Afghanistan-Politik der Linkspartei: Die Prinzipienreiter
Die Linke kann sich nicht durchringen, für eine Evakuierung von Zivilisten zu stimmen. Das sagt viel aus.
V on der CSU bis zu den Grünen haben alle staatstragenden Parteien zwei Jahrzehnte lang an das gute Ende in Afghanistan geglaubt. Das war eine Illusion. Die Intervention des Westens endete wie im Irak und Libyen in einer Katastrophe. Die Lehre aus dem Debakel in Kabul ist klar: Die Idee, mit Gewalt Demokratie zu exportieren, ist gescheitert.
Nur die Linkspartei war stets immun gegen die Verheißungen des Demokratieexportes. Sie hat immer gegen diesen Krieg gestimmt – und lag damit richtig. Dieses Nein war auch für die Demokratie wichtig. Ein Parlament, das unisono einen Krieg befürwortet, den viele BürgerInnen ablehnten, hätte eine Repräsentationslücke gehabt. Blamiert sind nun all die Realpolitiker. Blamiert ist die Regierung, die noch vor ein paar Wochen tönte, dass die Taliban Kabul, wenn überhaupt, erst in Monaten erobern würden. Linkspartei und Grüne forderten im Juni die rasche Rettung der Ortskräfte. Außenminister Maas wusste es besser.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit über Moral und Kompetenz der Linkspartei. Ihr Nein zum Krieg war klug, die Gründe für dieses Nein waren es nur zum Teil. Manche treibt ein legitimer Antimilitarismus an. Doch vor allem der linke Flügel um Sevim Dağdelen, der außenpolitisch den Ton angibt, hängt einem ideologisch ausgehärteten Antiimperialismus an, in dem die USA immer die Bösen sind. So hat sich die Linkspartei außenpolitisch in einer Trutzburg eingerichtet, die gegen die verstörende Wirklichkeit der multipolaren Welt abgedichtet ist.
Deshalb bringt es die Linkspartei nun fertig, den Bonus, die Abgründe dieses Krieges klar gesehen zu haben, eigenhändig in einen Malus zu verwandeln. Am Mittwoch wird der Bundestag der Regierung rückwirkend das Mandat erteilen, mit Bundeswehrflugzeugen Zivilisten aus Kabul zu retten. Das ist, angesichts der Todesangst, die bei vielen in Kabul herrscht, schlicht selbstverständlich. Doch die Linksfraktion wird sich enthalten. Zustimmen will sie nur, wenn die Bundeswehr, ohne Waffengewalt anzuwenden, Deutsche und Afghanen gleichberechtigt rettet. Eigentlich würde man lieber das THW nach Kabul schicken.
Die Linkspartei wirkt wie jemand, der es immer besser weiß und der, während das Haus in Flammen aufgeht, erstmal einen Arbeitskreis zum Brandschutz gründen will. Dass SPD und Grüne angesichts dieser Prinzipienreiterei wenig Vertrauen in die außenpolitische Handlungsfähigkeit einer Rot-Grün-Roten Regierung entwickeln, ist nachvollziehbar. Die Vernünftigen in der Linkspartei beteuern, dass eine Enthaltung – und kein Nein – für die Fraktion doch ein Schritt nach vorne ist. Das macht es fast noch schlimmer.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart