Andreas Speit über Querdenker:innen: „Sie wissen, wie Protest geht“
Im taz Salon spricht taz-Autor Andreas Speit über sein neues Buch „Verqueres Denken. Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus“.
taz: Andreas, gab es schon vor der Querdenken-Bewegung Reichs- und Regenbogenfahnen auf denselben Demonstrationen?
Andreas Speit: Nein, das hat es tatsächlich so nicht gegeben. Es hat aber im Laufe der Jahre immer wieder Begegnungen gegeben im alternativen Milieu zwischen rechten und linken Personen, weil man eben zumindest die Auswirkungen des Kapitalismus gemeinsam kritisieren konnte.
Die Menschen, die sich jetzt gegen das Impfen einsetzen: Engagieren die sich das erste Mal oder haben sie lediglich das Thema gewechselt?
Das ist unterschiedlich. Wir haben jetzt bei den aktuellen Querdenken- und Corona-Leugnungs-Legierungen tatsächlich das Phänomen, dass staats- und selbstkritische Menschen beteiligt sind, die wissen, wie man Proteste organisiert. Das ist auch einer der Gründe, warum die ersten Proteste und die Aktionen relativ erfolgreich von statten gegangen sind, weil man Protesterfahrung gehabt hat, etwa aus der Anti-AKW-Bewegung, aus der Friedensbewegung oder aus antifaschistischen Protestkulturen heraus. Es gibt auch ein großes Spektrum an Sehnsucht nach einer alternativen Medizin. Und aus diesem Gesundheits-Kontext heraus gab es schon immer impfkritische Stimmen.
Jahrgang 1966. Der Journalist und Publizist schreibt seit 2005 die taz-Kolumne „Der Rechte Rand“.
Noch mal einen Schritt zurück: Wen genau meinst du mit den „alternativen Milieus“ im Untertitel des neuen Buches?
Die Bio-Boheme, die es sich ökonomisch leisten kann, ökologisch sehr gut zu leben. Alternative versuchen jenseits der klassischen bürgerlichen Lebensmodelle, für sich selber einen Platz auf der Welt zu finden und sich die Welt zu erklären. Dazu gehören auch die politischen Forderungen, dass wir einen Schalter umlegen, weil wir sehen, wo uns dieser Kapitalismus hingebracht hat, um ganz global gesprochen auch die Welt retten zu können.
Lassen sich Querdenker*innen aus ihrem Glauben zurückzuholen?
taz Salon mit Andreas Speit und seinem neuen Buch „Verqueres Denken. Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus“ (Ch. Links Verlag 2021). Es moderiert taz-Redakteur Jean-Philipp Baeck. Dienstag, 9. November 19.30 Uhr, Hamburg, Kulturhaus 73 (ausgebucht)
Weitere Stationen:
Di., 7. 12., 19 Uhr, Bremen, Lagerhaus;
Di., 18. 1. 22, 19 Uhr, Hannover, Faust;
Di.,15. 2. 22, 19 Uhr, Kiel, Hansa 48
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: anmeldung@taz-nord.de
Momentan erleben wir ja leider das Gegenteil. Gerade aktuell in Leipzig mit den harten Auseinandersetzungen bei der etwas größeren Querdenken-Demonstration sowie in Hamburg konnten wir jetzt am Sonntag sehen, dass eine faktenorientierte Debatte mit diesen Personen zur Zeit nicht möglich ist. Die Beratungsstellen empfehlen sowieso, auf der emotionalen Ebene ins Gespräch zu kommen.
Wie geht das?
„Was ist deine Sorge?“ „Hast du Angst um deine Existenz oder dass du dich ansteckst und verarbeitest es so?“ „Hast du Angst um deine Freund*innen oder denkst du, dass deine Kinder irgendwas verpassen können, weil sie kaum in der Schule sind?“ Solche Fragen sind hilfreicher als der Versuch aufzuzeigen, dass die Bill-Gates-Theorien, die gerade herumgeistern, Verschwörungsnarrative sind. Das ist die große Hoffnung.
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