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Foto: Theo Heimann

Ursprünge der ImpfskepsisEine deutsche Besonderheit

In deutschsprachigen Ländern herrscht Misstrauen gegenüber der Impfung. Das ist auf die Romantik zurückzuführen – aber auch auf Politikversagen.

E nde November schrieb der Verschwörungstheoretiker und AfD-Unterstützer Oliver Ja­nich, was die Notwehr angesichts der drohenden Impfpflicht seiner Meinung nach gebiete: „Jeder Mensch hat das Recht, einen Polizisten über den Haufen zu schießen, der einen zur Zwangsimpfung schleppt.“ Dazu postete er das Foto einer Pistole. Schließlich gehe es hier „um den größten Massenmord in der Geschichte der Menschheit“.

Janichs Telegram-Nachrichten abonnieren 160.000 Menschen, die Coronaproteste haben die Followerzahlen von Hetzern wie ihm explodieren lassen. Trotz der teils enormen Reichweite sind Menschen wie Janich auch unter den „Querdenkern“ eine Minderheit. Doch der Resonanzraum für Impf­angst, die zu befeuern sie sich zum Geschäftsmodell machen, ist groß. Und in deutschsprachigen Ländern ist dieser Raum größer als anderswo.

Beim Impfen stehen diese Länder weit hinten. Unter den 17 westeuropäischen Staaten waren Deutschland, Österreich und die Schweiz am 9. Dezember bei den zweitgeimpften Volljährigen auf den Plätzen 13, 16 und 17. Das Virus breitete sich hier zuletzt aus wie in nur wenigen anderen Regionen der Welt.

Woran liegt das? Gibt es etwas spezifisch Deutsches, das die Angst vor der Spritze erklärt? Als sich im November zeigte, dass die niedrige Impfrate mit einer besonders heftigen vierten Welle einhergeht, schrieb der Spiegel-Journalist Mathieu von Rohr, dies seien die „Spätfolgen der deutschen Romantik: Anthroposophie, Homöopathie, Impfgegnertum“. Eine Hochburg der Schwurbelei also, wo Spitzenforschung und Antirationalismus eng beieinander sind? Oder sind die Gründe banaler? Hat schlechtes politisches Handwerk der Impfkampagne den mageren Erfolg beschert?

Mit dem Falter in Wien und der WOZ in Zürich ist die taz der Frage nachgegangen, ob die Impfskepsis eine Folge der deutschen Geistesgeschichte ist. Die Antworten von Fachleuten aus Geschichtswissenschaft, Soziologie, Gesundheitspsychologie und Demoskopie zeigen: Den einen Grund für Impfskepsis gibt es nicht – ebenso wenig, wie es eine homogene Gruppe von Skep­ti­ke­rn gibt. Nicht alle Anthroposophen sind gegen die Impfung, nicht alle Impfgegner sind Esoteriker oder Rechts­ex­tre­me – auch wenn diese Gruppen die Proteste maßgeblich organisieren. Und: Neben historisch-kulturellen Faktoren sind auch ganz handfeste Gründe für die Impfmisere verantwortlich.

Der Journalist Andreas Speit, der auch für die taz schreibt, hat jüngst das Buch „Verqueres Denken – Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus“ herausgebracht. Es trifft einen Nerv: „Ich halte gerade ungefähr einen Vortrag pro Tag.“ Speit pflichtet von Rohrs These bei. Es gebe im deutschsprachigen Raum eine „klare geistesgeschichtliche Linie zwischen der Romantik und der Impfskepsis heute“, sagt er. In der romantischen Literatur sei „das Natürliche unglaublich verklärt und verabsolutiert“ worden. Bei Schiller etwa heißt es: „Selig muß ich ihn preisen, der in der Stille der ländlichen Flur, fern von des Lebens verworrenen Kreisen, kindlich liegt an der Brust der Natur.“ Der Dichter Novalis schrieb: „Der Poet versteht die Natur besser wie der wissenschaftliche Kopf.“

Das sind harmlose Sätze, keine Frage. Doch die Romantik habe – anders als in anderen Ländern – im deutschsprachigen Raum politischen Einfluss bekommen, sagt Speit. Sie beförderte eine Mystifizierung der Natur und Respiritualisierung des Denkens, die eine Distanz zur vermeintlich kalten Wissenschaft und sogenannten schulischen Medizin bewirken kann. Diese Position spitzte sich in der modernisierungskritischen Lebensreformbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts zu. Einer ihrer bekanntesten Vertreter: der österreichische Begründer der Anthroposophie und der Waldorf-Pädagogik, Rudolf Steiner.

Die Lebensreformer sehnten sich nach der Wiederherstellung eines Einklangs mit der Natur. Diese antimoderne Bewegung habe laut Speit „zu Recht die Moderne in ihren Auswüchsen kritisiert. Denn die wirkte sich damals ja tatsächlich dramatisch aus, etwa in Form des Börsencrashs und der Umweltzerstörung“. Doch eine Folge war eine „radikale Abkehr von der Aufklärung“.

Ein Antimodernismus also, für den die Entzweiung von Mensch und Natur nur als Werk eines äußeren Feindes vorstellbar ist. Bis heute werde das Versprechen der Moderne, mit Rationalität und Logik eine bessere Welt aufzubauen, deshalb „von der Rechten bekämpft“, sagt Speit. Sie halte gleichsam an der Vorstellung einer zu verteidigenden ursprünglichen Einheit von Volk und Natur fest.

Wie aber konnten Ideen aus dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart überdauern? Und sind sie mitverantwortlich dafür, dass in Thüringen heute „Gib Gates keine Chance“-Schilder an der Straße stehen, als wollten die Anwohner böse Geister vertreiben?

Die ehemalige Grünen-Politikerin und Soziologin Jutta Ditfurth erforscht die deutschen Esoteriker seit Jahrzehnten. Dass die Romantik hier politisch wirksam werden konnte, habe mit der Abwehr der aus Frankreich kommenden Aufklärung zu tun, sagt sie: „Die Aufklärung kam aus Frankreich und hatte große Mühe in Deutschland.“ Im 19. Jahrhundert sei das Land rückschrittlich und durch die Agrarwirtschaft geprägt gewesen. „Es ist heute schwer vorstellbar, wie sehr deutsche Eliten im ländlichen Raum die Aufklärung und die französische Revolution hassten.“

Zu diesen Eliten zählt auch Ditfurths eigene Verwandtschaft – großgrundbesitzender Adel aus Preußen. „Wenn ich Briefe meiner Verwandten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert lese, dann war ihr Schreckgespenst eine Revolution wie die französische, der Albtraum, als herrschende Klasse zu stürzen“, sagt Ditfurth. Diese Eliten hätten Deutschlands intellektuelle Entwicklung lange aufgehalten, auch wegen ihres Antisemitismus. So sei ein geistiges Klima entstanden, das auch die Wandervogel- und Lebensreformbewegung erfasst habe mit Wissenschaftsfeindlichkeit, Eugenik, Naturreligiosität, völkischem Denken. Ditfurth sagt, dass Mystizismus, Irrationalismus und Antisemitismus als reaktionären Anteile alternativen Denkens bis heute fortwirken. „Auch so kommt es zur Weitergabe von antisemitischen Bildern, die man tief im Mittelalter vergraben glaubte.“

Auch Speit verweist darauf, dass die Kritiker der Moderne diese schon sehr früh als „jüdisch“ begriffen und sich deshalb auch gegen die moderne, angeblich „jüdische“ Schulmedizin stellten. Der österreichische Publizist Christian Kreil führt den Begriff auf Samuel Hah­ne­mann, den Begründer der Homöopathie, zurück.

Die Nazis hatten in der Tat großes, auch wirtschaftlich bedingtes Interesse an Alternativmedizin. Reichsärzteführer Gerhard Wagner betonte 1933 die „Überlegenheit“ der Alternativmedizin gegenüber der „verjudeten Schulmedizin“. Um dieser die Homöopathie entgegenzusetzen, gründeten die Nazis 1935 die „Reichsarbeitsgemeinschaft Neue Deutsche Heilkunde“. Deren Mitglieder waren unter anderem der „Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte“, der „Reichsverband der Naturärzte“ und die „Vereinigung anthroposophischer Ärzte“. 1933 zeigt das NS-Propagandablatt Der Stürmer die Karikatur einer blonden Mutter mit Baby im Arm. Daneben steht ein „naturferner und verirrter Mediziner“ mit einer Spritze in der Hand. Mit der Hakennase des Arztes erfüllt die Karikatur klar antisemitische Klischees. Skeptisch blickt die Mutter auf den Mediziner: „Es ist mir sonderbar zumut, denn Gift und Jud’ tut selten gut.“

Im Zusammenhang mit Impfungen habe der Antisemitismus eine lange Geschichte, sagt der Medizinhistoriker Malte Thießen, der am Institut für Regionalgeschichte Münster und an der Universität Oldenburg forscht. Das Impfen werde teils als „Verschwörung einer Elite“ begriffen, die in den Körper eingreift.

Die bis heute anhaltende Ablehnung der „Schulmedizin“ sei „eine deutsche Besonderheit, die klar auf die Romantik zurückzuführen ist“, sagt An­dreas Speit. Man sehe dies etwa daran, dass es Heilpraktiker als staatlich geregeltes Berufsbild nur in Deutschland (NS-Heilpraktikergesetz von 1939) und Teilen der Schweiz gibt. Die alte Bundesregierung erwog die Abschaffung des Berufs, die Querdenker-Partei „Die Basis“ behauptet, die einzige Partei zu sein, die sich gegen die Abschaffung einsetze. „Die Menschen möchten frei entscheiden, welchen Therapeuten sie aufsuchen. Sie wünschen sich ein Miteinander von traditionellen und konventionellen, schulmedizinischen Therapien“, heißt es auf ihrer Website.

Jutta Ditfurth schrieb 1996 in ihrem Buch „Entspannt in die Barbarei“, die Esoteriker würden „ein Teil der Massenbasis künftiger faschistischer Bewegungen sein“. Damals hätten ihr alle gesagt: „ ‚Übertreib nicht.‘ “ Heute zeige sich die geistige Nähe. Waldorf-Pädagogen treten als Redner auf Querdenker-Demos auf. Der ehemalige Waldorf-Ausbilder Christoph Hueck etwa gilt als Vordenker der Szene. Der Bund der Freien Waldorfschulen allerdings distanziert sich ausdrücklich von ihm. Der Ulmer Waldorf-Lehrer Wilfried Kessler verglich als Demo-Redner Querdenker mit NS-Widerständlern. Anthroposophen seien heute eine „tragende Größe in der Corona-Querfront“, sagt Ditfurth.

Ist also eine jahrhundertealte ideologisch abgedriftete Liebe der Deutschen zum Wald daran schuld, dass heute Mil­lio­nen lieber eine lebensgefährliche Covid-19-Erkrankung riskieren, als sich impfen zu lassen? So einfach sei es natürlich nicht, sagt der Medizinhistoriker Thießen. „Man neigt dazu, in Schwarz-Weiß-Muster zu fallen: Impf­skeptiker werden schnell als rechte Aluhut-Spinner abgetan.“ Es gebe aber noch andere Motive.

Thießen unterscheidet elf Arten von Impfskepsis. Bei Weitem nicht alle ließen sich auf die Romantik zurückführen. Eine Rolle spiele etwa auch die starke liberale Tradition in Deutschland, wegen der in Preußen bis 1874 eine Impfpflicht abgelehnt wurde. „Es geht da auch um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: Wer bestimmt über den Körper?“, sagt Thießen.

Die Soziologin Nadine Frei von der Universität Basel hat mit ihrem Kollegen Oliver Nachtwey die Coronaproteste für die Böll-Stiftung untersucht. Frei spricht – ähnlich wie Thießen – von einem „libertären Freiheitsverständnis“ der Impf­geg­ne­r. Dieses hätten solche mit einem anthroposophischen Hintergrund ebenso wie ein bildungsbürgerliches Milieu, in dem Eigenverantwortung und Selbstbestimmung „fast schon absolut gesetzt“ werde.

An Waldorfschulen würde häufig gar nicht anthroposophisch argumentiert. Stattdessen heiße es: „Der Staat hat hier nichts zu suchen, das ist der Ort, den ich hier gestalte“, sagt Frei. „Das ist auch eine Motivation von Eltern, die ihre Kinder auf Waldorfschulen schicken: die selbstbestimmte Struktur.“ Die dominierende Einstellung, „der Staat habe einem nichts zu sagen“, könne sich vor allem die Mittelschicht leisten: „Wenn ich schön in meinem Homeoffice sitze und keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt bin, ist es schön und gut, wenn ich sage, ich kann mich einfach gesund ernähren und Corona macht mir nichts aus.“ Frei kommt zu dem Schluss, dass die Coronademos in Westdeutschland ein „akademischer Mittelschichtsprotest“ seien – getragen von „anthroposophisch-esoterischer Ablehnung von Impfungen“. Eine „monokausale“ Erklärung gebe es aber nicht.

Zu den Protesten in Ostdeutschland gebe es grundlegende Unterschiede, heißt es in ihrer Studie. Dort seien die Proteste „stärker von der extremen Rechten geprägt und tragen deutlich weniger esoterische und anthroposophische Züge“.

Die AfD habe im Osten die mitunter starke Entfremdung vom politischen System erfolgreich mit einer Impfskepsis verbinden können. „Somit hat sich aus unterschiedlichen soziokulturellen Quellen in Baden-Württemberg und den neuen Bundesländern eine ähnliche Dissidenz gegenüber der Pandemiepolitik herausgebildet.“

Der Medizinhistoriker Thießen nennt die Impfbereitschaft ein „Maß des Vertrauens in den Staat“. Mit dem Impfen lasse sich eine schon bestehende Unzufriedenheit mobilisieren. Die Impf­akzep­tanz in Ostdeutschland sei normalerweise größer – außer eben bei der Corona-Impfung. „Die allgemeine Unzufriedenheit wird hier am Impfen festgemacht“, sagt Thießen.

Ist der Osten also durch die DDR-Geschichte esoterikfrei? Andreas Speit sagt: Nein. „Es gab im Osten sehr wohl auch eine alternative Szene, die in Teilen später eine starke Hinwendung zur Esoterik vollzogen hat.“ Führende Figuren der einstigen Ost-Ökobewegung wie etwa der Autor Michael Beleites finden sich heute im Umfeld des ex­trem rechten Instituts für Staatspolitik in Schnellroda. „Deshalb kann man nicht so ideal­typisch von einer Ost-West-Unterscheidung sprechen“, sagt Speit. Ditfurth sieht das ähnlich: „Die Romantik war im Herzen des staatstragenden Kulturverständnisses in der DDR.“ So sei es nur schlüssig, dass sich ein „extrem rechter schwäbischer Guru“ wie der IfS-Gründer Götz Kubitschek im Osten niederlässt und „eine Geistesgeschichte wiederkäut, die immer schon da war“.

Wie sieht es in den Nachbarstaaten aus? In Österreich demonstrieren seit Wochen trotz explodierender Infektionszahlen Neonazis und Coronagegner; in der Schweiz stimmten zuletzt rund 60 Prozent in einem Referendum für die Beibehaltung eines „Covid-Zertifikats“ als Voraussetzung für den Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Restaurants und Veranstaltungen.

In der Schweiz sei unter den Impfskeptikern „die Esoterik schwächer, aber der Konservatismus stärker“, sagt der Medizinhistoriker und Grünen-Politiker Jo Lang. Ein extremer Individualismus spiele eine große Rolle. Da gibt es Gruppen wie die „Freiheitstrychler“ – eine Art schweizerischer Querdenker, die an apokalyptische Zustände glauben, die nur „ureidgenös­sische“ Gegenwehr verhindern könne. Sie und die ähnlich gesinnten „Freunde der Verfassung“ würden die Schweiz in einem alteidgenössischen Sinn denken, sagt Lang. Sie agierten nicht als Citoyens, die dem Gemeinwesen gegenüber verpflichtet seien. Viele seien „Einzelgänger und Selbstständige“ – und lehnten die Impfung entsprechend ab.

Der Lausanner Politologe und Föderalismusforscher Sean Müller befindet: „Es ist vor allem die ländliche Deutschschweiz, die sich nicht impfen lässt.“ Wie Lang sieht auch Müller die Gründe dafür in der politischen Kultur: Man wolle sich nicht reinreden lassen, schon gar nicht bei der Gesundheit: „Jeder für sich, sonst die Gemeinde, irgendwann der Kanton, aber sicher nicht der Bund und schon gar nicht die WHO.“

Auch in Österreich hat der Widerstand gegen Impfungen eine lange Tradition. Schon der Tiroler Volksaufstand von 1809 richtete sich auch gegen die von den bayerischen Besatzern eingeführte Pockenimpfung. Die Tiroler fürchteten, dass diese den „Tiroler Seelen bayerisches Denken“ einimpfen solle.

Heute sind esoterische Ideen in Österreich nur ein Faktor unter vielen. Christoph Hofinger ist Gründer des Wiener Sora-­Instituts und einer der führenden Meinungsforscher Österreichs. Er hat die Impfablehnung im Land eingehend untersucht. Diese sei „unter Aka­de­mi­ke­rn nur halb so hoch wie unter der Durchschnittsbevölkerung“, sagt Hofinger. „Natürlich gibt es auch die Gruppe der gebildeten Eso­te­ri­ke­r, die sich nicht impfen lassen wollen.“ Aber das seien vergleichsweise wenige.

Der wichtigste Faktor sei der Zweifel, ob die Impfung wirklich hilft, sagt Hofinger. Diesen Zweifel bestärkten Meldungen, dass auch Geimpfte auf den Intensivstationen liegen. Hinzu komme der Glaube an Verschwörungstheorien. „Für manche Menschen gehört auch die Wissenschaft zu dieser Verschwörung“, sagt Hofinger. Viele seien überzeugt, dass For­sche­r „mit den Eliten gemeinsame Sache machen“. Schließlich sei die Furcht vor Nebenwirkungen verbreitet. 34 Prozent der Nichtgeimpften in Österreich gaben im November 2021 an, auf die Zulassung eines „Totimpfstoffs“ zu warten. „Es ist ein Mix aus Elitenskepsis und der Pseudosicherheit, dass einem selbst schon nichts passieren wird“, sagt Hofinger.

Die Gesundheitspsychologin Nina Knoll von der FU Berlin sagt, dass Ungeimpften mit niedriger Impfbereitschaft vor allem das Vertrauen in die Sicherheit fehlt. Zudem sehen sie eine weniger große Bedrohung durch Corona. „Man müsste Fakten ganz klar und transparent machen, aber auch die Risiken einer Ansteckung mit Covid-19. Und diese Risikoabwägung mit den Menschen gegebenenfalls durcharbeiten.“

Die Impfbereitschaft hängt also von der Güte der Kommunikation der Impfkampagne ab. Bremen bestätigt Knolls Befund: Die Zweitimpfungsquote liegt hier bei 81 Prozent – bundesweite Spitze. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) erklärt dies so: „Wir haben Daten erhoben, wo die Inzidenzen besonders hoch sind: Dort, wo die Arbeits- und Wohnverhältnisse prekärer sind. Und für uns war klar, hier muss man unterstützen, aufklären und Angebote schaffen.“ Dafür habe man mit Menschen zusammengearbeitet, die Kontakte in die Communitys hätten, an Stadtteilprogramme angedockt. „Dieses Vertrauen lässt sich nicht in zwei, drei Tagen herstellen, das muss man langfristig aufbauen. Aber wenn Vertrauen da ist, werden die Angebote auch wahrgenommen“, so Bernhard.

In Portugal und Spanien, wo die Impfquote bei fast 100 Prozent liegt, haben die Behörden an Haustüren geklopft, SMS mit einer Impfaufforderung verschickt, die Impfung auch in Zahnarztpraxen oder Supermärkten ermöglicht. „Man hat Solidarität nicht bloß eingefordert, sondern auch erklärt, warum diese wichtig ist“, sagt Suzanne Suggs, Kommunikationswissenschaftlerin in Lugano. Dabei habe sich die lange Tradition „communitybasierter“ Handlungen in diesen Ländern ausgezahlt. In der Schweiz hingegen gelte die Impfung als individueller Entscheid. Auch hätten die Behörden nicht berücksichtigt, dass effektive Kommunikation individuelle Ansprache erfordere. „Wenn man versucht, alle auf die gleiche Weise zu erreichen, erreicht man letztlich niemanden“, sagt Suggs. In der Schweiz werde ab einem gewissen Alter jede Frau zur Krebsvorsorge aufgefordert. Das sei erfolgreich und zeige, dass spezifische Kommunikation funktioniere. „Die Pandemie wurde nicht mit derselben Dringlichkeit behandelt“, glaubt Suggs.

Die Beispiele Bremen sowie Spanien und Portugal zeigen: Neben historischen Faktoren ist die Kampagne entscheidend – und die ließ vielfach zu wünschen übrig. Politische Einstellungen und historische Prägungen lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen ändern. Die Kommunikationswissenschaftlerin Suggs, die sich seit Jahren mit dem Thema befasst, sagt, man müsse Impf­geg­ne­rn erklären, dass sie zwar auf den Piks verzichten können, dafür aber andere Maßnahmen einhalten müssten. Skep­ti­ke­r gelte es zu überzeugen – und man müsse jenen helfen, die ihre Meinung geändert hätten. „Diese Leute haben Angst, in ihrem Umfeld als Verräter zu gelten.“ Indem man Impfungen an unkonventionellen Orten wie der Post oder dem Friseursalon anbiete, ermögliche man ihnen, sich immunisieren zu lassen, ohne ihr Gesicht zu verlieren.

Dieser Text ist in Kooperation mit dem „Falter“ und der „WOZ“ entstanden.

Mitarbeit: Nina Ho­ra­czek, Anna Jikhareva, Lisa Schneider

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61 Kommentare

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  • Romantik im DDR-Kulturverständnis?

    In seinem Artikel „Die deutsche Besonderheit“ (taz, 18./19.12.21, S.28-29) folgt Christian Jacob der Diagnose Jutta Ditfurths, die in der Romantik u.a. eine tragende Säule des offiziellen DDR-Kulturverständnisses ausmacht. In der romantisch vorgeprägten Kulturlandschaft Ostdeutschlands fänden neurechte Gurus wie Götz Kubitschek leicht eine ihnen ergebene Anhängerschaft, so die Schlussfolgerung. Der Ditfurthschen Diagnose scheint eine der Bestätigung ihrer vorgefassten These dienende selektive Auswahl von Quellen zugrunde zu liegen. Ein unvoreingenommenes Quellenstudium offenbart nämlich schnell, welch großen Wert die einstigen SED-Apparatschiks auf die Selbstinszenierung als legitime Erben der Aufklärung, nicht der Romantik, legten – der Mythos als Mittel zur Legitimierung des Machtmonopols.



    Die Vorstellung von der allgemeinen Wirkmächtigkeit des offiziellen DDR-Kulturverständnisses verkennt wiederum die weitgehende Wirkungslosigkeit der staatlichen Propaganda auf breite Milieus im Arbeiter- und Bauernstaat.



    Zu den gegen die ideologische Beeinflussung durch SED-Chefideologen höchst immunen Milieus gehörte das deutschnational und zutiefst chauvinistisch gesinnte, welches auch in der DDR fortbestand. Jene soziale Schichten übergreifende Kulturgemeinschaft bestehend aus den geistigen, häufig auch biologischen, Kindern und Enkeln der einstigen Nazis in Mitteldeutschland und Ostelbien. Sie im Verbund mit den nach 1990 aufgewachsenen Rechtsradikalen bilden heute eine zentrale Kohorte der AfD-Gefolgschaft und der Querdenker in Ostdeutschland. So wenig sich dieses Milieu von DDR-Kulturpolitikern leiten ließ, sowenig folgt es heute Neofaschisten a la Höcke und Kubitschek aufgrund einer ihm unterstellten Liebe zur Romantik. Die politischen Nachkommen der NSDAP-Mitläufer und -täter folgen und stärken ihre selbstgewählten Führer solange sie ihre Egoismen und Vorurteile bestätigen. Eine Hand wäscht die andere. Alf Zachäus, Halle (Saale)

  • Sehr guter und interessanter Artikel. Die Deutschen hatten nie eine richtige Aufklärung, Kant und wenige andere waren Ausnahmen. Die Stimmung in Deutschland war gegen die französisch-englische Aufklärung gerichtet, weil die Französische Revolution in ihrer Spätphase den Deutschen Angst gemacht hat. Die Romantik war die Reaktion auf die Aufklärung, die sogenannte Gegenaufklärung. Darin gab es durchaus sinnvolle Kritik wie an der Naturzerstörung und der übertriebenen Fokussierung auf die Berechenbarkeit von Natur und Mensch. Aber hier haben die Deutschen nicht differenziert, sondern das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Moral, Vernunft, Logik und Naturwissenschaft - all das war nur noch kalt und totalitär und wurde abgelehnt. Dagegen setzen sie die Irrationalität und das Böse in der Natur, das jetzt aber zum Guten wurde. Später bei Hegel, auch schon bei Goethe, war das Böse der Motor zum Guten, nämlich zum Fortgang der Geschichte. Moral war nur noch etwas für spießig Kammerdiener, der Übermensch war Ausdruck des Verbrechers, der niemals bereute. Der seinem Instinkt folgte, der sich keiner Moral unterzuordnen hatte. Moral und Vernunft waren Schwäche und Spießigkeit. Die Lebensphilosophie und die Lebensreform haben den Instinkt, der klar die Vernunft ablehnte, weitergetragen, bis hin zum Willen zur Macht, der dann zum Nationalsozialismus geführt hat. Das auserwählte Volk durfte seinem Instinkt zur Weltherrschaft folgen, und wollte sich keiner westlichen Vernunft unterordnen. Und warum das jetzt alles wieder hochkommt? Weil sich die Deutschen nie mit dieser Vergangenheit auseinandergesetzt haben. Was nicht bearbeitet ist, wiederholt man. Deutschland beginnt jetzt erst, zu bemerken, was seine Vergangenheit ist. Das ist das einzig Gute an Corona, dass diese Dinge jetzt endlich bewusster werden.

  • Wenn Impfskepsis eine deutsche Besonderheit ist, welcher Nationalität/Herkunft sind dann die ca. 70% der Bevölkerung, die keine Probleme damit hatten/haben, sich impfen zu lassen?

  • Ja, mit der Kommunikation hat es gehapert und es ist immer noch so. Gut gestaltete Flyer mit erklärenden Grafiken, wie man sie z.B. bei "Quarks" findet hätten in jeden Briefkasten gehört. Da kam nix. Geschweige denn die Behörden selbst. Im Wahlkampf aber klingeln die Parteien und der Briefkasten ist voller Flyer.

  • Ich weiß nicht, aber ebenso gut wie die Romantik könnte man auch die Vernichtung der römischen Legionen im Jahre 9 als Grund für und die Ablehnung der Aufklärung, Wissenschaft sowie für die Impfskepsis heranziehen, denn schließlich hat da ein wilder, wissenschaftlich und zivilisatorisch um Jahrhunderte zurückgebliebener Haufen gegen DIE Zivilisation ihrer Zeit einen Sieg errungen, als sich diese Zivilisation zudem auf dem Höhepunkt ihrer Macht befunden hat.

    Oder die Erfahrungen im 30-jährigen Krieg, die lehrten, dass es besser ist vorsichtig zu sein und nicht gleich jedem und allem zu vertrauen ...

    Kann man alles machen, bringt nur nichts, zumal eben auch in Russland, Polen, Ungarn, Rumänien die Impfquoten grottenschlecht sind.

    Gerade in Polen sind die Impfangebote sehr niederschwellig. Auf jeder Veranstaltung steht ein Zelt der Streitkräfte, wo man sich ganz spontan impfen lassen kann, viele Apotheken impfen, nur lassen sich eben die Dummen lieber auf Facebook oder sonstwo von Scharlatanen, auch solchen, die selbst in bodenlangen Kleidern durch die Gegend rennen aber gegen LBGT wettern, mit Lügen einlullen, statt sich einfach mal ihres Verstandes zu bedienen. Und wenn es sie erwischt, wird die Covid-Infektion bis zum letzten Atemzug geleugnet. Überall auf der Welt die gleiche Dummheit, da lässt sich nichts machen, das hat auch nichts mit der jeweiligen Geschichte zu tun.

  • Die ganz große Masse der Ungeimpften hat mit den protestierenden Esoterikern nichts zu tun!

    Das Beispiel Bremen - und hoffentlich gibt es noch weitere Beispiele?! - soll genauer betrachtet werden.

    Erfolgreichere Länder haben sicherlich auch nicht derartige Freund-Feind-Ideologien verbreitet wie z. B. campact bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt - und seitdem dreht sich die Distinktions-Endlosschleife in Deutschland,

    dem Land der Rechthaber und des Versagens einer Gesundheitspolitik, die vor allem nur die Bessergestellten erreicht.

  • Super Artikel! Gute Erklärung!

  • Ich sage nur „Freistaaten“ und ein damit korrelierendes Selbstverständnis. Dieses auch in BW, „Freistaat inside“.

  • Die Romantik ist keine homogene Epoche. Die unterschiedlichen Schulen der Früh-/Hoch- und Spätromantik setzten verschiedene Schwerpunkte. Der Versuch, alle Künste miteinander zu verbinden (Universalpoesie) ist fortschrittlich. Außerdem lehnten die meisten Künstler*innen die Aufklärung nicht kategorisch ab, sondern wendeten sich bloß gegen deren reinen Empirismus und Rationalismus. E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" zeichnet die Konfliktlinien zwischen den beiden Strömungen sehr schön nach. Dort findet sich auch eine Kritik am gesellschaftlichen Frauenbild (der Protagonist verliebt sich in eine Puppe) und eine differenzierte Beschreibung psychopathologischer Krankheitsverläufe, lange bevor Freud ihnen einen Titel gab.



    Also summasummarum: Die Schlagzeile greift zu kurz - aber so sind sie nun mal, die Schlagzeilen.

    • @Tazacorte:

      Was aus meiner Sicht auch vollkommen übersehen wird ist der Zusammenhang von Aufklärung und Mythos als dialektische Wechselbeziehung, wie Adorno und Horkheimer so schön in der "Dialektik der Aufklärung" aufgezeigt haben. Denn genau dieser wechselseitige Mechanismus, wo Aufklärung wie ein Vexierbild in den Mythos umschlägt, wo Natur überhöht wird und gleichzeitig innerlich wie äußerlich zu beherrschen ist, zeigte sich in "rechten" Bewegungen NS-Zeit und in der NS-Zeit selbst. Und es zeigt sich jetzt wieder hier. Leider ist die Frankfurter Schule ja nicht mehr so "in", aber sie hat immer noch so einiges zu bieten, was diesen Artikel auch weiter hätte unterfüttern können.

  • Unabhängig vom Inhalt finde ich das Titelfoto unnötig. Verstehe zwar die Ironie und das Bezeichnende an dem Bild, aber müsst ihr die Leute wirklich abbilden? Nee.

