Denkwürdige Sicherheitskonferenz: Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Die USA unter Trump fallen als westlicher Bündnispartner aus. Europa sollte diese Tatsache anerkennen und sich geopolitisch neu ausrichten.

D ie Münchner Sicherheitskonferenz 2025 könnte als der Anfang vom Ende des westlichen Bündnisses in die Geschichte eingehen – einseitig aufgekündigt von den Vereinigten Staaten. Angesichts der historischen Dimension dessen mutet Olaf Scholz’ Zeitenwende gar minimalistisch an. Doch während dieser Satz vom Ende des westlichen Bündnisses auf der Sicherheitskonferenz am Wochenende vielfach ausgesprochen wurde, scheint seine Konsequenz bei vielen der versammelten Europäerinnen und Europäer nur unzureichend durchgedrungen zu sein: Die Zukunft der Nato, wie wir sie kennen, ist ungewiss – und die versammelten Staatsleute überschlugen sich mit Bekenntnissen zur transatlantischen Militärgemeinschaft.
US-Vizepräsident J.D. Vance hatte so manchem und mancher einen eiskalten Schauer den Rücken hinuntergesandt, als er Europa kurzerhand der Meinungsunterdrückung sowjetischer Prägung zieh, nicht Rechtsextreme, sondern die Abwehr derselben als inneren Feind bezeichnete – über den Krieg in der Ukraine aber kein Wort verlor. Dass er dies direkt nach seinem Besuch im NS-Konzentrationslager Dachau sagte, verlieh dem Auftritt eine besondere Perfidie.
Bevor Vance, Vizepräsident eines Landes, in dem gerade vor aller Augen ein Staatsstreich in Szene gesetzt wird, den Europäerinnen seine Vorlesung über Demokratie hielt, hatten bereits US-Präsident Donald Trump und US-Verteidigungsminister Pete Hegseth jeweils auf ihre Art das Ende der verlässlichen Partnerschaft demonstriert. Trump sprach mit Wladimir Putin über die Ukraine, jedoch ohne die Europäer, geschweige denn die Ukraine überhaupt in Kenntnis davon zu setzen. Und Hegseth ließ seine europäischen Gesprächspartnerinnen während eines Besuchs in Brüssel im Unklaren, wie viele US-Streitkräfte denn künftig noch in Europa stationiert bleiben sollen.
Aber was am Freitag nach Vances Rede auf der Sicherheitskonferenz noch talk of the town war, war am Samstag in Teilen schon wieder dem Interpretationsspiel gewichen. Es gebe ja durchaus verschiedene Signale zur künftigen Militärpräsenz. Auch der Charakter von Gesprächen über die Ukraine sei längst nicht ausgemacht. Und Trump favorisiere nun einmal einen harten Aufschlag zum Beginn von Verhandlungen. Welche Verhandlungen?, möchte man fragen. Denn im Moment geben die US-Amerikaner Europa einfach nur neue Spielregeln.
Wenn es denn aber – und das mindestens wurde für alle offenkundig – keinen wertebasierten Konsens mit der einen Großmacht mehr gibt, dann täte Europa gut daran, sich geopolitisch neu auszurichten. Eine verstärkte Kooperation mit Indien wäre die logische Konsequenz, aber auch mit China. Man darf dabei nur eben keine neue wertebasierte, stabile Gemeinschaft suchen. Ohne Alternativen wird Europa, so wie jetzt schon die ersten südamerikanischen Staaten, vor den USA in die Knie gehen müssen. Die Sicherheitskonferenz fand in München statt. Aber Appeasement sollte jetzt nicht auf der Tagesordnung stehen.
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