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Gedenktag 8. MaiOpa war schrecklich kalt im Krieg

Den 8. Mai zum Tag der Befreiung umzulabeln, tat der heimischen Seele gut. Dabei wurde 1945 die Welt befreit, nicht die große Mehrzahl der Deutschen.

Berlin, Mai 1945: Deutsche Soldaten auf dem Weg in sowjetische Kriegsgefangenschaft Foto: akg-images/picturealliance

Der sogenannte 78. „Tag der Befreiung“ wird in Deutschland auch dieses Jahr mit den üblichen öffentlichkeitswirksamen Gedenkzeremonien begangen. Erst 25 Jahre nach dem Weltkriegsende wurde der 8. Mai unter Willy Brandt offiziell gewürdigt, während die CDU noch immer mit Bedauern von einer Niederlage sprach, die kein Grund zum Feiern sei.

15 weitere Jahre später erlangte das Datum als politischer Gedenktag an die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus Bedeutung in der BRD. In der DDR wurde dieser Tag hingegen bereits ab 1950 begangen, auch hier als Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus.

Doch mit der Bezeichnung des historischen Ereignisses, woran erinnert werden sollte, scheint man es nicht allzu genau genommen zu haben, bis heute nicht. Denn wer wurde eigentlich befreit? Waren es tatsächlich die Deutschen, die den schlimmsten industriellen Genozid aller Zeiten gegen sechs Millionen Jü­din­nen:­Ju­den und etwa eine Million Sin­ti:z­ze und Ro­ma:n­ja verübten?

Die Deutschen, die einen Vernichtungskrieg gegen Osteuropa begonnen, osteuropäische Menschen ausgehungert, versklavt, vergewaltigt und aus rassistischen Motiven zu Millionen ermordet haben? Die mehrheitlich bis Kriegsende glühende Anhänger Hitlers waren? Die massiv von der Enteignung ihrer jüdischen Nachbarn profitierten und noch 1945 zu Millionen in der NSDAP gewesen sind?

Die Deutschen werden selbst zu Opfern stilisiert

Die Geschichte, wie sie an deutschen Schulen immer noch weitgehend gelehrt wird, verdrängt diese historische Realität. Da sind es Hitler und seine Nazischergen gewesen, die diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit ganz allein verübt haben sollen. Außer über deutsche Jü­din­nen:­Ju­den lernt man kaum etwas über die anderen jüdischen und nichtjüdischen Opfer der Nazis, die mehrheitlich osteuropäische Muttersprachen hatten.

Stattdessen werden die Deutschen selbst zu Opfern Hitlers stilisiert. Sie sollen keine andere Wahl gehabt oder gar massenweise im Widerstand gekämpft haben. Fast klingt es, auch durch Verwendung des Begriffs der „Machtergreifung Hitlers“ so, als wäre das arme Deutschland 1933-45 gewaltsam von Hitler besetzt worden.

Diese Mythen halten sich hartnäckig. Denn es ist eben leichter, sich an den frierenden Großvater zu erinnern, der nach seinem Wehrmachtseinsatz in Stalingrad in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet, als an die sowjetischen Dörfer, die er auf dem Weg dorthin niederbrannte oder an andere von ihm begangene Kriegsverbrechen; oder an die Lüge über die Großeltern, die ihre jüdischen Nachbarn versteckten, anstatt an ihre tatsächliche antisemitische Gesinnung oder ihr Denunziantentum; an den Mythos der Trümmerfrauen oder an marodierende und vergewaltigende Rotarmisten.

Dieser Verdrängung leisten auch deutsche Medien Vorschub, die noch immer Erinnerungen von Wehrmachtsoffizieren veröffentlichen, in denen sie über ihre Leiden an der Front klagen, ohne diese und die antisemitischen und rassistischen Aussagen darin zu kontextualisieren. Oder Serien und Filme wie „Unsere Mütter Unsere Väter“, die deutschen Nazis ein menschliches Antlitz verleihen sollen, während Meisterwerke wie „Komm und Sieh“, die über den belarussischen Partisanenkampf und den rassistischen Vernichtungskrieg der Deutschen gegen diese erzählen, hierzulande wenig beachtet oder sogar zu Sowjetpropaganda erklärt wurden.

Weltmeister im Schlussstrich ziehen

All das trägt zu einer von mehr als der Hälfte der Deutschen vertretenen Schlussstrichmentalität und Selbstbeweihräucherung als Erinnerungsweltmeister bei, die davon absehen, sich nicht nur mit der kollektiven, sondern auch der individuellen Schuld zu beschäftigen. Diese brechen sich auch an Tagen wie dem 8. Mai Bahn. Denn wer von der Befreiung Deutschlands spricht, der ist meistens nicht bereit, die tatsächliche Schuld der Deutschen einzugestehen und sich mit ihr zu beschäftigen.

Befreit wurde gewiss die Welt vom nazistischen Deutschland, wurden Jüdinnen und Juden aus Vernichtungslagern, wurden abgeriegelte und besetzte osteuropäische Dörfer und Städte durch die Rote Armee. Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn spricht davon, dass die deutsche Gesellschaft heute erst am Anfang der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit stehe. Ein Schritt in Richtung des aufrichtigen Erinnerns wäre die Umbenennung dieses historisch bedeutsamen Datums in „Tag des Sieges über den deutschen Faschismus“ am Beispiel der USA oder zahlreicher osteuropäischer Länder und seine Ernennung zum offiziellen Feier- und Gedenktag.

