Arbeitskampf in Frankreich: Tank leer, Schnauze voll

Der Tarifkonflikt in der Ölindustrie hat in Frankreich zu drastischem Treibstoffmangel geführt. Die Regierung will die Streikenden zwangsverpflichten.

Autos und eine Tankstelle, die keinen Sprit mehr zu verkaufen hat

Lange Warteschlange an einer Tankstelle in Lille am 6. Oktober Foto: picture alliance/dpa | Frank Kleefeldt

PARIS taz | Ein vor drei Wochen ausgerufener Streik in den französischen Erdölraffinerien wird zu einer Kraftprobe zwischen den Gewerkschaften, die angesichts der Riesenprofite der Konzerne – und der steigenden Inflation – berechtigte Lohnforderungen stellen, und der Regierung, die wegen des Treibstoffmangels unter Druck geraten ist.

Da am Mittwoch sechs von acht französische Raffinerien wegen des anhaltenden Konflikts weiterhin blockiert waren und da die Gewerkschaften von TotalEnergies und Esso-Exxonmobil am frühen Vormittag die Fortsetzung ihres Streiks beschlossen haben, will die Regierung nun Ernst machen mit der Drohung, das für die Sicherheit und den Betrieb erforderliche Personal zu requirieren.

Für die Gewerkschaften bedeutet dies, dass ihr Streikrecht frontal attackiert wird. Wer dem Aufgebot der Behörden, trotz Streik zu arbeiten, nicht Folge leistet, dem droht im Prinzip eine Geldbuße von 10.000 Euro. Bei der ersten von der Requisition betroffenen Raffinerie in Gravenchon-Port-Jérôme in der Normandie wollen es die Streikenden auf die Kraftprobe ankommen lassen.

Präsident Emmanuel Macron wollte sich bisher aus dem Konflikt heraushalten, indem er erklärte, es sei nicht am Staat, sich in Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmerverbänden einzumischen. Trotzdem war er am Montag ziemlich ungehalten über die sich in die Länge ziehende Krise der Versorgung mit Benzin und Diesel. „Blockieren ist keine Verhandlungsmethode“, teilte er den Gewerkschaften mit.

Lohnerhöhung um 10 Prozent gefordert

Die wiederum antworteten, sie hätten kein anderes Mittel als den Streik, um ihren Anteil an den Gewinnen einzufordern. Allein der französische Konzern Total hat mehr als 10 Milliarden Euro Gewinn erzielt. Die in diesem Arbeitskampf federführende Gewerkschaft CGT fordert über die von der Direktion in Aussicht gestellte Gewinnbeteiligung hinaus eine per 1. Januar rückwirkende Lohnerhöhung um 10 Prozent.

Die Regierung ist wegen des frappierenden Treibstoffmangels für die privaten Konsumenten und zahlreiche Unternehmen politisch unter Druck geraten. Der Arbeitsalltag ist vor allem in Nordfrankreich, in Paris und der weiteren Umgebung der Hauptstadt sowie im Osten bis an die Grenzen von Deutschland und der Schweiz wegen der komplizierten und oft vergeblichen Suche nach „Sprit“ zunehmend gestört.

Nachschubprobleme machten sich bereits bei der Lebensmittelversorgung bemerkbar, Fahrschulen sind vorübergehend geschlossen. Wer kann, arbeitet im Homeoffice. Jetzt heißt es, seit der Krise im Mai 68 habe Frankreich keine vergleichbaren Engpässe bei der Versorgung mit Treibstoff wegen Streiks erlebt. Nur die Bretagne und der Südwesten sind bisher weitgehend verschont geblieben.

Treibstoffrationierung als letztes Mittel

Offiziell sind zwar in ganz Frankreich nur ein Drittel der Tankstellen wegen leeren Reservoirs geschlossen, doch die Realität im Straßenverkehr ist eine andere: Sobald an einem Ort Treibstoff vorhanden ist, bilden sich Warteschlangen. Oft liegen die Nerven blank. „C’est la galère!“ („So ein Schlamassel!“), schimpfen viele. Der Tank ist leer, aber die Schnauze voll nach stundenlanger Suche, während andere „vorsorglich“ ganze Kanister füllen.

Auch die Hamsterkäufe mehren sich, angeblich soll in den letzten Tagen die Verkaufsmenge um 30 Prozent gestiegen sein. Viele der auf ihren Pkw angewiesenen Automobilisten sitzen auf dem Trockenen und können nicht mehr zur Arbeit fahren. Für die öffentlichen Dienste oder Berufstätige im Sozial- und Gesundheitsdienst, die Hausbesuche machen müssen, sind exklusive Zapfsäulen eingerichtet worden. Falls sich kein Ende des Konflikts abzeichnet, muss der Treibstoff bald rationiert werden.

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