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Oft ist es hier nicht so ruhig: Monique Hänel im Büro der Grünen in Görlitz Foto: Pawel Sosnowski

Hass auf die Grünen in OstdeutschlandIm Osten nichts Grünes?

Nirgendwo sind die Grünen so unbeliebt wie in Ostdeutschland. Mangelnde Bürgernähe, Realitätsferne und Wessitum. Woher kommt das?

E s ist eine Auflistung puren Hasses. Einmal, so berichtet Monique Hänel, kam ein Mann ins Büro und rief: „Ich wollte nur sagen, dass ihr scheiße seid!“ Ein anderer kündigte am Telefon an: „Ich komme ins Büro und hole mir mein Geld!“ – „Welches?“ fragte Hänel. „Das, was mir fehlt wegen euch Grünen!“ Ein anderes Mal kam ein Mann in die Geschäftsstelle gestürmt und bedrohte eine Mitarbeiterin mit einem Fahrradschloss. „Den haben wir angezeigt.“ Ein Anrufer brüllte: „Ihr elenden grünen Drecksäcke. Ich hasse euch. Am besten komm ich ins Büro und schlag euch tot!“ Hänel informierte die Kripo.

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Dazu kommen die unzähligen Angriffe gegen das Büro selbst, die Farbattacken, die verkleisterten Türschlösser und die bespuckten Fensterscheiben. Monique Hänel leitet das Regionalbüro der Grünen in Görlitz, tief im Osten Sachsens an der Grenze zu Polen. Belastend seien die Attacken, sagt sie. Das alles nimmt man schließlich am Abend mit nach Hause. „Ich wollte schon Bäume umarmen.“

Die Anrufe kommen aus dem Landkreis, und die Eindringlinge sind Männer der Generation 50 plus. Themenhopping betreiben sie – Ukraine, Energiepreise, Flüchtlinge, Klima. Sie brandmarken alles Grüne, lassen Dampf ab, kippen ihren Unrat aus. Der letzte Winter war besonders heftig, im Frühjahr hat sich die Lage dann beruhigt. Die Frühlingssonne, vermutet Monique Hänel, habe manch aufgewühlte Seele entspannt.

Beruhigend, einerseits. Andererseits kann es bald wieder losgehen. Die Temperaturen fallen. Inzwischen gibt es Vorkehrungen. Die Eingangstür ist verschlossen. Erst nach Sichtkontrolle schließt Monique Hänel auf und bald werde der Außenbereich „kameratechnisch abgedeckt“, eine Empfehlung des sächsischen Landeskriminalamts.

Schubert ist eigentlich keine polarisierende Grüne

„Dass ich das mal erlebe, dass sich das Landeskriminalamt um Vorfälle kümmert, finde ich krass“, sagt Franziska Schubert. Alles Gift, was für das Görlitzer Büro bestimmt ist, soll auch sie treffen. Es ist ihr Abgeordnetenbüro in der Heimat. Jetzt sitzt sie in einem kahlen Besprechungsraum, irgendwo im Landtag in Dresden. „Es ist eine Enthemmung im Gange, die finde ich besorgniserregend.“ Es klingt nicht ängstlich, wie sie es sagt, doch nachdenklich.

Die 41 Jahre alte Grünen-Politikerin war bisher keine, die sich persönlich Sorgen machen musste. Schubert polarisiert nicht, sie führt zusammen. Den Grünen hat sie in Görlitz schon zum Höhenflug verholfen.

Franziska Schubert ist Grünen-Abgeordnete für Görlitz im Sächsischen Landtag Foto: Ronald Bonß/dpa/picture alliance

In der 56.000-Einwohner-Stadt, in der seit Jahren regelmäßig ein Drittel für die AfD stimmt, ist ihr 2019 ein Triumph gelungen. Bei der Oberbürgermeisterwahl hatten im ersten Wahlgang 28 Prozent für Schubert votiert, Platz drei, knapp hinter dem CDU-Mann. Der AfD-Anwärter allerdings hatte beide überflügelt. Erstmals in Deutschland hätte ein AfDler Oberbürgermeister einer Stadt werden können. Es kam anders. Schubert verzichtete, warb im zweiten Wahlgang für eine „offene Europastadt“ und unterstützte so den CDU-Kandidaten. Mit 55 Prozent zog der ins Rathaus ein.

Am Alltag der Menschen vorbei

Das verleitete Annegret Kramp-Karrenbauer, damals die CDU-Vorsitzende, den eher wackeligen Sieg ganz für ihre Partei zu reklamieren. „So far away from here“ sei die Parteispitze der CDU, so weit, weit weg von den tatsächlichen Verhältnissen, schimpfte Schubert über dieses Fehlurteil. „Das ist genau der Stil, der die Menschen wütend macht“, sagte sie damals der taz.

Möglicherweise kommen die Fehleinschätzungen inzwischen von den Grünen. Franziska Schubert, offener, freundlicher Blick, macht nicht den Eindruck, dass sie dieser Gedanke empört. Schuberts Eltern betreiben in dritter Generation eine Fleischerei in einem Dorf dreißig Kilometer südwestlich von Görlitz.

Was das Handwerk von Robert Habecks über Monate favorisierten Idee vom Industriestrompreis hält, dürfte ihr der Vater bereits erzählt haben. Nicht nur die Aluminiumindus­trie braucht Energie, auch das Schlachthaus, das Kühlhaus und der Backofen.

