Öffentliche Aufträge: Lindner blockiert Tarifgesetz
Geht es nach Hubertus Heil, soll bei öffentlichen Aufträgen künftig nach Tarif gezahlt werden. Das Finanzministerium hat ein Veto eingelegt.
Die Ampel streitet über das von der SPD forcierte Tariftreuegesetz. Das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) hat das Gesetzgebungsverfahren vorerst gestoppt und ein Veto gegen die Anhörung von Verbänden eingelegt. Dies wurde der taz aus Regierungskreisen bestätigt.
Aus Kreisen des Finanzministeriums hieß es, der Gesetzentwurf, den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorlegte, werde den Zielen der Initiative noch nicht gerecht. Man wolle, dass wirtschaftliche Dynamik erleichtert und nicht bürokratische Hürden erhöht werden. Auch sei die Tariftreue für die Sozialpartner von besonderer Bedeutung. Ein Sprecher von Arbeitsminister Heil sagte nur, die Gespräche innerhalb der Regierung zu dem Gesetz dauerten an, das Ergebnis bleibe abzuwarten.
Das Tariftreuegesetz sieht vor, dass Unternehmen, die für den Bund tätig sind, nach Tarif bezahlen müssen. Egal ob eine Brücke saniert oder der Caterer für ein Ministerium gewechselt wird – Arbeitnehmer:innen würden in diesen Fällen unter dem Schutz eines Tarifvertrags stehen. Den Gesetzentwurf hatte Heil kürzlich vorgestellt. Der Staat habe eine Vorbildfunktion, betonte er.
Auf das Gesetzesprojekt hat sich die Ampel 2021 in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. „Wir wollen die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung stärken, damit faire Löhne in Deutschland gezahlt werden. Dies befördert auch die nötige Lohnangleichung zwischen Ost und West“, heißt es dort.
Kritik von SPD-Fraktion
Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, zeigte sich irritiert über den Widerstand aus dem FDP-geführten Bundesfinanzministerium. Beim Tariftreuegesetz gehe es um faire Wettbewerbsbedingungen, „vor allem auch für die Unternehmen, die ihre Leute ordentlich bezahlen und durch Schmutzkonkurrenz kaum eine Chance auf öffentliche Aufträge haben“, betonte sie.
Verdi-Chef Frank Werneke bezeichnet die FDP-Blockade als „ein echtes wirtschaftspolitisches Standortrisiko für Deutschland“. Der Ampel drohe weiterer schwerer Schaden an ihrer politischen Glaubwürdigkeit, wenn die FDP nach einem längst verkündeten Kompromiss nun das Tariftreuegesetz wieder infrage stelle, warnte Werneke. Das Finanzministerium, erklärte Werneke, irre sich: Es habe bislang keinen abschließenden Kompromiss gegeben.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hingegen begrüßte das Veto des Finanzministers. „Wir fordern die Regierung auf, die Pläne für einen Tarifzwang bei öffentlichen Aufträgen endlich aufzugeben oder praxisnah fortzuentwickeln“, so Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter zur dpa.
Ähnliche Tariftreuegesetze, wie nun auf Bundesebene geplant ist, gibt es bereits in mehreren Ländern, etwa in Thüringen, Berlin und im Saarland. Weitere Länder diskutieren Entwürfe.
Laut Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hätte eine stärkere Tarifbindung auch wirtschaftliche Vorteile. Auf jährlich 130 Milliarden Euro beziffert der DGB den Schaden, der Fiskus und Beschäftigten durch Tarifflucht in Deutschland entsteht.
Leser*innenkommentare
Andreas J
Lindner ist einfach nur ein ekelhafter Typ.
Josef 123
"Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hingegen begrüßte das Veto des Finanzministers. „Wir fordern die Regierung auf, die Pläne für einen Tarifzwang bei öffentlichen Aufträgen endlich aufzugeben oder praxisnah fortzuentwickeln“, so Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter zur dpa."
Das glaube ich gerne, daß das den Arbeitgebern so passen würde. Das Ergebnis schaut dann bei mit Steuergeldern finanzierten Baustelle so aus wie auf mancher privaten seit langem schon: Die deutsche Firma schnappt sich den Auftrag und vergibt ihn gewerkeweise an Subunternehmer (gerne aus Osteuropa), die zu Dumping- und Festpreisen an der Baustelle schuften. Auf Stunden umgerechnet wird der Mindestlohn nicht mal ansatzweise erreicht.
Es ist ja gute alte FDP-Tradition, auf Arbeitnehmerrechte zu pfeifen.
Der Staat darf mit unseren Steuergeldern nicht zum Lohndrücker werden. Und das immer wieder gerne gebrachte Argument "Bürokratie" zieht nicht: Der Anbieter muss lediglich mit seiner Unterschrift bestätigen, daß er nach Tarif bezahlt. Hält er sich nicht daran, macht er sich strafbar. Evtl. Kontrollen bei Bedarf: Lohnabrechnungen. Die muß er sowieso erstellen. Also kein zusätzlicher Aufwand
Libuzzi
@Josef 123 Da sieht man halt, was Herr Kampeter und Herr Lindner unter Bürokratieabbau verstehen: Deregulierung. So entsteht Wachstum -- das dann bei den Kapitaleignern herunterfällt. So geht Wirtschaft!
Gnutellabrot Merz
Es bleibt dabei in Deutschland, Hauptsache billig.
Wo ist eigentlich der Kanzler, wenn man ihn braucht? Er könnte ja mal den Finanzminister entlassen.
Aber vermutlich ist Scholz froh, dass die FDP alle Maßnahmen zur Stärkung der kleinen Leute blockiert. Er will das vermutlich selber nicht.
warum_denkt_keiner_nach?
Kann es nicht wenigstens mal eine Woche geben, in der kein Blödsinn von Lindner kommt?
Octarine
Ziel der FDP ist es, die Regierungsarbeit, wann immer möglich zu behindern.
Für eine Oppositionspartei ist das gut, für eine Partei an der Regierung, bedeutet es das Ende.
Scholz ist gefragt, er sollte ein Gespräch mit Lindner führen, und falls notwendig die Vertrauensfrage stellen.
Sehen die Politiker nicht, dass sie es sind, die das Vertrauen in Politik, durch ihr Verhalten zerstören?
Perkele
Es bleibt das Muster der Pseudopartei FDP: ausschlißlich die eigene Klientel interessiert, nicht das Gemeinwohl. Arbeitnehmer*innen gehören nicht zum Klientel dieser Lobbytruppe. Und es wird abermals deutlich, dass Fairness, Zuverlässigkeit und Gesamtverantwortung absolute Fremdworte für diese Leute sind. Sie sind unredlich.