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101 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Addiert man die Wahlzahlen der NSDAP und der Monarchisten von November 1932, sieht man eine absolute Mehrheit der Rechtsextremen Wähler. Zählt man die KPD dazu, noch mehr.

    Zieht man von dem Traurigen Rest die 1 Millionen in den Vernichtungslagern umgebrachten Menschen ab - die gab es nach Ihrem Tot nicht mehr, ist die Zahl der 45 lebenden Deutschen noch kleiner.

    Die Menschen die Kinder und Jugendliche waren im Jahre 32 hatten noch nicht einmal die Chance, Demokratie zu erlernen, zumindest in der großen Masse.

    Wieviele der damaligen Wähler "Nicht wussten was sie tun" oder bereut haben, ungewiss.

    Genau quantifizieren kann ich die Zahl der "Befreiten" nicht. Schätzen tue ich Sie trotzdem auf 25%. Hinzu kommen Kinder welche in den Krieg geboren wurden, auch die trifft keine Schuld.

    Für Menschen wie mich, die mehr als eine Generation später zur Welt kamen, ist es definitiv der Tag der Befreiung.

    p.s.: Die Zahl der deutschen Juden, welche noch in D lebten, ist wahrscheinlich sehr gering. Hängt neben dem Völkermord auch mit der Staatenlosigkeit, welche es damals noch gab, zusammen. Aber auch hier gab es Menschen, welche befreit wurden. Und die einen deutschen Pass hatten, bis es Ihnen genommen wurde.

  • Liebe Frau Tikhomirova,

    vielleicht kann ich es so erklären: Der Ausdruck "Tag der Befreiung" stammt zum Einen aus der sowjetisch besetzten DDR, wo per se Alles Befreiung zu nennen war, was den Weg in Richtung kommunistisches Paradies öffnete. Es entsprach auch dem autoritären Staatsverständnis der neuen Herren im Haus, dass das Volk nicht selbst sein Schicksal wählt sondern es oktroyiert bekommt und nur mit den jeweiligen Potentaten mitlaufen KANN - weil es das ja bitteschön auch weiter tun sollte. Das mag für die dortigen Bürger bequem gewesen sein. Aber es war aus Sicht der Verwender dieses Begriffs nicht einmal gelogen.

    Im Westen dagegen wurde dieser Begriff nicht von ungefähr erst VIERZIG Jahre nach Kriegsende in den akzeptierten Narrativ aufgenommen. Warum: WEIL es eben so lange gedauert hat, bis sich die Befreiten darüber klar wurden, dass auch sie durch den Verlust des Weltkriegs letzlich gewonnen haben. Es half wahrscheinlich, dass die Aufräumarbeiten weitgehend abgeschlossen, die Altnazis (als wegen ihrer Sachkompetenzen notwendiges Übel) im Gerüst des Wiederaufbaus bald ausgedient hatten und Deutschland allmählich wieder aus der Schmollecke der Weltpolitik herauskommen durfte.

    Aber auch ohne das: Erst mit der Erkenntnis, WIE falsch der Pfad war, auf den die Nazis das Land und den ihnen zugetanen Großteil der Bevölkerung geführt hatten, war es möglich, der schweren Niederlage das Gute abzugewinnen. Wir sehen immer wieder an den moralischen Verwindungen Amerikas zu Vietnam, Irak oder Afghanistan oder an der vertrackten Lage Russlands (das aus dem jetzt schon vermasselten Krieg nicht rauskommt, weil seine Führung und IHRE Jubler Angst haben, ihr SCH...-Gesicht zu verlieren!), wie wahnsinnig schwer es ist, als Nation so eine - im Fall Deutschlands auch noch



    totale - Niederlage zu ertragen. Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass es eher noch schwerer ist, für sie ehrlich dankbar zu sein. Nur für uns Nachgeborene ist es vergleichsweise einfach.

    • @Normalo:

      !,!

  • Den Rundumschlag von Frau Tikhomirova gegen die deutsche Erinnerungskultur finde ich ziemlich überzogen.



    "Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben, und sind glücklich dabei", hat Hitler 1938 gesagt. Über die deutsche Jugend, aber das gilt für das ganze deutsche Volk.



    So verstehe ich das Wort "Befreiung", wenn man es auf die Täter bezieht. Die Täter, Mitläufer, Weggucker haben mit der Niederlage die Freiheit erhalten, zu verstehen, dass sie Täter, Mitläufer, Weggucker waren. Und zu verstehen: Niemals wäre das deutsche Volk in der Lage gewesen, dieses System allein, und von innen wieder abzuschütteln.



    Deswegen ist, neben Trauer für die Opfer und Dankbarkeit für die Befreiung auch ein bißchen mehr Demut in der aktuellen Debatte angesagt.



    "Mein Volk ist verhext" hat der russische Oppostionspolitiker Jewgeni Roismann einige Wochen nach Kriegsbeginn gesagt.



    Ja, so was gibt's, wer wüsste das besser als wir.

    • @Barbara Falk:

      Genau um diese Sichtweise geht es doch, und das kritisiert die Autorin mMn völlig zu recht.