Die Wirtschafts- und Sozialgeografin Schubert kam nach Abschlüssen in Osnabrück und Budapest nach Ostsachsen zurück. Sie, die überzeugte Katholikin, bezeichnet sich als Lokalpatriotin.

„Es gibt so ein paar Annahmen, vielleicht auch innerhalb der Bündnisgrünen, die nicht zum Alltag der Menschen passen“, überlegt sie. „Wir sind als Bündnisgrüne beispielsweise manchmal recht unfreundlich gegen Wohneigentümer.“ Hausbesitz werde schnell mit Reichtum gleichgesetzt. Dabei sind Wohnhäuser im ländlichen Raum Ostdeutschlands Lebensgrundlage und Altersvorsorge in einem, Kredite vor der Rente oft nicht abbezahlt.

Vorangehen, vorangehen

Fragen der energetischen Sanierung könnten da eben nicht nur technisch abgehandelt werden. Es gehe da schnell um Investitionen im sechsstelligen Bereich. Leute mit einem Einkommen, „die das so ohne weiteres stemmen können, die sehe ich im Osten nicht an jeder zweiten Hausecke“. Schubert hat das neunzig Jahre alte Haus ihrer Großeltern übernommen. Wenn Hausbesitzer zu ihr kommen, ahnt sie, was falsch läuft. „Gerade die Älteren haben eine Heidenangst, dass es kalt wird.“ Wer in so einem Moment über Wärmepumpen doziert, mag technisch auf der Höhe sein, sozial eher nicht.

Lösungen zaubert man nicht aus dem Hut. Das ist die Realität, und die Vorreiterrolle, die die Grünen beanspruchen, hat auch noch ihre Tücken. „Manchmal ist es bei uns Bündnisgrünen so, dass wir vorangehen, vorangehen, vorangehen und dabei vergessen, uns umzudrehen und zu schauen, ob die Leute mitkommen.“

Eigentlich wollte Franziska Schubert das Gespräch in ihrem Görlitzer Büro führen, dort, wo schon die Eingangstür von der Mühsal grüner Politik erzählt. Ihr Kalender, voll mit Terminen, hat das verhindert. Schubert blickt aus dem Fenster. An dem Parlamentsgebäude fließt die Elbe vorbei. Im Sommer sieht man in dem Fluss, einst nicht viel mehr als eine Kloake, immer wieder Menschen baden. Nicht nur für Grüne ein Lichtblick im tiefsten Osten.

Dabei sind in allen ostdeutschen Ländern die Bündnisgrünen seit Jahren im Parlament vertreten, in drei Landesregierungen stellen sie Minister und Staatssekretäre. Schlecht ist diese Bilanz nicht. Vor zwanzig Jahren war sie desaströs. Die Grünen waren damals aus den Parlamenten aller ostdeutschen Flächenländer geflogen, die ökologischen Erneuerer gescheitert.

Grüne haben es schwer, mit ihren Ideen durchzudringen

Paul Dörfler kennt diese Enttäuschung – und hat sie hinter sich gelassen. Dörfler führt durch den Garten hinter seinem Häuschen im Dörfchen Steckby an der Elbe. Der Garten ist ein Mix aus Streuobstwiese und Urwald, mittendrin Tisch und Bank.

Paul Dörfler war Mitgründer der Grünen im Osten, aktiv ist er heute nicht mehr Foto: Harald Krieg

„Schau mal da, Bienenfresser!“ ruft er. „Die fangen sich jetzt die Insekten, die aufsteigen, und fressen sich voll für ihre Reise in den Süden.“ Er deutet auf die farbenprächtigen Vögel, die direkt über seinen Kopf jagen. Eigentlich liegt ihre Heimat weiter im Süden. Doch seitdem es nördlich der Alpen stetig wärmer wird, fühlen sie sich auch hier wohl, besonders in Braunkohleregionen. Sachsen-Anhalt ist einer ihrer Favoriten. Die Bruchkanten für ihre Nistkolonien finden sie in Tagebauen.

Dörfler hat ein ganzes Buch, „Nestwärme“, über Vögel geschrieben, über ihr Verhalten, ihre Lebensweise, es stand lange auf Bestsellerlisten. Gerühmt wird Dörflers Beobachtungsgabe, und das betrifft nicht nur die Vogelwelt.

Dörfler kennt auch die Grünen in allen Ausprägungen – die vielen, die den kräftigen Westzweig bilden, die eigensinnigen Bürgerrechtler vom Schlage einer Vera Lengsfeld oder eines Werner Schulz, und die eher wenigen Grünen, die aus der DDR kommen, kennt Dörfler natürlich auch. Und er kennt auch den Menschenschlag, der es der Öko-Partei so schwer macht, mit ihren Ideen durchzudringen. Dörfler versucht das selbst seit vierzig Jahren.

Ein Buch gegen die Umweltpolitik der DDR

1986 hat Dörfler zusammen mit seiner Frau Marianne in der DDR das Buch „Zurück zur Natur?“ veröffentlicht – eine Sensation, da es erstmals die gewaltigen ökologischen Probleme des Arbeiter- und Bauernstaates thematisierte und sich heute noch liest wie ein Leitfaden für den ökologischen Umbau. Erstaunlicherweise im staatlichen Urania-Verlag erschienen, waren die 15.000 Exemplare binnen dreier Tage verkauft. Populär war die Einsicht, dass es für das menschliche Handeln planetare Grenzen gibt, dennoch nicht.

wochentaz

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Paul Dörfler hat 1989 die Grüne Partei in der DDR mitgegründet, er war in der letzten Volkskammer Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Energie und Reaktorsicherheit und war nach dem 3. Oktober 1990 Abgeordneter der Grünen in Bonner Bundestag.