  • Sehr guter Artikel, der als wichtigen Hintergrund der Impfablehnung diese Linie spezifisch deutscher Denk- (und Fühl-) Traditionen nachzeichnet. Viele Foristen scheinen damit aber ziemlich überfordert, lesen nur: Schiller = NS = Impfgegener und poltern ausgiebig herum.



    Dabei hat es unten jemand treffend formuliert:



    “Die Impfgegnerschaft grassiert in verschiedenen Milieus. Und eines davon ist eben jenes, im deutschsprachigen Kulturraum eben stärker als anderswo vorherrschende, auf das die hier beschriebenen Bezüge durchaus zutreffen. Daneben gibt es natürlich weitere gesellschaftliche Milieus, in denen Impfskepsis und -gegnerschaft wieder andere Wurzeln haben.“

  • Interessante, aber für mich nicht nachvollziehbare These. Die Skepsis gegenüber neuartigen Impfungen, Medikamenten oder Behandlungen, nun in der Romantik zu suchen, finde ich etwas weit hergeholt und sehr abstrakt.



    Ich bin da eher für naheliegende, konkrete „Linien“, wenn man schon für alles zwanghaft eine Erklärung zu finden versucht:

    de.m.wikipedia.org..._von_Arzneimitteln

    (Diese Liste ist sicherlich etwas länger, als die der gelesenen Romantik-Literatur, eines durchschnittlichen Impfskeptikers ;)

    • @Axel Foley:

      Was mir fehlte, war der argumentative Bogen zu NRI und Ku-Klux-Klan in den USA, wo neuerdings sogar Trump ausgebuht wird, weil er sich boostern liess. Romantische USA?

    • @Axel Foley:

      Schließe mich an. Bislang gab es auch keine Skepsis gegenüber neuentwickelten Medikamenten und Behandlungen, z.B. bei HIV, Krebs, etc. Auch gab es im Hinblick auf Grippeschutzimpfungen auch nicht so einen Aufschrei wie bei den Corona-Schutzimpfungen Es geht auch nicht nur um die Impfung, denn die Corona-Skeptiker leugnen eigentlich Corona als solches und sind daher auch gegen das Tragen von Masken.

      • @Elena Levi:

        Es gab und gibt schon immer Menschen ,die gegenüber "neuentwickelten Medikamenten und Behandlungen, z.B. bei HIV, Krebs, etc." skeptisch sind. Könnte ferner der Fakt das es bei der Grippeschutzimpfung nicht so einen Aufschrei gegeben hat ,damit zu tun haben,das es da auch nicht so einen Druck zur Impfung gegeben hat,das man wegen Grippe trotz ,trotz einiger Tausend "Übersterblichen" keinen annähernden Bohei wie um Corona gemacht hast? Es gibt auch nicht "die Corona- Skeptiker" , aber es ist immer leichter alle über einen Kamm zu scheren!

      • 0G
        04405 (Profil gelöscht)
        @Elena Levi:

        Große Teile des Artikels mäandern so vor sich hin, und die stringente Linie von deutschen Romantik zur Impfskepsis habe ich leider nicht verstanden.

        Am Ende die Betrachtung des Vertrauensschwunds im hier und jetzt ist da schon wesentlich ergiebiger: Das moralferne Gebaren der Scheuerts, Maskendeals und Doktorplagiate haben eben doch eine Wirkung. Eine ziemlich reale, ziemlich bedrohliche.

        Das nicht zuletzt deswegen jetzt Impfpflicht zur Ultima Ratio wird, weil so viele sinnvolle Maßnahmen am Anfang der Epidemie unterlassen blieben, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Das glücklicherweise die Impfungen fast ohne Risiken zu sein scheinen, hilft hier nur bedingt - denn auch das muss "man" ja mangels Einblick "glauben".

        Diese Vertrauenskrise ist real und rational begründet. Was schade ist, denn Impfen hilft wirklich.

  • Welche politische Partei hat eigentlich von Anfang an alternativmedizinische Quacksalberei wie Homöopathie gepampert und Misstrauen gegen jede Art von Gentechnik geschürt?

    • @Suryo:

      Keine.

      • @Kaboom:

        Waren die Grünen keine politische Partei?

        Und die FDP hat die Alternativmedizin auch nach Kräften gepampert. Nur als herausgegriffenes Beispiel ein Auszug aus dem FDP-Wahlprogramm 2005, Seite 12: "Immer mehr Menschen nehmen alternative Heilmethoden in Anspruch. Die FDP tritt dabei auch für den qualitätsorientierten Wettbewerb zwischen schulmedizinischen



        und alternativen Heil- und Behandlungsmethoden und deren Chancengleichheit ein.



        Wir begrüßen die Pilotprojekte verschiedener Krankenkassen, alternative Heilmethoden anzubieten und fordern, den Krankenkassen hier größere Spielräume einzuräumen." Link: www.freiheit.org/s...gswahlprogramm.pdf

  • Erleichtert stellt Verboten fest dass auch Impfbefürworter

    schwurbeln können.

    • @Verboten:

      :) sehr gute und treffende Feststellung!

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Für diese Pandemie ist der Zug weitgehend abgefahren. Endstation Impfpflicht.

    Vielleicht kann man langfristig etwas erreichen wenn man die Geschichte von Impfungen in den Schulen kommuniziert und zeigt welche Krankheiten wir schon so "geknackt" haben und das die "Natur" uns eigentlich nur umbringen möchte.

    Oder halt einfach jedes zweite Fach mit Statistik ersetzen.

    • @06792 (Profil gelöscht):

      In der Schule hätten sie vielleicht auch lernen können dass es für Viren kein evolutiver Vorteil ist Ihre Wirte zu töten und in der Geschichte des Impfens leider auch einige Fehler passiert sind.

      • 0G
        06792 (Profil gelöscht)
        @Verboten:

        Das ist mir persönlich zu riskant. Das Ebola Virus bringt 50% aller Infizierten um. Da möchte ich dann nicht darauf warten bis die Evolution es auf 25% Todesrate runter gearbeitet hat. Dann lieber viel Forschen, Impfen und das blöde Virus ausrotten.

  • Von Samuel Hahnemann stammen Bezeichnungen wie "Allophathie" und "alte Scbhule", www.homeoint.org/b...ganon/vorworte.htm. Die Bezeichnung "jüdische" Schulmedizin Hahnemann unterzuschieben ist so falsch wie absurd. Hahnemann wurde 1821 vom Herzog Ferdinand von Köthen als Leibarzt berufen, wo Juden bereits weitgehend gleichgestellt waren. Unter Hahnemanns Patienten waren auch Juden, er versuchte beim Herzog die Niederlassung eines jüdischen Kollegen zu erwirken. Was immer man von der Homöopathie halten mag, oder an Vereinnahmung der Homöopathie durch die Nationalsozialisten kritisiert, rechtfertigt dies nicht die Verleumdung der historischen Person Hahnemanns.

    Nicht besser was im Artikel zu Novalis steht oder zu Schiller, im Übrigen kein Vertreter der Romantik sondern der Weimarer Klassik, und sie zu Vorläufern der Nazis zu stilisieren grober Unfug.

    • @Rosenkohl:

      Vielen Dank für diese unbedingte notwendige Richtigstellung.

  • Alle hier zugelassenen Corona-Impfstoffe sind gentechnisch hergestellt, und es gibt zahlreiche Corona-Impfgegner, die nicht sämtliche Impfungen ablehnen, sondern nur Angst vor den Corona-Impfstoffen haben. Vor diesem Hintergrund ist nicht verständlich, weshalb der Artikel die gerade in Deutschland weitverbreitete Angst vor Gentechnik unerwähnt lässt.