      Da haben Menschen aktiv Schuld auf sich geladen, von einem unmenschlichen System profitiert, hatten kein Interesse daran befreit zu werden, aber als es dann zur bedingungslosen Kapitulation kam, ist man dankbar für die Befreiung, man sei ja nicht in der Lage gewesen es selbst abzuschütteln, man war ja irgendwie 'verhext'.....HÄÄ?? Hinterher lässt sich aber auch immer alles bequem umdeuten.

      Es so darzustellen als sei ''das deutsche Volk [nicht] in der Lage gewesen, dieses System allein, und von innen wieder abzuschütteln'' - so als ob das ein Naturgesetz gewesen wäre - ist ein doch etwas fragwürdiges Geschichtsverständnis (die bösen vom Mond kommenden Nazis haben die armen deutschen versklavt)



      Nein, es war die kollektive Zustimmung zu (Teil-)Aspekten des Systems bzw. das Profitieren weiter Bevölkerungsteile in der einen oder anderen weise die dazu führten dass das System nicht 'abgeschüttelt wurde'. Weil nicht so das Interesse bestand es abzuschütteln.



      Und Dinge von späterer Perspektive aus umdeuten zu wollen (''heute wissen wir das NS ganz schlimm war, deshalb interpretieren wir es als 'unsere' Befreiung'') ist nie eine gute Idee. Befreiung Europas von den Deutschen wenn überhaupt.

      • @Eydeet14:

        Man kann auch von seinen eigenen Irrtümern und Abwegen befreit werden und das dann - mit genügend Abstand - auch einsehen. Es dürfte selbst unter den schärfsten liberalen Individualisten Einigkeit bestehen, dass der 2. Weltkrieg ein Paradebeispiel dafür ist, dass man Menschen manchmal auch gegen ihren Willen und mit aller nötigen Gewalt zu ihrem Glück zwingen muss.

        Davon abgesehen darf man nicht vergessen, dass es - zumindest im Westen - vor allem die Nachkriegsgenerationen waren und sind, die sich eher befreit als besiegt fühlen. Denen vorzuwerfen, sie wollten damit ihre (Mit-) Schuld weg-spindoktern, wäre Erbschuld-Rhetorik, die genau so wenig faktische Basis hätte wie eine etwaige Verklärung der Mitläufer und Unterstützer des Nazi-Regimes zu dessen schuldlosen Opfern.

      • @Eydeet14:

        "Es so darzustellen als sei ''das deutsche Volk [nicht] in der Lage gewesen, dieses System allein, und von innen wieder abzuschütteln'' - so als ob das ein Naturgesetz gewesen wäre - ist ein doch etwas fragwürdiges Geschichtsverständnis (die bösen vom Mond kommenden Nazis haben die armen deutschen versklavt)"

        Mit diesem Argument könnte man genausogut den im deutschen Einflussbereich lebenden Juden anlasten, das sie eine Mitverantwortung am Holocaust tragen..sie hätten sich ja schießlich zur Wehr setzen können. Ist ja kein Naturgesetz das man sich so bereitwillig zur Schlachtbank nach Auschwitz führen lassen muss, nicht wahr ?

        Vor dem Rechner wird jeder Kommentator zu einem glühenden Widerstandskämpfer, der selbstverständlich Hitler entgegengetreten wäre.

        Ist klar ;)

  • Hält die Autorin auch alle Russen, die gegen ihren Willen eingezogen und an die Front in der Ukraine geschickt werden (und deren Familien) für willige Täter, denen man jedes Mitgefühl verweigern muss? Sind die Russen ein "Tätervolk", so wie es hier von ihr am deutschen Beispiel durchexerziert wird?

    • @BUBU:

      russische Soldaten sind Täter: ja

      ''denen man jedes Mitgefühl verweigern muss'': was für eine bizarre Projektion

      • @Eydeet14:

        Sie sind aber eben auch Täter, wenn sie sich nicht einziehen lassen (sie machen sich Strafbar) und das ist eben die Zwickmühle an der Sache, heute wie damals, schade dass das keiner sieht.....Soldaten sind nur Schachfiguren, Täter sind andere

  • Was ist eigentlich so schwierig daran, sich zu vergegenwärtigen, dass jemand, der im Krieg erfroren oder mit der Lunge voll Blut erstickt ist, unter Umständen gar keine individuelle Schuld hatte, sondern nur ein Opfer war? Oder daran, dass Menschen in einem Terrorstaat, der auch massenhaft Deutsche wegen geäußerter Zweifel am Endsieg oder anderer "Vergehen" hingerichtet hat, aus Angst geschwiegen haben und hinterher mit Scham darüber leben mussten?



    Alle Deutschen, die damals gelebt haben, zu Nazis und Tätern zu erklären, ist so pauschal, undifferenziert und vor allem hasserfüllt, dass es Rassismus und Antisemitismus unappetitlich ähnlich ist.

    • @BUBU:

      Der NS hätte nicht so funktioniert wie er funktioniert hat wenn nicht eine breite Bevölkerungsmehrheit (Teil-)Aspekten des Systems ideologisch Zustimmung zugesprochen und/oder auf eine oder andere Art und Weise vom System profitiert hätte. Das ist historisch Fakt.



      Sich dessen bewusst zu machen ist etwas anderes als 'das ganze Volk pauschal zu Nazis und Tätern zu erklären', das wäre dann Projektion Ihrerseits.