Dörfler, ein promovierter Chemiker, war einer der profiliertesten Umweltexperten, als die SED angesichts der ökologischen Katastrophe, in die die DDR schlitterte, Umweltdaten noch als Staatsgeheimnis betrachtet hat. Umweltschützer galten schnell als Staatsfeinde, weil sie die Fortschrittsgeschichte des Sozialismus in Frage stellten, der Gesellschaftsordnung, die angetreten war, die gesamte Menschheit zu beglücken.

Damit war es 1990 vorbei, mit Umweltthemen allerdings auch. Mit dem „Aufschwung Ost“, dem milliardenschweren Konjunkturhammer der Kohl-Regierung, waren ökologische Fragen schnell wieder vom Tisch. Was zählte, waren Autobahnen, Wasserstraßen, Gewerbegebiete – kurzum: Fortschritt, diesmal im Gewand der Marktwirtschaft.

„Wir haben als Grüne gefragt, hat das Sinn? Ist das nachhaltig?“ erinnert sich Dörfler. So sollte die weitgehend naturbelassene Elbe als Trasse für Schubverbände vertieft werden, obwohl sie schon damals nicht mehr genügend Wasser führte.

Die Sündenböcke der 90er

Dazu kamen Reizworte von den Grünen wie: Weniger Auto, mehr Bahn! „Wir waren Staatsfeinde, und wir wurden Wirtschaftsfeinde“, fasst Dörfler zusammen. „Und als sich die ‚blühenden Landschaften‘ nicht einstellen wollten, waren wir die Sündenböcke.“ Das wirkt nach. Mit so einer Fama im Rücken ist Robert Habeck als Wirtschaftsminister ein passendes Feindbild, besonders bei der Generation 50 plus im Osten.

Vorsichtig nennt Dörfler diese Gruppe „die Sesshaften“. Das Gegenstück sind die Mobilen, die nach 1990 den Osten verließen und im Westen ihre Chance suchten. Menschen, die sich wahrscheinlich eher für grüne Themen interessieren, vermutet Dörfler. Wenn sie Grün wählen, dann heute in Baden-Württemberg oder Bayern.

Überhaupt könne man in dünn besiedelten Regionen auch ganz gut ohne grüne Vorstellungen leben. Verkehrslärm? Abgase? Feinstaub? Wenn man nicht gerade eine Schweinemastanlage vor der Nase hat, könne man Umweltprobleme einfach ignorieren.

Dabei profitiert auch das Dörfchen Steckby von urgrünen Konzepten wie nachhaltigem Tourismus. Der Elbe-Radweg, ein 1.280 Kilometer langes Band entlang der Elbe von ihrer Quelle im Riesengebirge bis nach Cuxhaven, führt direkt an Dörflers Haus vorbei. St. Nikolai mitten im Ort wurde zur Radfahrerkirche erhoben und Pensionen werben mit der naturbelassenen Flusslandschaft, mit Fischadlern, Störchen und Bibern.

Eine Mehrheit, die den Klimawandel komplett ignoriert

Dörfler, der Umweltpionier, hielt es nicht lange im Bundestag aus. Er trat zur Wahl im Dezember 1990 nicht wieder an. Dörfler hat gelitten, er zählt auf: die endlosen Sitzungen, die klimatisierten Räume, das künstliche Licht, falsche Ernährung und kein Draht mehr zur Natur. „Irgendwann nimmt dein Körper die Form eines Stuhls an.“

Allerdings war Dörfler auch politisch ernüchtert. Er packt einen Tausend-Seiten-Wälzer auf den Tisch, ein geradezu historisches Konvolut vom Oktober 1990 zum Thema „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“, verfasst von der gleichnamigen Enquete-Kommission des Bundestages, sein Appell: Sofort den Klimawandel bekämpfen, den CO2-Ausstoß verringern und die Energiewende anpacken! „Die Mehrheit hat das komplett ignoriert.“

Dörfler ist Autor geworden. Mit seiner jüngsten Veröffentlichung „Aufs Land“ schließt sich der Kreis, der 1986 in der DDR mit „Zurück zur Natur?“ begann. Es ist ein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben auf dem Land, für ein Ende von Konsumzwang und Fremdbestimmung. Vor allem aber wirbt es für eine Versöhnung zwischen den urbanen Zentren und der Peripherie – vielleicht ist auch das ein versteckter Wink an die Grünen.

Dörfler ist 73 Jahre alt. Er wirkt wie ein weißhaariger Naturbursche. Zum Abschied zückt er ein Taschenmesser und schneidet eine Zucchini ab. Der Abstand zum politischen Geschäft hat ihm sichtlich gutgetan.