    Diese Angst wurde auch von Linken nach Kräften geschürt (wenn es um Gentechnik in der Lebensmittelproduktion geht, oft noch heute). Ich lese seit über 30 Jahren regelmäßig linke Periodika bzw. Websites und habe dort in der Vergangenheit unzählige Artikel gelesen, in denen der Einsatz von Gentechnik in der Pharmazie strikt abgelehnt und die "Heilsversprechen der Gentechnik" als pure Propaganda dargestellt wurden. Positive Stimmen gab es so gut wie gar nicht.

    Und bei den Grünen war die irrationale Ablehnung von Gentechnik in der Medizin ebenfalls nahezu einhellig, s. z. B. diesen Artikel im Ärzteblatt: www.aerzteblatt.de...ernativen-foerdern

    Immerhin haben die Grünen und die Linken hierzulande jetzt offenbar überwiegend die Kurve gekriegt, jedenfalls bezüglich der Corona-Impfstoffe. Aber dass diejenigen, die sich aufgrund irrationaler Ängste nicht gegen Corona impfen lassen, im Ergebnis eine Position vertreten, die bei Linken und Grünen noch vor nicht allzu langer Zeit absolut vorherrschend war, wird gern beschwiegen.

    • @Budzylein:

      Die Herkunft vieler Impfgegner & -skeptiker aus “grün-alternativen“ Milieus wurde in der taz schon gründlich thematisiert, zb hier:



      taz.de/Analyse-der...proteste/!5822361/



      Ebenso, dass es ein Irrtum ist, diese Mileus als links anzusehen.

      • @dites-mois:

        Ja, die grün-alternativen Milieus sind meistens nicht links. Aber die Linken haben die Gentechnik auch abgelehnt. Und viele radikale Linke haben sich auch lange nicht von grün-alternativen Milieus distanziert, sondern eifrig mitgemischt und waren teils ganz vorn dabei, z. B Ebermann und Trampert bei den Grünen in den 80er Jahren.

  • Man war ja auch dem richtigen Pfad:

    „Der Medizinhistoriker Thießen nennt die Impfbereitschaft ein „Maß des Vertrauens in den Staat“. Mit dem Impfen lasse sich eine schon bestehende Unzufriedenheit mobilisieren.“

    aber dann mußte man ins akademische Geschwurbel abgleiten… Schiller war’s1!11

    Und nein, die ganz große Masse der Ungeimpften hat mit den protestierenden Esoterikern nichts zu tun. Aber da forscht man lieber nicht… wer nicht achtkantig rausfliegen will, der sieht da einfach nicht hin…

  • 4G
    47491 (Profil gelöscht)

    Also alle sind Schuld, aber natürlich nicht die „vierte Macht im Staate“.

    Wo kämen wir denn dahin, einen Absatz dafür zu opfern, wie die TAZ Homöopathie als seriöse Alternative dargestellt hat, die evidenzbasierte Medizin als „Schulmedizin“ verunglimpft und Menschen wie Dr. Schiffmann nur als „umstritten“ bezeichnet.

    Meine Meinung: es wird noch schlimmer werden, solange die selbsternannten Journalisten überall die Verantwortung sehen, nur nicht bei sich selber.

    Erst die Fakten verwässern, falschen Tatsachenbehauptungen eine Plattform bieten und dann die Schuld bei der Romantik suchen. Und am nächsten Tag wieder jammern, dass man auf der Straße erntet, was man in Artikeln mitgeholfen hat großzuziehen.

    Ohne, dass ich die Gewalt gutheiße. Aber den Zusammenhang sollte man endlich aufhören zu leugnen.

  • Erstens: die taz (und die Grünen anno dazumal) verdanken ihre Existenz dem romatischen Flügel der post-APO-Bewegungen.



    Zweitens: die taz hat Jahrzehnte einer platten "Schulmedizin"-feindlichen Gesinnung eine Plattform gegeben.Die Trennung zwischen rationaler Kritik des Medizin-Pharma-Komplex und der vollkommen irrationalen Befürwortung "natürlicher" Heilverfahren (by the way:es gibt kaum was "Natürlicheres" als Opium, Arsen und Schierling....).



    Drittens: Wenn "die Linke" jetzt die "aufgeklärte" Fraktion darstellt, dann landen wir bei den Tories oder bestenfalls beim konservativen Teil der US-Demokraten. Auch ich möchte auf die "Dialektik der Aufklärung" verweisen, die aufzuzeigen versucht, dass dieser oberflächliche Rationalismus bestimmte Herrschaftsstrukturen begünstigt, die wir nicht wollen können. Das ganze läuft auf das chinesische Regierungsmodell hinaus. Hocheffektiv (z.B. gegen Corona), aber zutieft inhuman. Ist das die neue Linke?

    • @Ignaz Wrobel:

      „ Ist das die neue Linke?“

      So lange man glaubt die Kontrolle über den Wahnsinn behalten zu können: Ja.

      Wenn man merkt, dass das wieder einmal schief geht, ist der Katzenjammer natürlich groß, aber das juckt ja heute noch niemand.

      Hurra. Wir sind unkritisierbare Wissenschaft! Wir sind der sanfte und gute Diktator! Was soll da schon schief gehen?

  • Wenn man schon dabei ist die ganz großen Linien von der Romantik über Irrationalismus bis hinein in den Nationalsozialismus nachzuzeichnen, wäre es für ein vollständiges Bild möglicherweise hilfreich diese Perspektive einmal gegen die Theorien der Frankfurter Schule (v.A. Dialektik der Aufklärung, Kritik der instrumentellen Vernunft) zu kontrastieren, die ja gerade gegenteilig argumentieren, dass der ultimative Zivilisationsbruch einer Biopolitik die in der industriellen Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen gipfelte gerade in Aufklärung und Rationalismus bereits angelegt sei und einer vollständig entmystifizierte Zweck-Mittel-Rationalität zwangsläufig die die permanente Möglichkeit eines Umkippens in die Barbarei inhärent sei.



    Wie auch immer man dazu stehen mag, zeigt es doch mE, dass es offenbar unzureichend ist die historisch-ideologischen Wurzeln extrem rechter Positionen allein in Anti-Modernismus, Irrationalismus und einer romantischen Naturverklärung zu verorten. Gleichzeitig muss man linken Ideologien ebenfalls bescheinigen, dass sie sich nicht exklusiv auf Rationalismus, Aufklärung und Moderne zurückführen lassen, sondern ebenfalls idR im weitesten Sinne romantische oder gar transzendente Elemente enthalten. Die Fragen nach einer linken oder rechten politischen Verortung und einer progressiven oder regressiven Weltsicht sind also offenbar orthogonal.

    • @Ingo Bernable:

      Genau der Gedanke kam mir bei ähnlichen Themen auch schon. Vielen Dank für diesen Einwurf. Das erweitert die Perspektive.



      Es ist halt meistens nicht immer so eindeutig, wie man es gerne hätte.

  • Romantik Rezeption in der DDR

    Zitat: „Die Romantik war im Herzen des staatstragenden Kulturverständnisses in der DDR.“

    Was immer „im Herzen des staatstragenden Kulturverständnisses in der DDR“ gelegen haben mag, die Romantik war das letzte, was ihm am Herzen lag. Ganz im Gegenteil, die Deutschen Romantik wurde im „staatstragenden Kulturverständnis“, das es im übrigen in der hier insinuierten homogenen Gestalt ohnehin nie gab, tiefes Mißtrauen entgegengebracht, geprägt durch die normsetzende, antimodernistische Realismus-Doktrin von Georg Lukács. Dagegen regte sich von Anfang an Widerspruch, der in den 70er Jahren zu deutliche literarischer Dissidenz anschwoll und sich in einer auffälligen Romantik-Welle manifestierte, wie sie vor allem Autoren wie Günter Kunert, Franz Fühmann, Christa & Gerhard Wolf, Anna Seghers, Günter de Bruyn usw. verkörperten und teilweise unverkennbare politische Züge trug.