      Und btw. natürlich hatte der Soldat an der Front auch immer irgendwo 'individuell Schuld' das sollte doch wohl wirklich nicht mehr zur Diskussion stehen. Wo kommt die Macht der bösen Herrschenden denn sonst her wenn nicht von Gewehrläufen?

      • @Eydeet14:

        „Der NS hätte nicht so funktioniert wie er funktioniert hat wenn nicht eine breite Bevölkerungsmehrheit (Teil-)Aspekten des Systems ideologisch Zustimmung zugesprochen und/oder auf eine oder andere Art und Weise vom System profitiert hätte. Das ist historisch Fakt.“



        Ja, historisches Faktum, kein Naturgesetz (den Begriff führen Sie weiter oben ein, nicht ich). Ein (mehrheitlich) Täter- und Mitläufervolk, das nur durch massive Gewalt von außen gestoppt werden konnte.



        Ich verstehe deshalb nicht, wieso Sie hier dafür plädieren, „sich das bewusst zu machen“, aber mir weiter oben so vehement widersprechen. Ich wüsste kein besseres Wort für das Bewusstwerden, und die Herstellung seiner Vorbedingungen (die militärische Niederlage), als Befreiung.

    • @BUBU:

      "[...] gar keine individuelle Schuld hatte [...]"

      Auf jeden Fall, es waren bekanntlich zehntausende Köche bei der Wehrmacht beschäftigt.

      • @Kaboom:

        Wenn man Dich ohne Ausweg zur kämpfenden Truppe einzieht, wie man es auch mit fünfzehnjährigen Jungen machte, dann bist Du automatisch mit Schuld behaftet? Auch dann, wenn Du nur in absoluter Todesangst gezielt auf andere schießt oder sogar vor Deinem ersten Schuss von einer Granate zerfetzt wirst?



        Es gibt existenzielle Situationen, in denen vergeht einem jede hochnäsige Ironie.

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Die Stilisierung von "Tätern" zu Opfern ist Reinwaschung zur Entlastung. Mein Onkel und Tante waren Kolonialärzte in Warschau. Ihr Ziel war Polen unterjochen und germanischen. Genauso wie aktuell in der Ukraine. Die russischen Soldaten verfolgen dasselbe Ziel. Sie sind Täter im Angriffskrieg für die sich jede Art von Verständnis erübrigt.

    • @658767 (Profil gelöscht):

      Sie erklären alle Russen, die gegen ihren Willen in die Ukraine gezwungen werden und dort oft sofort umkommen, zu überzeugten Tätern. Auch das ist nicht zulässig.

      • @BUBU:

        Es gibt in Russland aktuell meines Wissens nach keine Zwangsrekrutierungen. Einzig reguläre Reservisten der Armee können einen verpflichtenden Marschbefehl gegen ihren Willen erhalten. Alle anderen Russen sind freiwillig in der Ukraine. Es ist außerdem zumutbar für eine Gewissensentscheidung Konsequenzen tragen zu müssen. Hatten Sie keinen Geschichtsunterricht?

  • Tja, was ist die Alternative?



    Wenn man der Autorin folgt: Lebenslängliche Unfreiheit, und das (mindestens) bis ins siebte Glied.



    Natürlich ist der Begriff "Befreiung" ein absoluter Euphemismus. Er war im Übrigen in der DDR noch wesentlich verbreiteter.

  • Natürlich hat Deutschland den 2ten Weltkrieg verloren.



    Ob dies als Befreiung betrachtet werden kann, ist natürlich eine Frage der Perspektive.



    Es ist klar, dass von Überfällen und Tod betroffene Länder und Menschen Deutschland als Agressor betrachten.



    Ebenso klar ist, dass das innerhalb Deutschlands differenzierter betrachtet wird.



    " Nicht Alle waren Mörder".



    Die Verallgemeinerung im Text, die Mehrheit der Deutschen seien glühende Verehrer Hitlers gewesen, darf bezweifelt werden.



    43 waren etwa 13 % der Deutschen Mitglieder in der NSDAP.



    Der Holocaust ist das schlimmste Verbrechen an der Menschheit.



    Sowohl in der Schule, als auch privat, bin ich noch Niemandem begegnet, der das anders gesehen hätte.



    Ist natürlich auch klar, dass ich auf Demo Begegnungen mit Faschos keine Diskussionen geführt habe und ich mir der Existenz einer Partei namens AfD bewusst bin.



    Auch hat bei den letzten Reichstagswahlen in den Dreissigern die NSDAP eine Mehrheit von über 40% erzielt. SPD und KPD kamen rechnerisch allerdings auf etwa 35%. Sooo einfach war es eben nicht.



    Ja, es hat Übergriffe der Wehrmacht gegeben.



    Die Auseinandersetzung mit dem Mythos der " braven Soldaten" hat vor 30 Jahren stattgefunden.



    Dennoch ist die Bewertung, dass Alle Verbrecher waren, ebenfalls falsch.



    Ich wehre mich gegen die Einschätzung, Deutschland hätte sich nach dem Krieg mit seiner Vergangenheit nicht auseinander gesetzt.



    Die 68er haben die Diskussion in die Gesellschaft getragen. In der Folge wurde auch die Lehre in der Schule vom Nicht drüber reden zu einem tragenden Thema.