Die Ur-Grünen in Ostdeutschland

Das kann man von Lukas Beckmann auch sagen. Beckmann, ebenfalls 73, hat sich für die Grünen zuvor jahrzehntelang krumm gemacht. Er hat die Partei mitgegründet und -aufgebaut. Er war Bundesgeschäftsführer, Vorstandssprecher und Fraktionsgeschäftsführer, um nur einige Ämter zu nennen, jetzt schließt er das Herrenhaus von Zernikow in Brandenburg auf. 2017 hat sich Lukas Beckmann mit seiner Frau hier niedergelassen. Er und Ingrid Hüchtker gehören damit zu den Ost-Grünen, zwei von etwa 10.000 Mitgliedern, die die Partei in den ostdeutschen Flächenländern hat.

Neben Beckmann und seiner Frau, die sich in der hiesigen Gemeindevertretung engagiert, haben sich zwei Kommunalpolitiker eingefunden, Uwe Mietrasch und Reiner Merker, beide Endvierziger, die sich hier in Brandenburg wacker für grüne Ideen schlagen. Beckmanns Ankunft hat den Grünen zwischen Oranienburg und Rheinsberg einen Neuanfang beschert.

Es gibt keine Partei im Parteienspektrum, die so sehr Westpartei ist wie die Grünen

Reiner Merker, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag von Oberhavel

Lukas Beckmann inspiriert und motiviert wie vor Jahrzehnten. Und kaum einer überblickt die Geschichte der Grünen so wie der Bauernsohn aus der Grafschaft Bentheim ganz im Westen. 1979 – Habeck war ein Kind, Baerbock noch gar nicht geboren – da hat Beckmann mit Petra Kelly, Joseph Beuys und Rudi Dutschke Europa-Wahlkampf betrieben.

Nach 1990 hat er die Vereinigung der Grünen mit Bündnis 90 vorangetrieben. Er kannte DDR-Bürgerrechtler und Oppositionelle der Charta 77 aus der CSSR, Paul Dörfler hat bei ihm in Bonn übernachtet. Kurzum – Beckmann hat alles getan, damit die Bündnisgrünen zu einer länderübergreifenden, europäischen Kraft werden.

Gendern im Osten

Und jetzt sagt Reiner Merker, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag von Oberhavel: „Es gibt keine Partei im Parteienspektrum, die so sehr Westpartei ist wie die Grünen.“

Merker führt das gleich aus. Es seien nicht nur ganz oft die Zugezogenen, die sich politisch engagieren, sie kommen eben oft auch aus dem Westen. Merker selbst stammt aus Thüringen und sein Nachbar Uwe Mietrasch wuchs in Schwedt an der Oder auf. Aber sonst? Seine Fraktion hat sieben Mitglieder, sagt Merker, nur zwei davon sind aus Ostdeutschland, einer von ihnen ist nach 1990 geboren.

Merker, Landwirt und Obstbaumspezialist, ist der einzige hier, der die Sprache mit ihren versteckten Anspielungen, die die DDR geprägt hat, versteht. Die Sprache grüner Programmatik hingegen ist westdeutsch-akademisch. „Nehmen wir das Gendern“, sagt Merker. Es stamme aus dem feministischen Diskurs und sei ein folgerichtiger Schritt, die Gesellschaft zu sensibilisieren – für Westdeutschland.

In Ostdeutschland mit der Erinnerung von der Gleichberechtigung der Frau, ob propagiert oder tatsächlich gelebt, halten viele eine geschlechtergerechte Sprache für gegenstandslos. Ihr Argument: Wir hatten das doch schon. „Dann ist es nicht verständlich, wenn da die Grünen sich für dieses Thema stark machen.“ Natürlich wird in Merkers Fraktion trotzdem bei Vorlagen und Reden gegendert – als einzige Fraktion im Kreistag.

Für Ingrid Hüchtker, die 2002 nach einer fulminanten Rede des früheren Bürgerrechtlers Werner Schulz bei den Grünen eintrat, ein gutes Beispiel, „wie sehr sich der westdeutsche Feminismus und der ostdeutsche missverstehen“. Überhaupt, sagt Hüchtker, seien die Grünen in der Lokalpolitik, aber auch in Verwaltung und Wirtschaft schlecht verankert. „Die meisten Menschen haben gar keinen Kontakt zu Grünen. Deswegen kann man das so füllen mit irgendwas.“ Im Zweifelsfall auch mit Hass. Hüchtker, die in Berlin als Lehrerin arbeitet und neben dem Engagement in der Gemeindevertretung auch Sprecherin des Ortsverbandes Gransee ist, stammt aus Münster.

Die Grünen, eine geschichtslose Partei

Reiner Merker erinnert daran, dass es schon einmal die Grünen in der Region gab, stark geprägt von Leuten von Bündnis 90. „Die sind aber alle ausgetreten.“ – „Was war der Grund?“, fragt Beckmann. „Die ‚Kriegstreiberei‘ der Grünen“, sagt Uwe Mietrasch, „der Jugoslawienkrieg“. Und später auch Hartz IV. Der Ingenieur war Geschäftsführer von Stadtwerken in der Region. Jetzt ist Mietrasch selbstständig, hat Zeit für Familie, Haus und Hof – und für Politik. Er ist für die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung Gransee, Parteimitglied ist er allerdings nicht.