    Der enorme Publikumserfolg der Kaspar-David-Friedrich-Ausstellung in Dresden Anfang der 70er Jahre ist nachgerade der Gegenbeweis der hier aufgestellten abenteuerlichen These, die Romantik sei quasi Staatsdoktrin in der DDR gewesen. Wenn schon die Prämisse nicht zutreffend ist, sind es die Schlußfolgerungen, wie sie in diesem Artikel suggeriert werden, noch weniger.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Das kann ich, Jahrgang 1950, nur unterstreichen. Ich sehe auch die impfe Skepsis hier im Osten nicht in dieser Tradition. Es ist vielmehr, und da der Artikel nicht unrecht, ein totales Misstrauen in staatliche Versprechungen. Und wenn man sich die der letzten zwei Jahre ansieht, haben sie sich ja immer ungefähr gefühlt alle drei Wochen um 180° gedreht.

      Dazu kommt dann noch die Erkenntnis, dass Obduktionen nach fragwürdigen Todesfällen nicht durchgeführt werden und Patienten mit vermuteten Impfnebenwirkungen im Gesundheitswesen plötzlich ganz allein stehen. So etwas schafft keine Transparenz und baut ein vorhandenes Misstrauen weiter aus. Außerdem gibt es noch die Tatsache, dass Politik grundsätzlich stadtzentriert ist. Aber auf dem Lande, bei alten Menschen mit wenigen Sozialkontakten, warum sollten die sich impfen lassen? Im Supermarkt halten sie Abstand und ansonsten treffen sie kaum jemanden.

      • @mac4me@gmx.de:

        „… und Patienten mit vermuteten Impfnebenwirkungen im Gesundheitswesen plötzlich ganz allein stehen...“

        Bitte nicht als Angriff verstehen, aber kennen Sie wen mit „vermuteten Nebenwirkungen“ der „alleine steht“?

        Oder ist das mehr so: „Der Schwager von mein Arbeitskollege seiner Mutter ihr Hundesitter hat gesagt…“?

  • Vertrauen ist keine Vorschussware, sondern muss verdient werden.



    Der Nationalstaat mit seiner Partikularinteressenspolitik hat einfach unglaublich viele Menschen zurückgelassen.



    Jetzt wo er merkt, dass es auf Jeden ankommt, wird er statt bescheidener eher selbstgefälliger.



    Wir sind Verfügungsmasse lebloser, künstlicher Entitäten namens Nationalstaaten. Dass sich seine Interessen nicht mit denen seiner Einwohner decken sieht man am Vorhalten von Massenvernichtungswaffen.

    • @Maximilian:

      "Wir sind Verfügungsmasse lebloser, künstlicher Entitäten namens Nationalstaaten."

      Heidewitzka!

      Wie hätten Sie es denn gern?

      Natürliche Volksstämme?

    • @Maximilian:

      Ihrem Kommentar gibt es nichts hinzuzufügen!

  • Die Ausgangsfrage: was motiviert Handeln, und Protest, Verweigerung?



    Diese Herleitungen sind alle richtig, aber es ist keine deutsche Spezifik:



    Schauen Sie nach Russland, Frankreich, Italien, Niederlande, USA.



    Überall gibt es Proteste



    - gegen den digitalen Impfpass,



    - gegen die Ärtze als Kollaborateure (collabo, mort au physiciens Französ.),



    - gegen das System Putin.



    Kurz: es gibt eine Psychologie der Impfskepsis - nach dem Motto: würden in Russland private Impfwägen von Haus zu Haus fahren, dann würden sich alle impfen lassen. Trotz und Misstrauen, weil es vom System-Putin kommt.



    Diese Psychologie der Impfskepsis trifft auf eine Ideologie der Impfgegner, die die hier beschriebenen Bezüge hat und antimoderne Ursprünglichkeits-phantasien kultiviert.



    Ein linker Ansatz muss weiterhin fordern: wo bleiben die Impfstoffe gegen Malaria und überhaupt für den Globalen Süden? Lizenzproduktion sofort!

  • Ja, ein sehr lesenswerter Artikel und von hier aus Lob und Dank an Jutta Ditfurth, die sich nicht hat blenden lassen, von dem Esoterikschwenk der Linken in die alternative Szene hinein.

    • @shitstormcowboy:

      Dafür hat sich Frau Ditfurth anderweitig verrannt.

  • Vielleicht sind auch einfach die Berge schuld 😀 -- www.sueddeutsche.d...esoterik-1.5467716 (leider Paywall).

    Im Ernst: Ganz interessanter Ansatz, denn es gibt ja auch die Korrelation, dass sich regional um die Alpen herum die Impfverweigerung ballt.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Mir sind diese historischen Erklärungsmodelle viel zu kompliziert, zumal sie heftige Anforderungen an Traditionen von Ideen von Minderheiten stellen. Und da sagt uns das Occam'sche Sparsamkeitsprinzip: Wenn's eine naheliegendere Erklärung gibt, nimmt die!

    Und die naheliegendere ist meiner Meinung nach die, dass es im deutschsprachigen Raum eine sagenhafte Intransparenz im Gesundheitssystem gibt, während es mittlerweile ziemlich transparent ist, wer das das Geld verdient und wer das bezahlt. Skundiert werden die neoliberalen Schweinereien durch kaum reflektierte Obrigkeitshörigkeit oder das Einfordern derselben.

    Bisher war die Pharmalobby selten unser Freund (und die Ärztekammern auch nicht). Da gibt es zu Recht ein tiefsitzendes Mißtrauen bei Einigen - und dann kommen die Leute daher, die uns erzählen, dass es uns gut geht, die Landschaften blühen und es weiter so gehen kann - also praktisch Lügen sie, wenn sie die Klappe öffnen - und fordern zu Vertrauen in dieses System auf.

    Es viel logischer dass diesen Sprung einige nicht schaffen und lieber auf neuen Begründungen für die tradierten Freund-Feind-Schemata einrasten.

    Der Unterschied des deutschsprachigen Raumes mag sein, dass alle Länder um uns herum eine bessere Balance zwischen Bürger und Staatlichkeit gefunden haben.

    Und wenn ich mir dann ansehen, wie das in den USA oder in Osteuropa mit der Corona-Leugner-/Gegnerschaft so aussieht; und wie der Kapitalismus in diesen Ländern mit den Leuten Schlitten fährt, dann würde ich die Ursache eher in 30+ Jahren Neoliberalismus suchen als in 100+ Jahren anthroposophischen Spinnereien.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      "Und da sagt uns das Occam'sche Sparsamkeitsprinzip: Wenn's eine naheliegendere Erklärung gibt, nimmt die!"

      In naturwissenschaftlichen Fragen finde ich Occams Razor sehr hilfreich, aber in dieser Frage schneidet man sich damit glaub ich leicht in's eigene Fleisch.

      Steckt doch hinter manchem verwirrten Gedanken schlicht der Wunsch, eine einfache, angenehme Erklärung zu finden, d.h. der verwirrte Gedanke ist selbst Ergebnis eines Sparsamkeitsprinzipes.

      Ich glaube nicht, dass Vereinfachung in Fragen des Miteinanders eine gute Methode ist.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Das mit der besseren Balance scheint mir in Vive-la-France aber ganzundgarnicht gegeben ;-]

    • @05989 (Profil gelöscht):

      "... das Einfordern derselben" - einer der großen Schwachpunkte staatlichen Gebarens: ein wunderbares Bsp. sind Geheimhaltung und Veröffentlichungsverbot Kohlscher Prägung bzgl. Chernobyl-Strahlenwerten 86/87. Das fällt der Impf-Informations-Kampagne nun kräftig auf die Füße, aber sie macht munter weiter. Stiko empfiehlt z.B. kein Kinder-Impfen als Regelfall, Politik aber sagt: doch doch, glaubt lieber UNS. Gehts noch und nöcher ?

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Da schließe ich mich an mit der Frage, warum bei den Erklärungen über die Motive der Impfgegner nahe liegende Gründe erst gar nicht berücksichtigt werden.



