Impfpflicht in Gesundheitsberufen: Eine Art Berufsverbot

Die Ampel will, dass sich alle Beschäftigten in der Pflege bis Mitte März impfen lassen. Doch was passiert, wenn sich weiter viele weigern?

Handschuh-Hand setzt Spritze in Oberarm

Pfle­ge­r:in­nen und Ärz­t:in­nen sollen bis 15. März geimpft sein – oder nicht mehr arbeiten dürfen Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Bundestag wird am Freitag eine Impfpflicht für medizinische Einrichtungen und Pflegeheime beschließen. Sie soll ab dem 15. März gelten. Wenn Beschäftigte bis dahin nicht nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind, dürfen sie nicht mehr in diesem Bereich arbeiten. Die Mehrheit für den Gesetzentwurf der Ampel ist sicher, nur die AfD ist gegen diese „einrichtungsbezogene Impfpflicht“.

Zwar wird über das Projekt schon lange diskutiert, bisher wurde es aber immer abgelehnt, zuletzt auf der Gesundheitministerkonferenz Ende November. Zentrales Argument: Es sei für Kliniken und Heime nichts gewonnen, wenn die ungeimpften Pflegekräfte einfach nicht mehr zum Dienst erscheinen.

Was bisher als überzeugendes Argument galt, spielt nun plötzlich keine Rolle mehr. In der Bundestagsdebatte am Dienstag sprach niemand dieses Problem an – so als ob es durch Verschweigen bereits gelöst wäre.

Vor allem in Pflegeheimen sind die Impfquoten nach wie vor nicht zufriedenstellend und liegen im Schnitt laut RKI bei 82 Prozent. Allerdings gibt es auch Einrichtungen, vor allem in Sachsen, bei denen deutlich weniger als die Hälfte des Personals geimpft ist.

Eine Art Berufsverbot

Sicher wird die Impfquote durch die geplante Impfpflicht etwas steigen, weil ansonsten ja eine Art Berufsverbot droht. Andererseits ist die Renitenz der Impf­geg­ne­r:in­nen so groß, dass sich viele aus tiefer Überzeugung oder aus Trotz weiter verweigern werden. Ein Großteil von ihnen lebt inzwischen in einer ganz eigenen Welt, sie glauben an ungeheure Impfgefahren und manche halten die Pandemie sogar für das aufgebauschte Konstrukt einer kommenden Impfdiktatur.

Wenn am Ende zehn Prozent der Pflegekräfte von Altenheimen ungeimpft bleiben, sind das immerhin bundesweit 70.000 Personen. Auf all diese Menschen können die ohnehin knapp ausgestatteten Pflege-Einrichtungen nicht so einfach verzichten. Und eine so große Zahl von Pfle­ge­r:in­nen kann auch nicht einfach ersetzt werden, schon gar nicht von heute auf morgen. Selbst ein Noteinsatz der Bundeswehr könnte da nichts ausrichten. Beim Katastrophen-Hochwasser im Sommer leisteten 850 Sol­da­t:in­nen für einige Tage Amtshilfe in der Not.

Im März muss die Politik dann also abwägen, ob sie die Pflege durch den Rausschmiss aller ungeimpften Pflegekräfte gefährden will oder ob sie zum Schluss kommt, dass ungeimpfte Pflegekräfte immer noch besser sind als fehlende Pflegekräfte. Pragmatischerweise wird sich die Politik dann für zweiteres entscheiden – zumindest bei den Pfleger:innen, die Corona ernst nehmen und bereit sind, sich und andere durch Masken und Tests zu schützen.

Massenkündigung verhindern

Im Moment ist die Ampel-Koalition aber offensichtlich entschlossen, den Versuch einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht zu wagen. Und letztlich ist jede Erhöhung der Impfquote in Einrichtungen mit hoch gefährdeten alten, kranken und behinderten Menschen zu begrüßen, weil dies den Schutz vor einer Covid-Infizierung erhöht.

Zum Glück hat die Politik nun ja auch noch drei Monate Zeit, sich Gedanken zu machen, wie sie die Massenkündigung ungeimpfter Pflegekräfte im März verhindern kann. Denkbar ist etwa, dass der Stichtag 15. März aus pragmatischen Gründen immer wieder um einige Monate verschoben wird – bis die Pandemie letztlich vorüber ist.

Vermutlich bringt die Omikron-Variante aber ohnehin alle heutigen Impfpflicht-Pläne durcheinander, zum Beispiel wenn es im März einen neuen verbesserten Impfstoff gibt, bei dem es aber leider erstmal zu Lieferproblemen kommt.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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