Verzicht auf Alkohol und Drogen: Am O-Saft nippen

Der Verzicht auf Alkohol provoziert Trinkende und zieht nervige Fragen nach sich. Einfacher wäre: Den Umstand kommentarlos zu akzeptieren.

Auf einem Tablett stehen Sektgläser und Gläser mit Orangensaft

Warum wird einem fast immer Orangensaft als einzige Alternative zum Sekt angeboten? Foto: Peter Endig/imago

Wenn man in Deutschland höflich ein alkoholisches Getränk ablehnt, gibt es drei Fragen, die üblicherweise aufkommen: Bist du schwanger? Bist du krank? Bist du Islamist?

Ich kenne Kartoffeln, die so wie ich, freiwillig und ohne „triftigen Grund“ auf Schnaps und anderen Alkohol verzichten. Selten werden sie dabei aber als potentielle Gefahr für die innere Sicherheit gelabelt. Ein Mohamed, der nicht trinkt, mit dem stimmt etwas nicht, also grundsätzlich und so, dass einigen Angst und Bange wird. Mir ist es schon passiert, dass eine Gastgeberin die Weingläser panisch bei einem Abendessen wegräumte und ich beteuern musste: Es ist absolut okay, wenn andere trinken, ich muss halt nicht.

Ich kann nachvollziehen, dass es unangenehm ist, wenn einige Menschen ungerne in Anwesenheit einer nüchternen Person Alkohol konsumieren. Während die anderen einen Blackout haben könnten, macht sich Mohamed Notizen im Kopf – which is true. Ich weiß noch ganz genau, was bei der Weihnachtsfeier passiert ist.

Ich meide generell Saufgelage und finde es okay nicht immer dazu eingeladen zu werden. Sturzbetrunkene Männer sind eh keine lustige Gesellschaft. Das musste ich während des Studiums auf einigen Partys eindrucksvoll erfahren, als die Kanzlerkandidaten der Zukunft Weinflaschen gegen Wände schmissen und Jackass-Mutproben durchführten. Oft kam dieses judgy „ach komm schon!“.

Keinen Druck ausüben

Es geht mir auf die Nerven, quasi seitdem ich selbstständig trinken kann, muss ich mich rechtfertigen. Das mit dem „wie, du rauchst nicht!?“ hat zum Glück vor Jahren aufgehört, manche sind schockiert, dass ich keinen Kaffee trinke. Aber die drei Schritte, die einige rückwärts laufen, wenn ich Alkohol ablehne, verraten: Die gesellschaftliche Norm liegt bei 1,3 Promille.

Ich habe auf Empfängen angefangen, Sekt-Gläser zu halten weil die Blicke zuvor IMMER auf mein Glas mit Orangensaft gefallen sind (warum wird einem fast immer Orangensaft als einzige Alternative angeboten?). Nicht selten wurde das Gespräch auf meine Abstinenz gelenkt: „Warum trinkst du keinen Sekt, Mohamed? Hm?“ Ich wurde sogar schon zum trinken gezwungen. Einmal mit dem Satz: „Der Wein war super teuer.“ Ich habe es mit einer Schorle versucht, der Wein schmeckte kacke, mir war übel. Ich vertrage halt auch nichts.

Ähnliche Rückmeldungen kommen beim Thema Drogenkonsum auf. Es ist für einige komisch, ich weiß, aber es ist ja mein Body und ich kann halt keine Drogen nehmen. Mein Verzicht auf Alkohol und Drogen schadet niemandem, eher freut sich die Krankenkasse und wer mich kennt, weiß, dass es der Stimmung nicht unbedingt schadet, wenn ich klar im Kopf bin.

Generell bringen solche sozialen Dynamiken (oft in sehr progressiven Kreisen) Menschen in Erklärungsnot: Es gibt Leute, die auf Entzug sind. Es gibt Leute, die aus religiösen Gründen nichts trinken. Es gibt Leute, die wirklich krank sind. Sie unter Druck zu setzen ist uncool. Also demnächst einfach zuprosten, egal ob mit Sekt, Orangensaft oder einem anderen Getränk und einfach die Gemeinschaft genießen.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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