    Das soll nicht bedeuten, dass das Thema abgehandelt ist, im Gegenteil! Wir müssen die Erinnerung wach halten und gegen neue Bewegungen aus der rechten Ecke vorgehen.



    Es bedarf auch neuer Ideen zur Vergangenheitsbewältigung, da die Zeitzeugen aussterben und persönlich beeindruckende Kontakte nicht mehr möglich sein werden.



    Wir dürfen den Siegern dankbar sein. Den Getöteten gilt ewiges Gedenken.

    • @Philippo1000:

      Ich stimme Ihnen voll und ganz zu.

      "Da sind es Hitler und seine Nazischergen gewesen, die diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit ganz allein verübt haben sollen"

      Soetwas habe ich weder in der Schule gelernt, noch im sozialen Kontext gehört.



      Auch wird nicht beachtet, inwieweit die BRD bis heute mit sich selber ins Gericht gegangen ist, was m.E. sogar zu einem Nachkriegskomplex bei vielen geführt hat, der die Gefahr birgt, nicht adäquat die heutigen, auf unserem Grundgesetz basierenden Werte selbstbewusst zu verteidigen.



      Ein Problem ist sicherlich zudem, dass in dem DDR-Regim und dessen Bürgern eine solche Aufarbeitung quasi nicht stattgefunden hat.



      Allerdings wundere ich mich wieviel Nazigesinnung auch in der BRD dennoch unter dem Radar bzw. unter dem gesellschaftlichen Deckmantel erhalten bleiben konnte.



      Die größte Leistung der 68ger Generation war tatsächlich der Aufbruch dieser verdrängten, verschlossenen Haltung der Gesellschaft und die Aufklärung der unterschwellig etablierten Naziströmungen.



      Dennoch ist erstaunlich, wie selbstbewusst sich diese Nazischergen in der neuen Bundesrepublick in führenden Gesellschaftsschichten etablieren konnten.



      Dies kann nicht ohne weiter bestehende Zustimmung v.a. in den oberen Kreisen, oder der in der Nazizeit nach oben geschwämmten Kreisen, geschehen sein.



      Ich vermisse bei der gesamten Diskussion zudem die Beachtung aller Opfergruppen: SPDler, KPDler, Opposition, Sinti und Roma, selbstbewusste Frauen, Homosexuelle, sozial Benachteiligte oder auch nur bzgl. des Rollenbildes der Nazis Unangepasste etc., die allesamt auch in den Konzentrationslagern getötet oder sexuell misshandelt wurden.



      Konzentrationslager quasi als eine gesellschaftspolitische "Reinigungsanstalt" im Nazi-Sinne, für alle Gruppen, die dem Rollen- und Gesellschaftsbild der Nazis nicht passten.

  • Großen Dank für den Beitrag. Sehe es schon lange auch so, lese aber auch gern die Kommentare und lerne dazu.

  • Ich vermisse in dem Beitrag von Frau Tikhomirova leider einen Hinweis auf den Anteil der Siegermächte daran, dass es nach 1945 zu einer echten Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS nicht kam, dass sich viele Deutsche sogar noch als Opfer stilisieren konnten, dass alte Nazis wieder zu Ant und Würden kamen.



    Im Kontext des beginnenden Kalten Krieges mit seiner militärischen wie ideologischen Zuspitzung wurde beiden Deutschlands von den Siegermächten Generalabsolution erteilt, die es dann nicht mehr notwendig machte, sich mit lästigen Fragen nach Schuld und Verantwortung zu konfrontieren. Warum sollten die Deutschen das auch selbst tun, wenn sie auch ohne Auseinandersetzung mit der Schuldfrage gleichberechtigt in den Kreis ihrer neuen Verbündeten aufgenommen wurden, ja, im Fall der DDR sogar als das „bessere Deutschland“ geadelt wurden, das die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen hatte. Und Westdeutschland wurde bekanntlich ja als Prellbock gegen die Gefahr auf dem Osten aufgebaut, da waren unangenehme Fragen auch eher hinderlich.



    Um nicht missverstanden zu werden: das Thema taugt absolut nicht zur Entlastung der Deutschen oder zur Relativierung der NS-Verbrechen. Es eröffnet jedoch den Blick auf den geopolitischen Kontext der Nachkriegszeit, der diese Verdrängung und „Normalisierung“ nach dem, was geschehen war, erst ermöglichte.

    • @Abdurchdiemitte:

      "Ich vermisse in dem Beitrag von Frau Tikhomirova leider einen Hinweis auf den Anteil der Siegermächte daran, dass es nach 1945 zu einer echten Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS nicht kam, ..."

      Ich will hier nicht zu oberlehrerhaft wirken, aber ich fürchte, Sie sind mit der Materie nicht wirklich vertraut. Alle Allierten haben glaubhaft eine Entnazifizierung versucht, sind aber einerseits an der schieren Größenordnung gescheitert, andererseits an der Notwendigkeit, ein komplett zerstörtes Land einigermaßen schnell wieder auf die Beine zu bringen. Dabei mussten sie aber feststellen, dass man ohne die alten Funktionseliten vielfach nicht auskam, weil man diese mangels personellen Ersatzes eben nicht so einfach auswechseln konnte. Hinzu kamen Meinungsverschiedeneheit über Art und Durchführung der Entnazifizierung sowie eine Reihe prozeduraler Fehler, die zu einer wachsenden (teilweise auch berechtigten) Ablehnung des Entnazifizierungsverfahrens unter den Deutschen führten). Eine Entnazifizierung wie ursprünglich geplant, war ab einem bestimmten Zeitpunkt politisch schlicht nicht mehr durchsetzbar.