Lukas Beckmann überlegt. Er sieht vor allem kulturelle Entfremdungen durch Sprache zwischen Stadt und Land. Es gehe um mehr als Gendern. „Eine Partei, die immer jugendlicher daherkommt, hat es schwer, Menschen zu überzeugen, die schon große Transformationen durchlebt haben.“

Ost und West hätten sich zwar vermischt, eines aber sei geblieben. „Die Grünen sind im öffentlichen Bewusstsein in Ostdeutschland im Kern immer noch die Westgrünen“, präzisiert er. „Viele Ostdeutsche verzeihen uns Geschichtslosigkeit nicht. Wir haben zwar für Europa geworben, bis 1989 endete es aber für viele im Westen an der Elbe. Alles, was östlich war, hat leider zu wenige interessiert.“

Für Beckmann sind Parteien ein zentrales Mittel, Demokratie zu leben und Freiheit zu ermöglichen. Bei den Grünen aber kommt eine Besonderheit hinzu. „Du kannst mitfahren, aber die Grünen wissen genau, wo es lang geht“, sagt er. „Und das ist einfach nicht sehr einladend. Wir isolieren uns dadurch selbst und ziehen kulturelle Grenzen ein.“

Anruf in Görlitz. „Alles ruhig“, sagt Monique Hänel entspannt, zur Zeit keine Beschimpfungen, keine Angriffe. Eine gute Nachricht, nicht nur für die Grünen.

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29 Kommentare

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  • Woher das kommt?



    Von mangelnder Bürgernähe, Realitätsferne und Wessitum.

  • Hervorragender Artikel /Bericht, kann ich 1:1 unterstützen! Die Grünen und Lafontaine von der SPD waren auch diejenigen, die als Bremser der Wiedervereinigung daher kamen und schon damals 5 Mark für den Liter Benzin gefordert haben, als alle Ostdeutschen erstmal ein Westauto kaufen wollten. Das kam natürlich gar nicht an. Umweltschutz war natürlich wichtig, die SED hat die Natur nicht besonders interessiert und Flüsse im Chemiedreirck waren tote Gewässer, also hat man die Grünen für den Umweltschutz dringend gebraucht. Nur das technokratische arrogante Besserwessitum hat die Leute abgestoßen

  • „… Viele Ostdeutsche verzeihen uns Geschichtslosigkeit nicht. Wir haben zwar für Europa geworben, bis 1989 endete es aber für viele im Westen an der Elbe…“



    Apropos Geschichte.



    Da war ein eiserner Vorhang. Es gab keine Mitsprache von West nach Ost und umgekehrt. Der sonderzug fuhr nur selten. Das Fulda gap war im Westen bekannt. Es gab mal ne Milliarde DM, ansonsten nur persönliche Postsendungen….



    Darüber sprechen, dass die Länder zusammenarbeiten? Oft aussichtslos.



    Die Wende kam dann aus der ehemaligen DDR selbst. Aber der Teil „Bündnis 90“ aus der ehemaligen , bzw. den Grünen ist weg und vergessen.

    • @fly:

      Der Name "Bündnis 90" ist eben gerade im Osten nicht vergessen, viele Ostgrüne leben dies.



      Die Geschichtsvergessenheit ist leider real, gar nicht mal betreffs hinsichtlich des patriachalische Gestus von den "lieben Brüder und Schwester in der DDR", sondern mit Blick auf den Osten Europas, den viele (auch linke) eben vor 1990 als sowjetische und danach als russische Einflussspähre wahrnahmen, ohne den betreffenden Menschen eigene Interessen und Chancen zubilligen zu wollen.Und deswegen vor 1990 z.B. Solidarnosc ablehnten (Helmut Schmidt) oder auch den Maidan 2014.

  • Streiflichter erzählen immer nie die ganze Geschichte, die Geschichte und Realität der Grünen ist Osten ist vielfältiger.



    Als ein Teil von ihr (aus der Bürgerbewegung stammend und 25 Jahre lang Stadtrat für die Grünen hier) von mir drei ergänzende Anmerkungen:



    - Auch wenn die Grünen gern als Westpartei wahrgenommen wird (und auch so in der Presse geframt wird), die Bündnisgrünen waren im Gegesatz zu CDU/FDP/SPD (letztere hat die SDP nur geschluckt) die einzigen, die eine Vereinigung auf Augenhöhe hinbekommen haben bis in den Namen hinein. Und auch die meisten Akltiven auf Landes- und Kommunalebene, die ich kenne, haben eine ostdeutschen Geburtsort. Die Geschichte der Grünen hier (auch mit ihren Fehlern) ist eben gerade auch eine ostdeutsche Geschichte.



    - Minderheitsposition kenne ich, schon als Opositioneller in der DDR war ich in der völligen Minderheit gegenüber den Angepassten. Dies setzte sich nach 1990 fort. Daraus entwickelt sich aber Resilienz und Durchhaltevermögen.



    - Ich erlebe auch immer wieder die Situation, dass wir Bündnisgrüne das schlechte Gewissen derjenigen im Osten sind, denen wir vorgelebt haben, dass andere Biografien im Osten möglich waren (vor und! nach 1990) als die, die sie gelebt haben. Das ärgert, führt leider nicht zur Selbstbefragung, sondern zur Abwehr.

  • Aus meiner Sicht fehlt bei den Grünen eine positive Erzählung. Ich kenne fast niemanden mehr, der/die nicht ein schlechtes Gewissen hat, wenn Fleisch oder Wurst gegessen wird, auch fliegen ist in meinem Umfeld verpönt, obwohl es mit einer Zeitersparnis einhergeht, die man dann mit den Kindern verbringen kann, Auto fahren ist "böse", selbst wenn es keine Alternative gibt, die Heizung drehe ich und viele andere auf unter die Komfortgrenze herunter u.v.m.. Damit meine ich, dass es den Grünen gelungen ist, "normalen" Menschen ein permanent vorhandenes schlechtes Gewissen zu machen, jede/r von uns bemüht sich, aber es ist nie, niemals genug; das frustriert enorm und erzeugt Ablehnung.

