Erste Reaktionen auf München: Was sich jetzt gehören würde
In München ist ein Auto in eine Demonstration gerast, tatverdächtig ist ein junger Afghane. Doch jetzt gehört sich keine Debatte über Migration.
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J etzt tue ich etwas, das wir hier eigentlich nicht tun. Denn in einem Zeitungskommentar gehört sich in der Regel kein „Ich“, es gehört sich eine möglichst ausgeruhte und fundierte Betrachtung, Analyse und Beurteilung der Dinge. Aber die Nachrichten lauten: Ein Auto rast in eine Menschenmenge. Mindestens 28 Personen sind verletzt, mehrere von ihnen schwer. Der Tatverdächtige wurde gefasst, es handelt sich um einen 24-jährigen Mann afghanischer Herkunft.
Der bayerische Ministerpräsident sprach sehr früh von einem „mutmaßlichen Anschlag“. Der Kanzler fordert, den Verdächtigen nach einem Gerichtsverfahren sofort abzuschieben. Die Bundesinnenministerin brüstet sich damit, dass Deutschland als einziges Land in Europa wieder nach Afghanistan abschiebe und das weiterhin tun werde. Was gehört sich, wenn etwas so Schreckliches geschieht, während alles auf Wahlkampf steht? Wenn der Schock, das Entsetzen, das Mitgefühl mit den Opfern sofort abgelöst und überschrieben werden von der Frage: Wem nützt diese schreckliche Tat, und wem schadet sie?
Ich finde, es gehört sich, ein Mensch zu sein. Es ist zu leicht geworden, das zu vergessen, bei all der Kurzatmigkeit und der neuen Geschwindigkeit des Weltgeschehens. Mensch zu sein ist wichtig – zuallererst und vor jeder weiterführenden politischen Analyse und Forderung, vor jedem Rechthabenwollen und vor jeder begründeten Sorge davor, wie eine solche Schreckenstat diese Gesellschaft formen wird. Das Menschsein wird gerade viel zu oft übersprungen.
Dabei gehört es sich, bei den Opfern zu bleiben, länger als für eine Eilmeldung. Es gehört sich, mit ihnen zu trauern und den Täter vor Gericht zu stellen. Es gehört sich, darüber nachzudenken, wie Sicherheit gewährleistet werden kann, während die Gefahr durch Anschläge steigt. Und es gehört sich ebenso, Präzision einzufordern und nicht einzuzahlen in die rassistische Verschränkung von Migrations- und Sicherheitsdebatten. Denn auch wenn es anders versprochen wird: Es gibt keine einfachen Antworten.
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