte ohne dabei so viel Leid bei der Zivilbevölkerung zu verursachen. Als Ausgangspunkt für einen nachhaltigen Friedensprozess wäre das möglicherweise besser.



      Immerhin bekennen wir uns ja zu Israels Recht auf Selbstverteidigung, nicht auf Rache.



      Man kann meine Argumentation Vorsicht widerlegen, aber diskutieren sollte man sie statt diese Punkte als israelische Interna aus der Debatte auszuschließen.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Zunächst einmal muss man sagen, dass die Hamas direkt oder indirekt kein Geld aus Europa durch souveräne Staaten erhalten hat. Das ist auch der Grund warum Israel dies ebenso wenig erwähnt. Die Hamas hat andere Kriegstreiber und Terrorfinanzierer. Allein durch die Schmugglertunnel (die eben auch nicht nur für Kriegsgeräte verwendet werden) konnte die Hamas genug Geld abziehen. Diese stetige und trotzdem unwahre Behauptung wir der westen hätten das finanziert ist somit falsch. Israel hatte diese ca. 1-2 Jahre nachdem die Hamas die Macht in Gaza festigen konnte mal erwähnt (als sie den Putschversuch von Al-Aqsa-Br. und der Fatah zuvorkam und seinerseits viele Unterstützer der Fatah inhaftierte, tötete (von Häusern warfen) oder andersweitig loswurde), innerhalb weniger Stunden hatten die EU damals alle Transfers an die Palästinenser gestoppt. Wenige Tage später konnte nichts gefunden werden, es wurden neue Prozesse etabliert, das die entsprechenden Organisationen in Gaza das Geld aus Ramallah erhalten. Dies wird bis zum heutigem Tage so durchgeführt. Also bitte keine weiteren Lügen verbreiten.

      • @Chris Ehl:

        "...innerhalb weniger Stunden hatten die EU damals alle Transfers an die Palästinenser gestoppt. Wenige Tage später konnte nichts gefunden werden, es wurden neue Prozesse etabliert, das die entsprechenden Organisationen in Gaza das Geld aus Ramallah erhalten. Dies wird bis zum heutigem Tage so durchgeführt. Also bitte keine weiteren Lügen verbreiten."



        Es ist ganz simpel. Jeder Cent, der von außen für Infrastruktur bezahlt wird, muss nicht von Hamas-eigenem Geld bezahlt werden und kann für militärische Aufrüstung benutzt werden. Und wurde auch, wie wir bewundern durften und dürfen. Insofern ist es eine Lüge, wenn gesagt wird, Unterstützungsgelder würden nicht für die Aufrüstung gegeben. Direkt nicht, indirekt nimmt es den finanziellen Druck von der Frage, ob Geld für Aufrüstung da ist.



        Dies zu negieren, ist wiederum unredlich.

  • Kommentar entfernt. Bitte belegen Sie Ihre Behauptungen mit Quellen. Danke, die Moderation

    • @Chris Ehl:

      Danke! Mir lag das Gleiche auf der Zunge.

  • Danke, Herr Feddersen, für diesen Kommentar, der ein wenig Klarheit und Differenzierung in die Debatte bringt. Und ja, man kann/muss hinsichtlich der israelischen Besatzungspolitik in den Westbanks von apartheit-ähnlichen Strukturen sprechen - so wie Sie das tun -, ohne einer „Israel-Kritik“ das Wort zu reden, die in letzter Konsequenz, ob gewollt oder unbeabsichtigt, einem eliminatorischen Antisemitismus das Wort redet.



    Die Empörung über das unerträglich arrogante, menschenverachtende rassistische Auftreten jüdischer Siedler im Westjordanland hat dabei genauso seine Berechtigung wie die über postkoloniale Linke hierzulande, die den barbarischen Hamas-Terror noch als „Befreiungskampf“ hochstilisieren.

    • @Abdurchdiemitte:

      die Empörung über die besagten Siedler hält sich aber doch sehr in Grenzen u wirkliche Sanktionen oder überhaupt Sanktionen gab es nicht und stehen leider nicht zu erwarten; Nicht mehr als Lippendienst also. Selbst Boykottaufrufe gg Produkte dieser Siedler oder bloße Kennzeichnung, werden rasch, "kauft nicht bei Juden", ins antisemistische Eck gerückt. Gleichzeitig werden die Palästinenser an der ausgestreckten Hand verhungern gelassen. Aber Hauptsache im geläuterten Dtl kann man sich moralisch rein fühlen (nur in einem Land in dem zunehmend geistig überforderte den Diskurs anführen verständlich).

      Solange diese Diskrepanz zw. "Kritik" an dieser "protofaschistischen" Regierung (Susan Neiman) und fehlenden Sanktionen/ politischem Druck nicht aufgelöst wird, wird sich der Konflikt nur weiter vertiefen, auch innerhalb der jüdischen Gesellschaft -- Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen. Und das saubere Dtl im Tross der amerikan. Politik wird daran erhebliche Mitschuld tragen. Wem diese Voraussicht fehlt, wer die Zeichen nicht sieht, die ja wohl inzwischen überdeutlich sind (Justizreform; religiöse werden demographisch bald die Mehrheit sein) hat sich mit Israel einfach noch nicht wirklich befasst, sondern hat maximal die Friedefreudeeierkuchen-Propaganda inhaliert und nachgekaut u all die Störfaktoren bleiben unverstanden.

      • @ingrid werner:

        "(...) Gleichzeitig werden die Palästinenser an der ausgestreckten Hand verhungern gelassen. (...)"



        Bezüglich der Siedlungsaktivitäten in der Westbank ist so einiges nicht ganz sauber, das ist richtig.



        Aber diese Aussage ist nun wirklich Unsinn. Derartig viel Geld, was über die Jahrzehnte in die palästinensischen Gebiete gepumpt wurde, da träumen andere Regionen nur von. Dazu der Sonderstatus in der Flüchtlingsfrage, der einzigartig auf der Welt ist... nein. Dass die Palästinenser 'verhungern', liegt sicher nicht an mangelnder Unterstützung.

    • @Abdurchdiemitte:

      Man kann sich sicher über beides empören.

      Nur muss man sich fragen wie das Verhältnis zwischen beiden Missständen ist, ob es dabei überhaupt eine Kausalität gibt.

      Ich meine, die Hamas will, völlig unabhängig von der israelischen Besatzungspolitik oder dem Rassismus der isr. Siedler, Israel vernichten und die Juden aus dem Nahen Osten vertreiben.

  • Niels Boeing , Autor ,

    Sehr richtig, Jan!

  • Viele Dank für diesen klugen Kommentar.

    das Wort Mini-Holocaust - halte ich für unangebracht, da es die Tür zur Relativierung des Holocausts öffnet.



    Ich verstehe nicht, warum dieses barbarische Massaker mit dem industriellen Massenmord der Nazis ins Verhältnis gesetzt werden sollte.

    Abgesehen davon ist es einer der klügsten Kommentare, die ich in den letzten Wochen zu diesem Thema gelesen habe.

    Danke

    • @Christoph Buck:

      Ja, das habe ich mir auch mit einem Lächeln gedacht, als ich es vor Wochen hörte. Mit einem Lächeln, weil es pikanterweise ja nicht von einem antisemitischen Deutschen stammt, sondern von einem Israeli.

    • @Christoph Buck:

      Nein, es ist eben _keine_ Relativierung der Shoa wenn das brutale Massaker vom 7.10. als „Mini-Holocaust“ bezeichnet wird! Denn der nationalsozialistische Massenmord war keineswegs immer industriell, oft war es einfach nur ein bestialisches Abschlachten mit primitivsten Mitteln.

      • @Saile:

        Aber müsste man dann nicht auch zahlreiche andere ähnlich scheußliche Taten (z.B. in Srebrenica) als Mini-Holocaust bezeichnen? Und würde der eigentliche Holocaust sich nicht einreihen in eine lange Reihe fürchterlicher Taten und damit eben doch relativiert werden?

        • @Iguana:

          Im allgemeinen wird unter Holocaust der Massenmord an Juden und Jüdinnen verstanden, dies war in Srebrenica nicht der Fall.

      • @Saile:

        Der Holocaust wird dadurch ins Verhältnis gesetzt.

        Wenn du dir einreden willst, dass es das nicht tut, dann lass dich nicht aufhalten.

        • @Christoph Buck:

          Natürlich kann auch der Holocaust ins Verhältnis gesetzt werden, die Bezeichnung „Mini-Holocaust“ ist ja bereits eine Verhältnismäßigkeit. Eine passende, wie ich finde, da seit der Shoa noch nie so viele Juden und Jüdinnen an einem einzigen Tag ermordet wurden wie eben am 7.Oktober.

