Kanzlerkandidatur von Robert Habeck: Einen Besseren haben sie nicht

Viel gehasst, mit Hang zur Selbstverliebtheit: Robert Habeck ist kein perfekter Kanzlerkandidat. Dennoch ist es gut, dass Baerbock ihm den Vorzug lässt.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hält eine Tasche.

Hat die Schlüsselkompetenz, den richtigen Ton zu treffen: Robert Habeck, der vermütlich nächste Kanzlerkandidat der Grünen Foto: Liesa Johannssen/reuters

CDU-Chef Friedrich Merz, der so gern gegen die Grünen holzt, dürfte Robert Habeck in diesen Tagen beneiden, ein bisschen zumindest. Der Wirtschaftsminister wird Kanzlerkandidat der Grünen. Das ist zwar nicht formal besiegelt, steht aber fest, seit Annalena Baerbock verkündet hat, nicht länger um den Job zu kämpfen. Man kann ihr Vorgehen elegant nennen, wie in dieser Zeitung geschehen. Man kann aber auch von einer gehörigen Portion Hybris sprechen, ihre einsame Entscheidung via CNN am Rande des Nato-Gipfels öffentlich zu machen. Zumal die Chancen der beiden dieses Mal nicht ausgeglichen waren, sondern es ohnehin auf Habeck zulief.

Aber das ist letztlich unwichtig: Mit Baerbocks Interview haben die Grünen, wie schon vor der letzten Bundestagswahl, das Thema ohne viel öffentliches Gezerre abgeräumt – ein innerparteilicher Machtkampf samt möglicher aufreibender Mitgliederbefragung bleibt aus. Ob die Union das hinkriegt, ohne ein Drama wie vor vier Jahren zu wiederholen, muss sie erst noch unter Beweis stellen.

Für die Grünen ist das richtig und gut. Alles andere hätte die ohnehin gebeutelte Partei noch geschwächt. Das Ergebnis der Europawahl war schlecht, die jungen Wäh­le­r*in­nen laufen den Grünen weg, unter ihnen kam die Partei gerade mal auf 11 Prozent – das ist Kernklientel. Ihr Ziel, das „Ausgreifen“ auf weitere Wähler*innengruppen, ist erst einmal gescheitert. Schlimmer noch: Laut Umfragen können sich immer weniger Wäh­le­r*in­nen vorstellen, überhaupt je für die Grünen zu stimmen.

Überhhöht und Geschreddert

Klar, das liegt an der Weltlage, an einer von vielen Krisen ermüdeten Gesellschaft und an schwierigen Kompromissen in der Koalition. Aber eben auch an hausgemachten Fehlern wie bei Habecks Heizungsgesetz und Lisa Paus’ Kindergrundsicherung, die von der Grünen selbst erst überhöht und dann von der Koalition geschreddert wurde.

Wie sie da rauskommen, darüber herrscht parteiintern Ratlosigkeit, auch wenn so mancher Realo jetzt Realozeugs sagt und manche Linke Linkes zu bedenken gibt. Verwunderlich ist das nicht. In der Mitte die Popularität mittels Kompromissbereitschaft und Dialog zu erhöhen und dabei die Kern­wäh­le­r*in­nen nicht zu verschrecken, gleicht schon in guten Zeiten einer Quadratur des Kreises. Leider sind die Zeiten gerade nicht gut.

Und das soll jetzt ausgerechnet der mitunter selbstverliebte Robert Habeck richten, der manchmal zu schnell Kompromisse eingeht, schwere Fehler machte und verhasst in Teilen der Gesellschaft ist? Einen besseren dafür jedenfalls haben die Grünen nicht. Habeck hat die Schlüsselkompetenz, den richtigen Ton zu treffen, und er steht für das entscheidende Thema: Klima.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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