    Ich wünsche mir von den Grünen besseres Marketing. Beispielsweise wäre ein Anfang so eine Art 3-2-1 Methode, die auch spielerisch aufgesetzt werden kann. Jede/r (verzichtet/)ändert 3 Sachen, die relativ leicht fallen, 2 Sachen, die ein wenig "zwicken" und 1 Sache, die schwer fällt. Irgendetwas in der Art. Das evtl. in Form eines spielerischen Wettbewerbs. Klingt kindlich, ich weiß, aber manche Wähler sind halt so.

  • Die Wortauswahl ist dort, wo ein komplexer Zusammenhang besteht, zu einfach; und umgekehrt. Was wir sehen ist ein Ausschnitt des Zustrebens auf eine neue Sozialordnung, getrieben von den s.g. Fehlern der Vergangenheit, wie zB Ausbeutung und Umweltzerstörung, insgesamt, auch wenn sich "alte Bekannte", Verträge, Handel , Armut, Reichtum pp., darin von ihrem Wesen nicht ändern. Die Grünen sind ein weiteres Opfer auf dem Weg zur Abschaffung der Demokratie. Zuerst sind die Parteien dran, denen Progressives und zivilisatorisch Fortschrittliches zugetraut wird. Dies selbst unter dem Vorbehalt des Irrtums darüber; dann geht es eben etwas schneller mit der Zerstörung, wenn man hinsichtlich dieser Partei einer Fehleinschätzung unterlag. Es ist auch die Zeit der "Wendehälse", man schlägt sich auf die Seite des vermeintlichen Siegers. Politisch handelnde und wertende Medien, Träger öff Gewalt, die kein politisches Amt haben, organisierte Fake- und WhatsApp-Facebook-Videos und -bildchen kommen dazu. Strategie. Geplantes Verhalten. Der Verhaltensplan. Genau jetzt ist nicht die Zeit, der s.g. Mehrheit, die eine Minderheit ist, nach dem Mund zu reden, sondern auch unter Risiken und Mandatsverlusten für die Demokratie und Humanität einzutreten. Angemessen differenziert. Dazu gehört für mich auch das Verbot der AfD und die fin. Stärkung der 95% der fin. unteren Bevölkerungsschichten.

  • Das bessere Argument möge obsiegen, die sozial und ökologisch fundierte erfolgreichere Strategie Realität werden, so das Wunschdenken. Dann wird plötzlich glaubhaft Gewaltbereitschaft auf der Gegenseite signalisiert und verbal aggressiv attackiert.



    Wo soll da ein Forum für Diskurs entstehen, es liegen Welten zwischen Weltbildern, was übrigens auch vor vielen Jahrzehnten so war. Scheinwelten und Potemkinsche Dörfer, da werden gerne Legenden eingepflegt. LEUNA und Bitterfeld, wer erinnert sich noch an den Smog oder an kahle Stellen im Harz?



    /



    taz.de/DDR-Luft-ma...er-krank/!1748889/



    /



    "Eine erste umfassende Bestandsaufnahme zu den Umweltproblemen der DDR hat Peter Wensierski in seinem Buch „Ökologische Probleme und Kritik an der Industriegesellschaft in der DDR heute“ vorgelegt. Schadstoffe in der Luft die Belastung des Wassers wird genauso beleuchtet wie Braunkohletagebau, Atomenergie, Giftmüll oder die Umweltbelastung am Arbeitsplatz."



    Quelle taz:



    taz.de/Bemuehungen...zu-spaet/!1819883/



    /



    Es gibt international ein Sprichwort zu Überbringer*innen schlechter Nachrichten:



    www.morgenpost.de/...ten-Nachricht.html

  • Man darf nicht vergessen, dass die Umweltbewegung in der DDR einen ganz maßgeblichen Anteil an der Wende hatte.



    Die Bevölkerung hatte nicht nur den Mangel satt sondern auch, dass viele das Obst aus dem eigenen Garten nicht essen durften - weil es belastet war.



    Belastet mit den Ausdünstungen der Industrie.

    Und wenn man dagegen die "Verdienste" der Grünen im Westen sieht ...



    Bescheiden. Sehr bescheiden.

    Atomausstieg: Kein Verdienst der Grünen.



    Tempolimit: Nicht mit den Grünen.



    Ausbau Schiene: Ach woher.

    Also wundert es nicht, dass man in den NBL nicht gut auf "Gängelgrün" zu sprechen ist.

  • Ich würde mir wünschen, dass etwas weniger pauschal über "den Osten" berichtet würde. Man schreibt ja so auch nicht über "den Westen", vor allem nicht in der Thematik. Als gäbe es bspw. in Baden-Württemberg nicht auch genügend Probleme in der Gesellschaft durch Verschwörungstheorien und bspw. eine enorm starke AFD. Das Problem muss unbedingt thematisiert werden, aber mit dieser Art Berichterstattung wird lediglich erzeugt, dass sich Menschen aus "dem Westen" für was besseres halten und Menschen aus "dem Osten" sich entweder nicht repräsentiert oder gar falsch dargestellt und zu unrecht verurteilt fühlen (es sind schließlich nicht alles Nazis und Hinterwäldler, alte weiße Männer ü 50). Stattdessen prägt es ein negatives Bild über die verlorenen Grünen im verloren Teil Deutschlands. Die Frage der Berichterstattung sollte für mich viel mehr lauten, warum das so ist und noch viel mehr welche Lösungsansätze es gibt. All die Menschen, die sich bspw. engagieren könnten auch positiv geframed werden, um auch andere zu motivieren sich einzubringen.



