Verkürzter Genesenenstatus: Klagen mit Erfolgsaussichten

Laut einem Urteil war die Verkürzung des Genesenenstatus rechtswidrig. Nun droht eine Klagewelle, die die Bundesregierung noch abwenden will.

Personen kontrollieren das Handy einer anderen Person.

Kontrolle des Impf- und Genesenstatus in einem Restaurant in Berlin Foto: Annette Riedl/dpa

FREIBURG taz | Wer jüngst seinen Genesenenstatus verloren hat, weil dieser von sechs auf drei Monate verkürzt wurde, kann beim Verwaltungsgericht Berlin klagen und wird ihn wohl zurückbekommen. Das ist die Folge einer gesetzgeberischen Fehlleistung von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Zwar hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits eine Neuregelung angekündigt, er kann aber nicht sagen, wann sie kommt und mit welchem Inhalt.

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschied am Donnerstag, dass die derzeitige Regelung des Genesenenstatus „rechtswidrig“ ist. Laut Infektionsschutzgesetz müsse die Bundesregierung die Dauer des Genesenenstatus selbst bestimmen. Die Regierung durfte diese Aufgabe nicht an das Robert Koch-Institut (RKI) delegieren, das Mitte Januar den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate verkürzte.

Das VG Berlin erklärte sich sogar bundesweit für entsprechende Klagen zuständig, weil es um eine Verordnung der Bundesregierung geht. Am Freitag lagen schon 50 weitere Klagen vor. Es könnten Zehntausende werden, wenn die Bundesregierung nicht bald reagiert.

Dabei konnte Lauterbach gewarnt sein. Schon am 28. Januar hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags auf verfassungsrechtliche Zweifel hingewiesen. Am 6. Februar hatte das Verwaltungsgericht Osnabrück die Delegation ans RKI für „verfassungswidrig“ erklärt. Ähnlich entschieden daraufhin die Verwaltungsgerichte in Hamburg, Halle und Ansbach. Am 11. Februar äußerte sogar das Bundesverfassungsgericht in seinem Eilbeschluss zur Pflege-Impfpflicht „Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit“ der Verweisung auf das RKI.

Hin und her zwischen RKI und Bundesregierung

Auch der politische Druck ist hoch. Schon Anfang Februar forderte die Gesundheitsministerkonferenz eine Rückkehr zur alten Regelung, wonach die Bundesregierung den Genesenenstatus definiert. Auch die CDU forderte, der Minister müsse so etwas selbst entscheiden. Schließlich sagte Lauterbach selbst kürzlich in Bild: „Über tiefgreifende Entscheidungen wie etwa den Genesenenstatus möchte ich selbst und direkt entscheiden.“ Die Bund-Länder-Konferenz bekräftigte Lauterbachs Vorhaben, die Delegation rückgängig zu machen.

Dabei hatte die Bundesregierung die Delegation aufs RKI erst am 10. Januar beschlossen, auf Vorschlag Lauterbachs. Aber die Verantwortung ist kollektiv: Am 13. Januar stimmte der Bundestag der Änderung in der „Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung“ zu, mit den Stimmen von Ampel, CDU/CSU und Linken.

Am 14. Januar kam der Bundesrat sogar zu einer Sondersitzung zusammen und stimmte ebenfalls zu. Dort versprach Lauterbach: Der Genesenenstatus werde vom RKI „ausschließlich auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse“ verändert, „also ohne eine Beeinflussung durch den Minister zum Beispiel“.

Sogar die Halbierung des Genesenenstatus, die nun immer als Eigenmächtigkeit von RKI-Chef Wieler kritisiert wird, war bekannt. Am 13. Januar sagte Sabine Dittmar (SPD) im Bundestag: „Der Genesenenstatus wird künftig nach 3 Monaten bzw. 90 Tagen entfallen.“ Dittmar ist parlamentarische Staatssekretärin in Lauterbachs Ministerium.

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