Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Schädelfotos der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan sollten in hoher Auflage in allen Fraktionen kursieren, wenn wieder die Abschaffung der Wehrpflicht propagiert wird: Sie zeigen, wie eine reine Berufsarmee aussähe

Das verbliebene beste Argument für die Wehrpflicht sind die Einsätze von Zivildienstleistenden auf internationalen Soldatenfriedhöfen

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Mischung aus Nostalgie und Ratlosigkeit beim großen Nachdieseln der Rampensau Schröder.

Was wird besser in dieser?

Ausführlicher Tourplan des Alt-und-Spaltkanzlers verspricht weiter Entertainment.

Haben Sie die Fotos, die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit Schädeln zeigen, überrascht?

Ja. Und noch mehr hat mich überrascht, dass mich das überraschen kann.

Muss man aus den Fotos Konsequenzen ziehen? Welche?

Sie sollten in hoher Auflage in allen Fraktionen kursieren, wenn wieder die Abschaffung der Wehrpflicht propagiert wird. Nachdem auch hohe Offiziere schlechten Sold, gesellschaftliche Verrohung, seelische Überforderung und morbide Faszination des Grauens als Erklärungen heranführen, kann man sich nun anschauen, wie eine reine Berufsarmee aussähe und was man mit ihr alles anstellen kann. Auch zur Abstimmung über Schäubles „Einsätze der Bundeswehr im Inneren“ sind Belege über die typische Dynamik von Soldateska hilfreich. Das verbliebene beste Argument für die Wehrpflicht sind die Einsätze von Zivildienstleistenden auf internationalen Soldatenfriedhöfen.

Aber ist die Anwesenheit der Bundeswehr im Norden Afghanistans nicht sinnvoll?

Ich weigere mich auch weiterhin, an einer nationalen Gewissensprüfung – „Stellen Sie sich vor, ein Taliban bedrohe im Stadtpark Ihre Freundin, und Sie hätten zufällig eine Waffe dabei“ – teilzunehmen.

Die Linkspartei will die Beendigung aller „out of area“ Einsätze der Bundeswehr. Ist das, zum Beispiel im Kosovo oder in Bosnien-Herzegowina, verantwortbar?

Ich will da niemandem zu viel der Ehre antun, aber – bei solchen Gelegenheiten schießt mir immer der Satz des KPD-Abgeordneten Max Reimann bei der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 durch den Kopf: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, dass wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben.“ Darauf kann sich die Linkspartei, da sie sich nicht als kommunistisch versteht, ohnehin kaum berufen. Ich freue mich schlicht, dass irgendjemand nicht in die Falle geht, die heikle Beendigung solcher Einsätze zu problematisieren. Sondern ihren Beginn.

Deutschland hat kein klares militär- und außenpolitisches Konzept. Die Entscheidungen fallen eher ad hoc. Wie sollte deutsche Außenpolitik sein? Stärker von deutschen Interessen geleitet? Defensiver? Oder ganz anders?

Im Geiste der Verfassung sind Auslandseinsätze kaum machbar, zumal dort eine Wehrpflichtarmee vorgesehen ist, die im Ernstfall das Recht jedes Einzelnen vorsieht, auch vor der eigenen Verrohung wegzulaufen. Schon das Grundgesetz, und zumal die kriegsabgewandte Haltung der Bevölkerung erlegt der deutschen Außenpolitik auf, auf eine UN-Armee hinzuwirken. Natürlich wird eine polizeiähnliche Truppe unter dem Oberbefehl des UN-Chefs nur im kleinsten gemeinsamen Nenner handeln können – und natürlich wäre mit der z. B. kein Irakkrieg möglich gewesen. Je mehr Einsätze wir ohne klare völkerrechtliche Grundlage mitmachen, desto mehr verringern wir den Druck auf alle anderen, militärische Abenteuer zu vermeiden.

Kurt Beck hat in der Zeit die linksliberalen Freiburger Thesen der FDP von 1971 gelobt. Ist sozialliberal eine echte Möglichkeit? Gibt es wirklich Gemeinsamkeiten zwischen, sagen wir, Ottmar Schreiner und Guido Westerwelle?

Einen ungünstigeren Zeitpunkt, die weit hinaus getriebene FDP an ihren früheren Ankerplatz zu erinnern, kann es ausweislich der Umfragen kaum geben: an die 15 Prozent dafür, sich bei keiner Meinung erwischen zu lassen. Gerhart Rudolf Baum erinnert in seiner Antwort bei „Spiegel online“ an allerlei Folterwerkzeuge der Freiburger Thesen für heutige Neoliberale: namentlich beim Umweltschutz, bei Mitbestimmung und Teilhabe. Nächste Woche wird Guido Westerwelle, ebenfalls in der Zeit, antworten; die Ehre also, das Freiburger Jubiläum nicht sicherheitshalber komplett vergessen zu haben, gebührt vermutlich – Journalisten.

Am Donnerstag entscheidet der Bundesgerichtshof über die Klage von Serben gegen den Bund wegen des Nato-Angriffs auf das serbische Varvarin. Wie soll er entscheiden?

Der Angriff zweier Nato-Flugzeuge auf die Brücke des Örtchens 1999 tötete 10 Menschen und verletzte 17 schwer. Die Klage ist in allen Vorinstanzen gescheitert, gerade weil sie die Kernfrage stellt: Trägt Deutschland, auch wenn es keine deutschen Flieger waren, im Rahmen seiner Nato-Teilhabe Verantwortung ? Erklärt auch dieses Gericht sich wieder für unzuständig, schuldet es den Opfern also eine Adresse für eine fundiertere Klage.

Und was macht Borussia Dortmund?

Ricken kommt in der 82ten und verletzt sich in der 90ten auf unbestimmte Zeit. Wir machen das ganze Pechkonto in der Hinrunde leer, und in der Rückrunde sollt Ihr dann mal sehen.

FRAGEN: SR