Vorschlag zur Soli-Abschaffung: Die Reichen zur Kasse, bitte!
Würde nur eine kleine Gruppe einen Teil abgeben, müsste sich Deutschland um den Fiskus nicht sorgen. Die Schweiz und Spanien machen vor, wie es geht.
D ie FDP hat dem Land ein starkes Tabu auferlegt – so stark, dass gegenwärtig kein Regierungsmitglied darüber nachdenkt, geschweige denn spricht. Höhere Steuern gelten als Gift. Obwohl völlig klar ist, dass ein klimafreundlicher Umbau des Energiesystems nur mit höheren staatlichen Ausgaben gelingen kann, kommen der Bundesregierung nur zwei Wege in den Sinn, um das Loch zu stopfen, das durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstanden ist.
Entweder drastisch sparen oder vielleicht doch die Schuldenbremse ein wenig lockern, so wie es einige Ökonomen inzwischen massiv fordern. Dass es aber auch auf der Einnahmenseite einen Hebel gibt, um die Staatskasse für eine zukunftsfähige Politik auszustatten, ist von keiner der größeren Partei zu hören. Im Gegenteil: Die Minister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) fordern gerade im Duett, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, weil er angeblich das Wachstum gefährdet.
Dabei müsste nur eine klitzekleine Gruppe einen auch für sie leicht zu verschmerzenden Teil abgeben, um das Problem zu lösen: die Multimillionärinnen und Multimillionäre. Die internationale Hilfsorganisation Oxfam hat ausgerechnet, dass 2 Prozent Vermögenssteuer für alle, die mehr als 4,6 Millionen Euro ihr Eigen nennen, und dann gestaffelt bis zu 5 Prozent für Milliardäre ausreichen würden, um die Staatskasse mit rund 85 Milliarden aufzufüllen.
Damit ließe sich der sozial-ökologische Umbau prima anschieben, das Bildungssystem unterstützen und auch das Versprechen einhalten, den Haushalt für internationale Zusammenarbeit in gleichem Maße anzuheben wie die Militärausgaben. Im Grundgesetz steht nicht nur, dass der Staat das Eigentum schützt, sondern ebenso, dass Eigentum verpflichtet. „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Reichtum wird nicht erforscht
ist 1962 geboren, hat acht Jahre lang bei der taz gearbeitet und dort das Ressort Wirtschaft und Umwelt mitgegründet. Seit 25 Jahren arbeitet sie als freie Journalistin für zahlreiche Medien. Ihr Schwerpunkt liegt bei Nachhaltigkeitsthemen – der Verbindung von Wirtschaft, Umwelt und Sozialem.
Doch seit die Vermögenssteuer 1997 ausgesetzt wurde, weiß der Staat nicht einmal mehr, wie viel Geld, Immobilien, Schiffe, Diamanten, Aktien und sonstige Werte der eine oder die andere angehäuft hat. Während Armut hierzulande bestens erforscht ist, befindet sich der Reichtum im Nebel der Unkenntnis. Kein staatliches Forschungsinstitut und keine Hochschulfakultät beschäftigt sich systematisch mit dem Thema.
Jahrelang stützten sich alle auf die Reichenlisten, die Manager Magazin und Forbes jährlich veröffentlichen. Bis vor kurzem galt Familie Quandt als Nummer eins im Land. Sie hat ihr Vermögen vor allem Aktivitäten ihres Vorfahren Günther Quandt im Dritten Reich zu verdanken und später der Sanierung von BMW durch seinen Sohn Herbert. Doch eine Recherche durch das Netzwerk Steuergerechtigkeit brachte kurz vor Weihnachten ans Licht, dass es in Deutschland einen Clan gibt, der noch viel reicher ist: Boehringer-Ingelheim.
50 bis 100 Milliarden Euro soll die Familie auf der hohen Kante haben. Und weil es viele vorteilhafte Gesetze für solche Leute gibt, wächst ihr Eigentum von Jahr zu Jahr. Eine Steuer in Höhe von einigen Millionen ließe sich deshalb für die Boehringers und Quandts locker verschmerzen – leichter jedenfalls als für die Betroffenen eine Kürzung des Bürgergelds, die Finanzminister Linder wieder ins Gespräch gebracht hat.
In der Schweiz oder in Spanien gibt es eine Vermögenssteuer. In Deutschland war sie bis zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls in Kraft. Die obersten Richter und Richterinnen stellten 1995 auch keineswegs die Steuer an sich infrage, sondern nur ihre damalige Ausgestaltung, weil Immobilien zu gering bewertet wurden. Seither ist es Lobbyisten gelungen, die Diskussion immer wieder abzuwürgen und Vorschläge als „Neiddebatte“ oder „vom Klassenkampf getriebene Steuerpolitik“ zu diffamieren.
Viele kassieren nur noch ab
Die Stiftung Familienunternehmen, die sich allein ihre Lobbyarbeit im Deutschen Bundestag jährlich 1,8 Millionen Euro kosten lässt, spielt hier eine zentrale Rolle. Die Organisation verbreitet die Angst, dass durch eine Vermögenssteuer zahlreiche Firmen zusammenbrechen oder abwandern könnten. Dabei haben viele Superreiche gar keine Rolle mehr in ihren Unternehmen – außer abzukassieren. Würden sie besteuert, hätte das für die Firmen oft gar keine Auswirkungen.
Die Fokussierung auf Multimillionärinnen und Multimillionäre ist ein kluger Ansatz. Oxfam, Gewerkschaften und andere Aktivist*innen haben die Europäische Bürger*inneninitiative „Tax the Rich“ gestartet, um eine Vermögenssteuer für die Allerreichsten durchzusetzen. Ziel ist ein Gesetz auf europäischer Ebene. Nur eine Million Menschen aus sieben Ländern müssen unterschreiben, damit der erste Schritt stattfindet und die EU-Kommission sich zumindest ernsthaft mit dem Thema beschäftigen muss.
Die Initiative könnte auch ein guter Impuls für die Bewegung sein, die sich gerade auf Deutschlands Straßen gegen die AfD formiert. Denn die Rechtsradikalen sind auch deshalb so stark geworden, weil viele Menschen Zukunftsängste haben. Eine Politik, die planlos erscheint und die Kosten des Klimaumbaus nicht sozial abfedert, befeuert solche Gefühle. In diesem Umfeld fällt es den Neonazis leicht, die Verunsicherung zu nutzen, um ihre Sündenbock-Propaganda gegenüber völlig Unschuldigen zu verbreiten.
Um der AfD das Wasser abzugraben, muss das Vertrauen gestärkt werden, dass Deutschland die Kurve kriegt. Dafür braucht es massive Investitionen in Wärmedämmung und erneuerbare Energien, aber auch in Bildung, Kultur und soziale Sicherheit. Mit Sparprogrammen ist das nicht zu machen. Die Schuldenbremse zu lockern wird auf jeden Fall notwendig sein. Noch wichtiger aber erscheint es, mehr Geld in die Staatskasse zu spülen, um den Umbau gestalten und vorantreiben zu können.
Das Geld ist ja da – es muss nur eingesammelt werden. Das muss die Bundesregierung kapieren. Ihre Hinterzimmerpolitik ist engstirnig und fantasielos.
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