    Ich will dem Artikel also keineswegs Qualität oder Wichtigkeit absprechen. Das Thema beschäftigt mich allerdings und es war mir ein Anliegen, meine Sichtweise hoffentlich verständlich begründet darzustellen.

    • @Kaffeefreak:

      Die taz hatte da doch was:



      /



      "Podcast „East Side Stories“



      Annäherung statt Streit



      „East Side Stories“ widmet sich der DDR-Historie aus zwei Perspektiven: einerseits tiefgründig, andererseits unterhaltsam."



      taz.de/Podcast-Eas...-Stories/!5950401/



      /



      Prof Dirk Oschmann ist qua Bedürfnis nach "Richtigstellung" als Buchautor ziemlich erfolgreich, sogar populär geworden.

  • Die Grünen sind nun mal die Partei des arrivierten Bürgertums. Und im Osten gibt es nun mal kaum Arrivierte und erst recht kein Bürgertum. Die Grünen stehen dort für den verhassten Westen mit seinen Zumutungen.

    • @Suryo:

      Wie passt diese Aussage mit dem Fakt

      > Oberbürgermeisterwahl hatten im ersten Wahlgang 28 Prozent

      zusammen?

      "Die Grüne" wurden da von 28% gewählt, stehen also offensichtlich nicht "im Osten" für etwas Schlechtes, sondern bei bestimmten Gruppen.

      Ich hatte die 28% übrigens nicht mitbekommen. Toll, dass der Artikel sie aufgreift!

    • @Suryo:

      Wie kommen sie auf diese Ideen? Hier im Osten gibt es natürlich Arrivierte und es gibt auch ein Bürgertum.

      Man mag statistisch Unterschiede in diesem wie jenem zum Westen feststellen, aber das sind quantitative Abweichungen, keine kategorialen.

      Gehen sie durch ostdeutsche Städte und sie werden feststellen, dass es hier große Unterschiede in den Wohnumständen, bei den Autos usw. gibt, ganz wie im Westen. Die Gesellschaft ist genauso stratifiziert.

      Dass die Grünen für einen verhassten Westen stehen, da würde ich ihnen dennoch zustimmen. Sie stehen für Fremdbestimmung, für moralische Überheblichkeit, für schöngefärbte Sprache, für Professionen in denen man redet statt arbeitet und für weitere Dinge, die sich einfache Leute nicht bieten lassen wollen.

  • "Woher kommen diese Vorwürfe?"

    Die Grünen haben durchaus ihre Probleme, aber diese sind nicht so groß, dass es diesen Hass rechtfertigt. Dieser wurde im Osten über Jahrzehnte durch die russische Propaganda gezüchtet. Die Nazis, welche teils aus dem Kreml finanziert werden, haben das Thema dankend aufgegriffen und verbreitert. Dieses langsame Gift ist schon so weit in die Köpfe der Rechten eingesickert, dass ein Söder bei Lanz, außerhalb jeglichen Wahlkampfes und ohne Not, die Grünen als Feind bezeichnet.



    Alle ausländischen Medien und Netzwerke sollten strengen Überprüfungen unterliegen und bei Volksverhetzung sofort verboten und gesperrt werden. Dies hat man aus Ignoranz und missverstanden Pressefreiheit nicht getan, und jetzt erntet man Hass und Diskriminierung.

  • Sehr starke Analyse, dürfte aber für Westdeutschland in der Provinz ähnlich gelten, sagen wir das Sauerland…

  • Kommentar entfernt, bitte halten Sie sich an die Nettiquette. (Die Moderation)

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die Soli-Legende

      Zitat @Gnutellabrot Merz: „Anständiges Benehmen scheint bei vielen über die Jahre komplett verloren gegangen zu sein. Kaum war das Begrüßungsgeld verjubelt, wurde nur noch der Soli mitgenommen, dafür sind die Wessis gut genug.“

      Hier wird wieder in kammschwellender Selbstherrlichkeit die Legende gepflegt, beim „Soli“ handelt es sich um eine Art regelmäßiges West-Paket in den Osten, die Tatsache übersehend, daß es sich um eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer handelt, der prinzipielle alle Einkommens- und Körperschaftssteuerpflichtigen unterworfen sind, unabhängig von ihrem Wohnort, also auch die neuen Bundesbürger. Eingeführt wurde sie ursprünglich, um „verschiedenen Mehrbelastungen“ zu stemmen, die sich ergaben „nicht nur aus dem Konflikt am Golf, der auch nach seinem Ende finanzielle Anforderungen mit sich bringen wird. Finanzielle Mittel werden auch für die Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa auf dem Weg zur Marktwirtschaft und Demokratie benötigt. Hinzu kommen zusätzliche, früher nicht absehbare Aufgaben in den neuen Bundesländern, die sich aus externen Entwicklungen, insbesondere aus dem Zusammenbruch der früheren RGW-Absatzmärkte, ergeben.“ (Solidaritätsgesetz, Bundesdrucksache 12/220).