      Und für Denkfaule ist es natürlich unzumutbar, etwas differenzierter zu denken.

  • Hmm. Könnt ich vielleicht nachvollziehen, wenn die Impfquoten in Osteuropa nicht wesentlich niedriger wären. Und da der Unterschied zu anderen westeuropäisachen Staaten größteils marginal ist, wirds echt schwierig an eine Verbindung zur Romantik zu glauben.

    Für mich sind immer noch ein völlig verfahrener Start der Impfkampagne und das deutsche Wesen der Bürokratiemaximierung hauptursächlich. Auch Aufklärung und die Bewerbung der Impfung läuft in anderen Staaten wesentlich kommunkativer und engagierter.

    Italien, Spanien, Portugal stehen nach meiner Einschätzung deswegen besser da, weil sie das Grauen in den ersten Wellen viel stärker getroffen hat, während bei und die Zahlen vergleichweise niedrig waren.

  • Nette geschichtliche Betrachtung, aber auch ein wenig elitäres philosophieren.

    Nur ein Vergleich:



    Impfquote (doppelt) D: 70%



    Impfquote (doppelt) USA: 61%

    Und (ohne das dazu eine Studie vorliegt), weder in den USA, noch im nennenswerten Umfang in D könnten Impfmuffel zB Novalis auch nur als Dichter benennen, gescheige denn zitieren.

    • @fly:

      In den USA haben 30 Millionen Menschen keine Krankenversicherung. Also etwa 10 %.

      In Deutschland sind es 60.000. Allein das zeigt, dass man da natürlich viel vergleichen kann, jedoch dabei schnell riesige Unterschiede findet.

      www.aerztezeitung....herung-415929.html

    • @fly:

      Der Vergleich mit den USA dürfte schon allein aufgrund des fundamental anderen Gesundheitssystems schwierig sein und ideologisch-weltanschauliche Konzepte reproduzieren sich mitnichten ausschließlich über die Hochkultur, sondern genauso über die Populär- und Alltagskultur.

    • @fly:

      Impfquote (doppelt und dreifach, in der Regel mit mindestens 1mal Moderna) US-"Linke" (also alles links der Mitte): über 90%.

      Die Genoss*innen in USA sind also die am besten geimpfte größere Bevölkerungsgruppe der Welt (Brunei ist evtl noch besser, aber sehr klein). Sehr erfreulich.

      Aber die Impfquote unter den Trump-Fans ist im weltweiten Vergleich ganz weit unten.

      In Deutschland hingegen haben wir eben *keine* so klare Abgrenzbarkeit. Die einzige Gruppe, die hierzulande *vermutlich* besonders gut durchgeimpft ist, sind die jungen Grünen-Anhänger*innen, also die Generation Ricarda Lang etc (die sich der Partei nach der Neoliberalismus-Welle, Beispiele Özdemir und Palmer, zuwandten, als die Grünen sich von Anthroposophie etc zu distanzieren begannen, und sich zudem als ideologischer Gegenpol zur AfD aufstellten). Insofern ist der Artikel zwar sehr wortreich, aber die Kernthese einer im deutschsprachigen Raum besonders breitgefächerten Verankerung von Realitätsflucht ins idealisiert-mystifizierte "Schöne, Wahre, Gute" ist nicht von der Hand zu weisen.

      Übrigens vertritt Mosse in "Geschichte des Rassismus in Europa" eine ähnliche These in Bezug auf die besondere Virulenz biologistischer Wahnideen im deutschsprachigen Raum: es begann mit der Verankerung einer "Parallelwelt" aus mystischen Desiderata in weiten Teilen des Bürgertums - vor allem auch in denen, die andernorts eher Speerspitze einer humanistisch-rationalistischen und aufgeklärten Bildungselite waren. (Die Ablehnung des "gnothi seauton" ist ja charakteristisch für die AbsolventInnen der Telegram University: die haben recht, IMMER - und zwar *nicht* weil sie ihre Standpunkte umfassend und allgemeingültig begründen können, sondern aximoatisch.)

      Oder ganz kurz und knackig: die Deutschen sind als Volk dichter, als man denkt.

      Oder noch kürzer: Stauffenbergs "Heiliges [oder "Geheimes"] Deutschland" ist ein mentaler und kein mundaner Ort. (Wer das nicht versteht: einfach Thomas Manns "Beim Propheten" lesen.)

      • @Ajuga:

        Diese Gruppe der Jungen Grünen wäre aber sicher als sehr marginal anzusehen ... wieviele grüne Parteigänger gibt´s inzwischen? 80.000? 90.000? Es muss wesentlich größere durchgeimpfte Bevölkerungsgruppen geben.



        Ach ja - habe seit heute meinen 3. Pieks und jetzt jeden mRNA-Impfstoff "probiert" ....



        Und auch - bin nicht grün sondern bunt und jung schon gar nicht mehr ....

  • Weswegen die Impfquote in der Republik Molday trotz vorhandenen Inpfstoffes bei unter 30% verharrt.



    Also wirklich, so ein Quark hier, sagenhaft.

    • @Tripler Tobias:

      Nix Quark. Warum so eindimensional? Die Impfgegnerschaft grassiert in verschiedenen Milieus. Und eines davon ist eben jenes, im deutschsprachigen Kulturraum eben stärker als anderswo vorherrschende, auf das die hier beschriebenen Bezüge durchaus zutreffen. Daneben gibt es natürlich weitere gesellschaftliche Milieus, in denen Impfskepsis und -gegnerschaft wieder andere Wurzeln haben.

  • Lesenswerter Artikel, auch wenn ich skeptisch bin, dass es eine nennenswerte Verknüpfung zwischen der aktuellen Impfskepsis und der historischen Romantik gibt.

    Was mir bei diesem und ähnlichen Artikeln bzgl. der niedrigen Impfquote in deutschsprachigen Ländern auffällt: Der Vergleich wurde ausschließlich zu westeuropäischen Ländern gezogen. Wie sieht die Situation aus, wenn man ganz Europa einbezieht? Gibt es nicht einfach ein Impfgefälle von West- (Spanien, Portugal) über Zentral- (Frankreich, Deutschland) nach Osteuropa? Natürlich wäre es auch hier interessant die Gründe dafür zu erforschen - es wird wohl eine gemischte Gemengelage aus Historie, Lebensrealität der Menschen und aktuellen politischen Maßnahmen sein...

    • @Affi:

      Es gibt zumindest für Deutschland schon ein paar Untersuchungen dazu, wer eigentlich noch nicht gegen Corona geimpft ist, bzw. ob's zwischen denen noch andere Parallelen geben könnte. Und die scheint es zu geben, insbesondere altersmäßig (meist Jüngere), sozioökonomisch (meist Ärmere) und geografisch (meist Land). Zumindest das Letzte könnt ich mir vorstellen ist in Teilen übertragbar und das macht insofern Sinn da das Gefälle von West nach Ost in Europa ja nicht zuletzt eines der Verstädterung ist. Aber auch da wird's Ausnahmen geben. Dass die Quoten gerade in Städten höher sind dürfte vor allem mit entspr. Nöten wie Möglichkeiten zu tun haben, aber u.U. auch mit Vorteilen bei Information und Bildung; auch ist es hier deutlich einfacher, schneller viele Menschen zu erreichen, etwa zur Aufklärung.

      Von diesem inzw. auch alten Wink mit der Romantik halt ich auch nichts. Es ist übrigens auch erfasst, dass sich ein signifikanter Teil der in Deutschland noch nicht Geimpften unter Migranten und Asylbewerbern findet. Da hat's dann irgendwie auch ein Geschmäckle, weil ich meine dass man das auch wissen darf (oder werden die ausgeklammert?). Aber der ganz weite Wurf macht sich natürlich besser und den weit besseren Text als sich daran zu erinnern, dass man in einer schönen Parallelgesellschaft lebt. Die sollte es schließlich ja nie geben.