Kontroverse um Genesenenstatus: Kniefall vor der FDP
Die Entmachtung des RKI-Chefs Wieler basiert auf Lügen. Die FDP scheint zu glauben, je öfter man Unwahrheiten wiederholt, desto wahrer werden sie.
E s ist nicht erst eine Lehre dieser Pandemie, dass man Lügen nur überzeugend vortragen muss, um sie aussehen zu lassen wie die Wahrheit. Lügen bleiben sie trotzdem. Eine Lüge ist, dass das Robert Koch-Institut (RKI) mit der Verkürzung des Genesenenstatus einen Fehler begangen hätte. Ebenfalls gelogen ist, was Hendrik Wüst am Mittwoch nach dem Bund-Länder-Treffen sagte.
Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen warf der Behörde hinsichtlich des Genesenenstatus ein Hin und Her vor, das die Menschen verunsichere und beendet werden müsse, weshalb man dem RKI die Befugnis über den Genesenenstatus wieder entziehe. Wahr ist jedoch, dass Bundestag und Bundesrat, nicht das RKI, beschlossen, dass den fachlich kompetenten Einrichtungen des Bundes, dem Robert Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut, auch Entscheidungskompetenz zukomme.
Und es ist nicht das RKI, das nach der ersten dieser Entscheidungen und einer sagenhaft peinlichen Empörungsinszenierung durch die innerkoalitionäre Opposition, kurz FDP, nun wieder zurückrudert. Es sind der Bund und die Länder – und erstaunlicherweise rudert der bisher wissenschaftsaffine Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit. Lauterbach hatte sich dabei deutlich zu Wieler und der Entscheidung des RKI bekannt und noch vor zehn Tagen Studienergebnisse getwittert, die eine Verkürzung des Genesenenstatus stützen.
Unterstützung erfuhr das RKI auch durch die Gesellschaft für Virologie, die in einer Stellungnahme zudem eine bundesweit einheitliche Regelung fordert, die es bislang nicht gibt, weil die Länderchefs es nicht wollen. Jetzt aber erklärt Lauterbach plötzlich, keine Verantwortung für das Handeln „anderer“ übernehmen zu wollen, und meint mit den „anderen“ das RKI. Es ist das Her nach dem Hin, der Kniefall vor den Ländern – und der FDP samt ihrer impfkritischen Gefolgschaft.
Wie der kleinste Partner in der Koalition eine solche Macht entfaltet? Es ist wohl wirklich so: Man muss die Lügen nur überzeugend vortragen. Dann glaubt sie irgendwann das ganze Kabinett.
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