      Man beachte die Reihenfolge:



      1. der Golfkrieg,



      2. die Subventionierung der osteuropäischen Transformationsstaaten und (dann erst)



      3 die Kosten für die Integration der DDR-Nachfolgeländer in den Geltungsbereich des Grundgesetzes, begründet v. a. mit „externen Entwicklungen“ wie den Wegfall des RGW-Marktes und nicht „internen“ Zuständen.

      Diese Zusatzsteuer war Teil eines Steuerpaketes zusammen mit der Erhöhung der Versicherungs-, Mineralöl- und Tabaksteuer. Von den Einnahmen aus diesem Paket entfielen 1992 lediglich 30% auf den Soli. Aber der Soli erscheint vielen immer noch als eine Art leistungsloses Bürgergeld für die faulen Ossis, quasi als permanentes „Begrüßungsgeld“.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Tut mir leid, ich hatte vergessen meinen Beitrag als sarkastisch zu markieren. Ich wollte niemanden beleidigen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das Weltbild, welches Sie über Ostdeutsche haben, ist leider ein "Produkt" jahrzehntelangen Bashings durch die Westmedien und es ist ein Fake! Und es ist eine wesentliche Ursache der immer noch vorhandenen Spaltung der Gesellschaft. Machen Sie sich vorbehaltlos und tiefgründig ein eigenes Bild über Ostdeutsche, legen Sie Schubladendenke ad acta, gehen Sie raus in die Welt mit offenen Augen und Ohren! Wieviele Ostdeutsche kennen Sie persönlich? Wie oft waren Sie in Ostdeutschland?



      Ich bin viel unterwegs, lebe teils in West-, teils in Ostdeutschland, ich habe viele Westdeutsche kennengelernt, die Ihre voreingenommene Sichtweise glücklicherweise nicht teilen. Auch im Osten gibt es Vorurteile ggü. dem Westen. Eines haben beide Gruppen, die voreingenommen Ossis und die voreingenommen Wessis, gemeinsam, Sie bleiben in Ihrer Blase, gehen nicht vor Ort, um sich zu informieren und um zu lernen, sie sind starrsinnig, verbohrt und pauschalisieren.



      Machen Sie das Beste aus Ihrem weiteren Leben.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Vorurteile.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ihre Rede von Ossis unterscheidet sich kaum von dem wie AFDler über Flüchtlinge sprechen. Und ist dazu von wenig Sachkenntnis geprägt: Der Soli war eine Steuer, die gleichermaßen in Ost und West erhoben wurde. Ostdeutsche haben davon kaum profitiert, schon gar nicht im Sinne einer finanziellen Bereicherung.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Mit Arbeit und Ausbeutung von Natur und Mensch wird für wenige der Wohlstand begründet und vermehrt. Es gilt die Weisheit: Ist der Handel auch noch so klein, er bringt stets mehr als Arbeit ein!

    • @Gnutellabrot Merz:

      Sie haben wohl nicht im Ansatz eine Ahnung, was im Osten seit der Wende zerstört und angerichtet wurde (und ich meine damit ganz sicher nicht die Stasi) Ihre Arroganz ist unbeschreiblich.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Nee, das ist schon sehr speziell.

      "Die Anrufe kommen aus dem Landkreis, und die Eindringlinge sind Männer der Generation 50 plus."

      Geboren in den 1960ern und Anfang der 1970er. Politisch sozialisiert vor dem Hintergrund von NATO-Doppelbeschluss und Circus Alyoshas Gastspiel in Afghanistan. Im November 1989 um die 20 Jahre alt; die letzten DDR-Jugendlichen, die die FDJ-Indoktrination noch von Anfang bis Ende in geballter Packung abbekommen haben. Gerade zu alt, um bei den Baseballschlägerjahren voll mitzumischen.

      Und letzteres holen sie jetzt nach. Kohls betrogene Wendekinder. Die CDU ist die Partei, die sie angreifen müssen. Denn die CDU, und allein die CDU war es, die ihnen die Lebensplanung von vorne bis hinten versaut hat.

      Aber nur die Mutigen suchen sich einen Gegner - die Feigen suchen sich ein Opfer.

  • „Manchmal ist es bei uns Bündnisgrünen so, dass wir vorangehen, vorangehen, vorangehen und dabei vergessen, uns umzudrehen und zu schauen, ob die Leute mitkommen.“

    Stimmt nicht ganz. Die Grünen "gehen voran" in eine Richtung die sie für richtig halten, und wollen dann die Leute dazu zwingen mitzulaufen. Ob diese wollen oder nicht.. Das ist ein Riesenunterschied zu "schauen ob die mitkommen". Aber das scheinen die Grppnen nicht merken zu können oder zu wollen.

    • @Gerald Müller:

      Ich bin auch immer ganz erstaunt, wie eine 12%-Partei ihre Vorstellungen durchzusetzen pflegt. Für mich sind die Grünen der Hauptverursacher des AFD-Anstiegs.

      • @Leningrad:

        Wie passt Ihre Meinung mit den Ergebnissen zusammen, dass die AfD überall da gewonnen hat, wo die CDU ihre Formulierungen übernommen hat, aber nicht dort, wo die CDU sich klar abgegrenzt hat?