Rohstoffe und Klimawandel: Benzin muss kontingentiert werden
Um das Klima zu retten, brauchen wir gleiches Benzin für alle: Jeder bekommt eine bestimmte Menge zugeteilt – die er dann auch wieder verkaufen kann.
A ch, der Klimawandel: Auch wenn er erst jetzt allmählich den längst verdienten Platz auf der weltweiten Agenda erreicht hat, neu ist das Thema wahrlich nicht. Schon 1896 formulierte der spätere Nobelpreisträger Svante Arrhenius die Erwartung, dass durch die anthropogenen Kohlendioxidemissionen eine globale Erwärmung zu erwarten sei. Als Schwede versprach er sich dabei allerdings durchaus eine Verbesserung für die skandinavische Landwirtschaft.
Mahner gab es seitdem zwar sehr viele, aber da sich die Sache mit der Erwärmung über Generationen hinzieht, dringt das in einen amerikanischen Kopf mit blonder Föhn-Tolle und begrenzter Lebenserwartung bis heute natürlich nicht mehr durch. Dabei könnte sich selbst der einfältigste Klimaleugner klar machen, dass es Auswirkungen haben wird, wenn wir von allen fossilen Ressourcen – entstanden in Jahrmillionen – innerhalb der letzten nur 150 Jahre mittlerweile schon knapp die Hälfte verfeuert haben.
Die Wissenschaft kennt natürlich die Konsequenzen, und selbst die Staatenlenker dieser Welt sehen Handlungsbedarf und hangeln sich seit 25 Jahren von einer Klimakonferenz zur nächsten. In Paris schien 2015 eine konkrete Zielsetzung endlich zu einem weltweiten Konsens zu werden. Die Erwärmung sollte auf möglichst unter 1,5 Grad Celsius begrenzt werden – obwohl wir die 1-Grad-Marke im Vergleich zur vorindustriellen Zeit schon längst erreicht haben.
Wenn das klappen soll, dann mit anderen Konzepten. Nehmen wir nur mal den Verkehrssektor. Der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung in Umweltfragen berät, will uns zu einem Volk von Bus- und Radfahrern und das Auto mit zusätzlichen Gebühren unattraktiv machen. Damit wird Autofahren teurer, aber wird es auch weniger? Es bliebe das Modell einer unsozialen Marktwirtschaft.
Das reicht nicht. Soll der Plan mit dem 1,5-Grad-Ziel wirklich aufgehen, brauchen wir für das Klima eine sozialistische Planwirtschaft. Zum Beispiel so: Jedem Bundesbürger müssten pro Jahr nur noch 444 Liter Kraftstoff zustehen, mehr erst mal nicht.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
70, hat lange als Fachredakteur für Auto- und Technikzeitschriften in Stuttgart gearbeitet.
Noch 1990 wurden vom deutschen Straßenverkehr 61,8 Milliarden Liter Kraftstoff im Land verfeuert. Der weitere jährliche Anstieg ist zwar nicht gewaltig, aber doch da, für das Jahr 2017 hat das Umweltbundesamt den Verbrauch mit 70,4 Milliarden Litern beziffert. Laut dem Weltklimarat IPCC müssten zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels die Emissionen von 2010 bis 2030 aber um 45 Prozent sinken. Für den Personen- und Güterverkehr, der auch noch lange mit Verbrennungsmotoren betrieben wird, bedeutet das: Die verbrauchten Liter Kraftstoff müssten bis 2030 auf 36,9 Milliarden sinken. Das ist schon eine Ansage!
Man kann das runterrechnen: Auf jeden der (derzeit noch) 83,1 Millionen Bundesbürger entfielen 444 Liter Kraftstoff – egal ob Fußgänger, SUV-fahrende Oma-Umweltsau oder Trucker-Fahrer.
Klar, wir leben in einer Wirtschaftswelt des permanenten Wachstums, und da erschreckt das Gespenst der Planwirtschaft Wähler wie Politiker gleichermaßen. Gleicher Sprit für alle, das klingt wie Sozialismus in Reinkultur. Dabei wäre es nur die konsequente Umsetzung des vorgenommenen Ziels. Wenn die deutsche Politik wirklich zu ihrem Klimabekenntnis steht, sollte sie die Kraftstoffmengen kontingentieren – natürlich schrittweise, wir wollen ja Planungssicherheit.
Was aus einer solchen Zuteilung folgt, liegt in der Selbstverantwortung eines jeden Einzelnen: Ein 5-Liter-Kleinwagen-Fahrer käme mit seinem Spritkontingent 8.880 Kilometer weit. Der oft gescholtene Fahrer mit seinem 12-Liter-SUV brächte es eben nur noch auf 3.700 Kilometer, der Lkw entsprechend auf viel weniger.
Weil der reale Spritverbrauch auf der Straße zu mindestens 35 Prozent vom Fahrstil abhängt, wäre das auch ein schönes Erziehungsmittel zu effizienterer Fahrweise. Ein Tempolimit wäre vielleicht gar nicht mehr nötig, vielleicht dann eher der serienmäßige Einbau einer Anzeige des Momentanverbrauchs, der Vollgas-Dränglern ihren Kurzzeit-Peak ohne Zeitgewinn an der nächsten Ampel vor Augen hält.
Sozialistische Gleichmacherei?
Aber halt, was soll die Benzinzuteilung für alle Bürger des Landes, höre ich schon fragen, das ist ja sozialistische Gleichmacherei. Den Sprit braucht ja nicht jeder.
Richtig: Hier käme dann der soziale Aspekt ins Spiel. Das zugeteilte Kraftstoffkontingent muss man natürlich kaufen, jeder darf es dann auch zu Marktpreisen wieder veräußern. Und wenn das zugeteilte Benzin gegen Jahresende knapp wird, so lehrt es die Marktwirtschaft, dann steigen eben die Preise. Der gutverdienende SUV-Fahrer darf ruhig weiterhin fahren, doch es wird für ihn dann teurer. Eine CO2-Abgabe der etwas anderen Art und dazu ein schönes Zubrot für Fußgänger, Radfahrer oder Geringverdiener. Und: Es würde dadurch der oft ideologisierte Streit über Fahrzeug- und Antriebstechniken entschärft.
Natürlich lässt sich ein solches Konzept nicht sofort umsetzen, sondern nur schrittweise. Aber das Zieljahr ließe sich festschreiben.
Und es hätte zahlreiche Nebenwirkungen. Der Gütertransport per Lkw würde viel teurer, das würde sich auch auf die Warenpreise niederschlagen. Transport bekäme seinen klimarelevanten Preis. Möglich, dass der Güterumschlag auf der Bahn eine Renaissance erleben würde. Und statt sich Amazon-Pakete bis zur Haustür bringen zu lassen, wäre der Fußweg zur Poststelle wieder angesagt. Und, und, und …
Eine Utopie? Dann wäre auch das Pariser Klimaziel eine solche. Nicht nur für den Verkehrssektor, der ja nur ein Teilaspekt des Treibhauseffekts ist. Das sollte die Politik auch ehrlich sagen und die absehbaren Konsequenzen in aller Deutlichkeit benennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los