      Die Todesurteile im sog. Einsatzgruppenprozess wurden aber noch 1951 von den Amerikanern gegen einen heftigen öffentlichen Widerstand (besonders der Kirchen) durchgesetzt.

      • @Schalamow:

        Ergänzung: etwas verkürzt zusammengefasst ist die Frage zu diskutieren, ob nach 1945 in den westlichen Sektoren - und später in der Bundesrepublik - nicht die Förderung einer antikommunistischen Ausrichtung der deutschen Gesellschaft gegenüber dem Willen zu einer echten Entnazifizierung in den Vordergrund getreten ist. (Dagegen steht ja die These, dass Entnazifizierung und Antikommunismus bzw. Antitotalitarismus nicht im Gegensatz zueinander stehen).



        Mit umgekehrten Vorzeichen gilt das natürlich auch für die SBZ bzw. die spätere DDR.

      • @Schalamow:

        Es ging mir in meinem Kommentar nicht um die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen, die später dann auch in deutsche Hände überging. Aber zu sagen, die Entnazifizierung scheiterte am Widerstand der deutschen Bevölkerung bzw. war politisch nicht mehr umsetzbar - natürlich, die Deutschen hatten in ihrer großen Mehrheit kein Interesse daran, wer möchte widersprechen - greift doch wohl ein bisschen kurz.*



        Ich halte daran fest, auch den Kontext der sich zuspitzenden Blickkonfrontation mit in den Blick zu nehmen bzw. nach der Rolle zu fragen, die Deutschland nach den Vorstellungen der westlichen Siegermächte wie der Sowjetunion in diesem „Spiel“ jeweils zukommen sollte. Und wie das sich auf den Prozess der Entnazifizierung auswirkte.



        Das ist neben der eher innen- bzw. gesellschaftspolitischen Perspektive lediglich ein weiterer Ansatz, das Thema zu beleuchten. Und ich habe ja betont, dass die deutsche Verantwortlichkeit dabei eine zentrale Rolle spielt und nicht relativiert werden darf.



        Deutschland in dieser Nachkriegszeit lediglich als Spielball fremder Machtinteressen zu betrachten, ist das Geschäft der Rechten, aus fadenscheinigen, naheliegenden Gründen. Das habe ich in meinem Post so aber nicht vertreten.



        *Ich weiß aus den Erzählungen meines Großvaters - Angehöriger von Hitlers Wehrmacht und bei Kriegsende in britischer Kriegsgefangenschaft - sehr wohl, wie die „Entnazfizierung“ der deutschen Soldaten praktisch vonstatten ging, dass das schon (wie Sie sagen) an der schieren Größenordnung scheitern musste, weniger an dem Willen der Allierten damals. Allerdings wandelten sich im Zuge des Kalten Krieges auch dort die Motive.



        Die These von der „Generalabsolution“ der Deutschen durch die Siegermächte lässt sich ja durchaus strittig diskutieren, ich wollte sie hier - als ergänzenden Aspekt zu Frau Tikhomirovas Beitrag - lediglich zur Diskussion stellen (weil mich z.B. die Meinung der Mitforisten dazu interessiert).

  • Jeder der es liebt in Freiheit zu leben heutzutage wurde 'pränatal" natürlich befreit. Kriegsniederlage auch? Ja klar, gut so, immer wieder gerne, wenn solche Typen Wähler und Mitstreiter finden, egal ob die 'nur' von 43,9 % gewählt wurden oder auch zukünftig von fiktiven 100 %. Wenn man dann auch noch menschenhasserisch auftritt und Kriege anzettelt, dann muss man halt auf die Vernunft aus dem Ausland setzen. Alternativlos die ganze Sache.



    Daher hätte ich auch diesen Zeitversatz zu sehen, also damals und heutige Nachkriegsmenschen richtig gefunden. Ich und mein Schicksal wurden damals vorfällig befreit. Bin gerade in FR am Atlantik und sehe die Gräber und Denkmäler hier. Zum heulen, was die auf sich nehmen mussten an den Stränden ... um ihre Familien vor Unfreiheit zu schützen und die damalige Welt und deren Nachkommen vom Wahnsinn zu befreien.

  • 3G
    32051 (Profil gelöscht)

    Wie soll man denn den Tag sonst werten, wenn nicht als Tag der Befreiung?

    Abgesehen davon, dass bei der Leseart auch Millionen Menschen aus den KZs befreit wurden (Ja, auch das waren unter anderem Deutsche, wer zwischen "Deutsche" und "Juden/Sinti/.." unterscheidet, übernimmt den Sprech der Täter) - Ja, auch die Täter wurden "befreit".

    Und ja, auch die Zivilbevölkerung zählt dazu.

    Nach dem Krieg hätte auf einmal jeder angeblich Kartoffeln und Brot in die Häftlingskolonnen geworfen. Die haben sich aber eher an fliegende Steine und Kotbeutel erinnert als an fliegende Brote.

