Die Kernfusionsträumereien der FDP: Phantomkraftwerke

Fusionskraftwerke könne es schon in zehn Jahren geben, sagt die FDP-Forschungsministerin. Das ist naiv oder unredlich. Es werden noch Jahrzehnte vergehen.

Diese Illustration zeigt ein NIF-Target-Pellet in einer Hohlraumkapsel mit Laserstrahlen

Illustration zur Kernfusion aus der Jetztzeit Foto: Lawrence Livermore National Laboratory via dpa

Wie bitte? Da versteigt sich die Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger im ZDF auf die Frage, wann das erste deutsche Fusionskraftwerk ans Netz gehen könnte, doch tatsächlich zu der Aussage: „In zehn Jahren.“ Vielleicht, räumt sie dann zwar ein, könne es auch noch „etwas länger“ dauern, aber man dürfe eben keine zu geringen Ambitionen haben.

Doch solche Prognosen sind nicht ambitioniert – sie sind vielmehr entweder naiv (wenn die Ministerin es tatsächlich nicht besser weiß) oder aber unredlich. Denn Forscher, selbst jene in den USA, denen der große Erfolg im Labor gerade gelang, würden so absurd kurze Zeiträume nie und nimmer in den Raum stellen. Sie wissen schließlich, was es bedeutet, einen so hochkomplexen Prozess, den man bislang noch immer in der Kategorie Grundlagenforschung verorten muss, praxistauglich zu machen.

Also warum dann solche abstrusen Aussagen einer Ministerin? Womöglich vorsätzlich als energiepolitische Nebelkerze. Es ist durchaus denkbar, dass die FDP-Politikerin den Eindruck zu erwecken versucht, man könne angesichts des technologischen Durchbruchs die verbliebenen deutschen Atomkraftwerke vielleicht ja doch noch als „Brücke“ nutzen – bis sie in naher Zukunft nahtlos durch Fusionskraftwerke abgelöst werden.

Doch vor solchen energiepolitischen Schlussfolgerungen sollte man sich hüten. Jeder Energiepolitiker tut gut daran, die jüngste Meldung aus den USA als das zu betrachten, was sie ist: wissenschaftlich zwar hochinteressant, aber energiepolitisch einstweilen irrelevant. Das gilt zumindest für all jene Entscheidungen der Energiepolitik, die im laufenden Jahrzehnt anstehen. Denn auch die neuesten Meldungen ändern nichts daran, dass die Umstellung auf eine CO2-arme Energieversorgung national wie international nicht darauf warten kann, dass aus der Kernfusion tatsächlich eine unerschöpfliche Energiequelle wird. Zumal man eines Tages die ökonomischen Fragen stellen müsste.

Sollte irgendwann die heute schon spottbillige Solarstromerzeugung auch noch ebenso billige Speicher zur Seite gestellt bekommen, könnte die Fusion auch schlicht daran scheitern, dass sie nicht konkurrenzfähig ist. Denn dass ein Fusionsreaktor enorm aufwendig konstruiert sein müsste, davon ist auszugehen.

Deswegen: Freuen wir uns mit den Forschern über ihren Durchbruch. Freuen wir uns darauf, dass auch die Fusionsforschung noch so manche wissenschaftliche Erkenntnis bringen wird, deren Tragweite wir heute noch nicht kennen. Aber lassen wir uns in der Energiepolitik nicht von einem Phantomkraftwerk irritieren.

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Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.

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