      • @Saile:

        Das ist richtig, jedoch ist aus den historischen Quellen das permanente Bemühen der Nazis ersichtlich, den Völkermord an den Juden immer „effizienter“ zu gestalten und es somit den Tätern „leichter“ zu machen (es fällt schwer, diese Motive und das tatsächliche Geschehen überhaupt in angemessene Worte zu fassen). Insofern kam die fortschreitende „Industrialisierung“ des Massenmordes sicherlich dem Endziel der totalen Vernichtung der europäischen Juden sehr nahe. Dazu gehört auch eine ausgeklügelte Arbeitsteilung: diejenigen, die den Holocaust an Schreibtischen planten, waren nicht diejenigen, die die Opfer nach Auschwitz deportierten. Und diese waren nicht diejenigen, die die Menschen in die Gaskammern schickten. Beteiligt und also mitschuldig waren aber alle.



        Und spätestens seit dem Eichmann-Prozess wissen wir, dass die persönliche, freiwillige Einordnung in diese NS-Mordmaschinerie nicht unbedingt dem Motiv des blindwütigen Judenhasses entspringen musste, sondern recht unterschiedlichen Motiven. Zuweilen war es nur stumpfer Gehorsams- und Unterordnungsgeist. Die Banalität des Bösen eben

    • @Christoph Buck:

      Die Kritik an der Bezeichnung des Hamas-Terrors als Mini-Holocaust teile ich. Der Begriff fiel ja im taz-Interview mit Herrn Shalicar vor kurzem, darauf bezog ich Jan Feddersen und stimmte dem zu.



      Ich bewerte diese fragwürdige Kontextualisierung mit dem Holocaust als einen Versuch, angesichts der barbarischen Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober etwas in Worte zu fassen, was eigentlich unbeschreiblich und unaussprechlich ist - das schreckliche Ausmaß an Hass, Gewalt und Perversion, das in diesen Taten zum Ausbruch kam. Und leider ist es nicht beispiellos in der Weltgeschichte seit Ende des WK2 und der Shoa.



      Trotzdem bleibt der Vergleich/die Gleichsetzung falsch, auch wenn Herrn Shalicar und mit ihm Herrn Feddersen gewiss nicht der Versuch einer Relativierung der NS-Menschheitsverbrechen zu unterstellen ist.

      • @Abdurchdiemitte:

        Versteht man es nicht von der deutschen, sondern von der israelischen Position aus, wird es vielleicht etwas nachvollziehbarer (ohne dass wir hier uns das ungute Gefühl bei dem Begriff verkneifen sollten). Ich kann nicht behaupten, es am eigenen Leib zu spüren, aber erklären kann ich es mir so: Das Gefühl, vor bestialischer, genozidaler Gewalt in Israel einigermaßen sicher zu sein, einen halbwegs stabilen "Nie wieder"-Punkt erreicht zu haben, bekam an diesem Tag einen Tritt in die Kniekehle. Die Massaker brachten die alte, von der Shoa auf ewig (oder nur unwesentlich kürzer) in das Bewusstsein eingeimpfte, Angst wieder hervor, als Jude schuldunabhängig ein allgegenwärtiges Fadenkreuz auf der Stirn zu tragen und nie vor Jenen sicher zu sein, die Juden einfach nur töten wollen. Die Holocaust-Assoziation - wohlgemerkt mit dem das Verhältnis schon etwas geraderückenden Zusatz "Mini-" - erscheint mir daher schon sehr verständlich - zumal wenn man bedenkt, dass nicht einmal im Jom-Kippur-Krieg, der Israel wirklich in seiner Existenz gefährdete, an keinem Tag so viele Juden so abgeschlachtet wurden wie von der Hamas am 7. Oktober.

        Sie und ich müssen uns diese Terminologie sicher nicht zueigen machen. Aber erkennen, warum man in Israel darauf kommen kann sie zu verwenden, ohne dabei den Holocaust im geringsten relativieren zu wollen, können wir vielleicht schon.

  • Danke für die klaren Worte!

    Eine kleine Ergänzung: Im Nachgang der israelischen Staatsgründung vertrieben oder ermordeten die meisten arabischen Staaten ihre jüdischen Minderheiten, die z.B. im Irak seit 2500 Jahren lebten. Die Judenfreiheit, die heutzutage in den meisten arabischen Staaten herrscht wäre der feuchte Traum der deutschen Nazis gewesen.