    Keine Frage.

    Trotzdem verbietet es sich, es als "Tag der Niederlage" zu sehen

    Insofern ist die Diskussion.. ich seh den Punkt nicht.

    • @32051 (Profil gelöscht):

      Es geht nicht bloß um 'Befreiung' allgemein, es geht um die Frage wer von wem?



      Geschichte lässt sich nicht rückwirkend beliebig deuten wie sie aus heutiger Sicht interpretiert wird.



      Wenn sich viele Deutsche '45 nicht befreit gefühlt hatten bzw. gar kein Interesse daran hatten 'befreit zu werden' ist der nachträgliche Sprech von der 'Befreiung der Deutschen' eine problematische Umdeutung die kollektive Schuld verschleiert.



      Das ist der Punkt.



      Ich bin ja persönlich für 'Befreiung Europas von den Deutschen'

      • 3G
        32051 (Profil gelöscht)
        @Eydeet14:

        Stimmt ja auch.

        Aber viele Deutsche wurden befreit. Lager für Lager.

        Menschen, denen die "Herrenmenschen" das "Deutschsein" abgesprochen haben.

  • Befreit wurde Deutschland trotzdem, on damals wissentlich oder unwissentlich.

    Wer leider nicht befreit wurde war der Osten Europas, von einer Unterdrückung in die Nächste.

  • Das schein der Kommentatorin ein Irrtum unterlaufen zu sein: Der 8. Mai wird in Deutschland nicht als Tag der Befreiung der Deutschen begangen, sondern als Tag der Befreiung (vom Nazifaschismus). Im Gegensatz zur Vorstellung, dass der 8. Mai für die Deutschen eine Niederlage gewesen sei, war das sicher ein gesellschaftlicher Fortschritt, es so zu sehen. Wer wurde befreit? Ich kann mich erinnern, dass es zum 8. Mai jemals Reden gegeben hat, in denen der Fokus auf eine vermeintliche Befreiung der Deutschen vor eine mehr oder weniger großen Nazi-Clique gesetzt wurde - im Gegenteil.

    • @mlevi:

      ''Befreiung vom Nazifaschismus'' impliziert doch genau diese ''vermeintliche Befreiung der Deutschen vor eine mehr oder weniger großen Nazi-Clique''......Das ist das gleiche in Grün, genau darum geht es doch.



      Wenn wir die Geschichte im Gegensatz so lesen das weite Teile der Bevölkerung vom NS auf eine oder andere Weise profitiert und/oder (Teil) Aspekten des Systems Zustimmung zugesprochen hatten d.h. nicht unbedingt das Bedürfnis hatten 'befreit zu werden', dann stellt ein späteres framing als 'Befreiung der deutschen' durchaus ne problematische Umdeutung dar, die kollektive Schuld verschleiert.

    • @mlevi:

      "Befreiung" hat im Deutschen eben eine Doppelbedeutung. Ich habe den Terminus "Tag der Befreiung" immer ganz im weizsäckerischen Sinne verstanden. Die Deutschen wurden besiegt, und diese absolute Niederlage befreite eben auch sie in dem Sinne, dass die Voraussetzung für eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft geschaffen wurde. Jedenfalls im Westen.

      Diese Bedeutung von Befreiung ist natürlich eine andere als die wortwörtliche Befreiung der KZ-Gefangenen und der unter der deutschen Besatzung stehenden Nationen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Der Krieg ging verloren, die Engländer kamen über Itzehoe...". Das können Sie auch als wertungsfreie Beschreibung der Fakten in der damals üblichen Sprache interpretieren.

  • Bei uns war man froh, konservativ katholisches Lager einerseits: in offiziellen Briefen ließ sich mein einer Opa maximal zu „mit deutschem Gruß“ hinreißen. Die Durchschläge fand ich beim Aufräumen. Andererseits Sozialdemokraten: Der andere Opa wurde nicht müde, Hitler einen Verbrecher zu nennen. Die besten Jahre verbrachte er im Krieg und Gefangenschaft. Überzeugter Sozi, für den die CDU schon inakzeptabel war.



    Eine Großtante war Zeit ihres Lebens rechtsextrem, ihr Mann - Bruder vom Soldatenopa - das Gegenteil.



    Ein Teil meiner Familie hat Eigentum und Besitz verloren (Bomben, Flucht aufs Land, Mann bei der Artillerie an der Ostfront konnte nichts ausrichten), und was schlimmer ist, dauerhaft Zusammenhalt und Grundvertrauen in der Familie. Da gab es Geschichten von Eltern , die mit Bauernhof den eigenen Kindern in der Stadt nichts abgaben. Oder eine Mutter die ihre ausgebombten Tochter mit zwei kleinen Kindern der Fälschung von Essensmarken bezichtigte - was heißt bezichtigte: sie hat sie angezeigt. Nicht ungefährlich. Alle lebten nachher wieder unter ihren Dächern. Täter, Opfer, verschiedene Meinungen. Weitere Folgen des Krieges: Traumata, Wutausbrüche, Prügel. Ganz greifbar vor der eigenen Nase, und da reden wir noch nicht von übergeordneter Schuld. Ich denke, es ist nicht wenigen Familien so gegangen. Zumindest wenn Menschen ein Gewissen und Gerechtigkeitssinn hatten, konnten sie die Zeit nicht hinter sich lassen. (Umkehrschluss gilt auch.) Es ist ein Mist, der bis heute an den Hacken klebt.



    Und dennoch: Klar haben die Deutschen viel mehr Schaden angerichtet als erlitten. Keine Frage. Wäre es besser gewesen sie wären alle rechtzeitig abgehauen? Bevor sie, freiwillig oder unfreiwillig, zu dem System beigetragen haben? Kann sein.



    Also hört mir bitte mit der pauschalen Selbstgerechtigkeit der Spätgeborenen auf. Schauen wir lieber gemeinsam dass solche Ungeheuerlichkeiten nicht wieder geschehen. Oder immer ein Ticket bereithalten um schnell abzuhauen.

    • @sachmah:

      Nach wie vor halte ich "Abhauen" in solchen Situationen nicht für angebracht, da es ja gerade in solchen Situationen auf Bürger und gerade auch auf die gesellschaftlichen Eliten, wie Politiker, ankommt, die Widerstand leisten können und Tragweite haben, anstatt das Land bei Aggressionen solchen Übeltätern freiwillig zu überlassen.

      Bei der Diskussion fehlen mir auch die neusten Forschungsergebnisse der Epigenetik, über die massiven Schäden und Folgen derartiger Traumatas, die neben der sozialen intergenerationellen Übertragung auch über die Genetik quasi an folgende Generationen "weitervererbt" werden, und welche Schäden Kriege, Traumatas etc. auch bei nachfolgenden Generationen in deren Epigenetik hinterlassen.



      Insofern sind kriegerische Eskalationen m.E. die schlechteste Art Konflikten zu begegnen, da die Folgen unabsehbar, auch für folgende Generationen sind.

  • Es war meiner Erinnerung nach Richard von Weizsäcker, der in seiner damals viel beachteten Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes vom 08. Mai 1985 erstmals in Deutschland offiziell als Tag der Befreiung bezeichnete:



    "Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen - der 8. Mai 1945 ist ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung in Europa.



    (...) Und dennoch wurde von Tag zu Tag klarer, was es heute für uns alle gemeinsam zu sagen gilt: Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."



    Die Rede endet mit den Worten: "Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge."



    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.



    www.bundespraeside...19850508_Rede.html

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Tag des Sieges über den deutschen Faschismus“ Gern. Hoffentlich ist es nicht nur ein Etappen-Sieg.



    Die Kritik an den Medien in Sachen „Unsere Mütter Unsere Väter“ u.a. ist sehr berechtigt.

  • Seit Bundestagsrede Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (1920-2015) am 8. Mai 1985, der den 8. Mai 1945 zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus aller Deutschen erklärt, mussten Westdeutsche nicht mehr in die DDR reisen, um den 8. Mai als Tag der Befreiung zu feiern. 8. Mai Gedenken mit den Weizsäckers ist seit Deutscher Einheit 3. Oktober 1990 gesamtdeutsche Zeitzeugenpflicht als "Muster ohne Wert", das zu nichts verpflichtet, nicht einmal Überlebende von NS Zwangsarbeit in Wirtschaft, Gesellschaft, Kirchenbetrieben, Kommunen, Landwirtschaft, Forsten, darunter Millionen Kriegsgefangene, Entschädigung zu zahlen, die



    symbolisch zumindest durch New Yorker Anwaltskanzleien treuhänderisch erst 1999 deutscher Gesellschaft, Politik durch Boykottdrohung deutscher Wirtschaft abringen konnte, aus einem 12 Milliarden DM Entschädigungsfonds auf Antrag nach Vorlage entsprechender Papiere symbolisch Entschädigung zu zahlen. Das Deutsche Gedenknarrativ ist seitdem vom Leugnen zur Schuldverschiebung übergegangen, wenn Bundespräsident Roman Herzog (1934-2017) US Präsident Bill Clinton bei USA Besuch 1996 im Brustton von Zeitzeugenschaft mit Ladehemmung erklärt, Grund für so späte Entschädigungen von Zwangsarbeit sei Freispruch riesig großer NS Organisationen durch das Nürnberger Kriegsverbrecher Tribunal der Alliierten und Fakt, man habe nicht gewollt, dass kommunistische Regime sich mit Entschädigungszahlungen Taschen füllen, statt diese an Begünstigte weiterzuleiten. Das auch Zwangsarbeiter aus deutschbesetzten Teilen Westeuropas, Nordafrikas nicht entschädigt wurden unterschlägt Herzog, auch, dass Kanzler Konrad Adenauer auf Anraten Deutschen Juristentages 1953, das von Alliierten 1945 eingeführte Unternehmensstrafrecht suspendiert, damit Entschädigungsklagen durch Zwangsarbeiter an Unternehmen, Kirchen, Kommunen Rechtsgrundlage entzogen ist, ihnen angemessenen Lohn, vorenthaltene Sozialbeiträge in Rentenkasse nachzuzahlen (s. Herzogs Buch "Die Erinnerungen"

  • Eine ernsthafte Aufarbeitung auf individueller Ebene scheitert regelmäßig am Unwillen der damaligen Generation und auch zum Teil ihrer Kinder, überhaupt zu reden. Als Nachgeborene der dritten Generation bleibt nur das Lesen von Büchern und ggf. Recherche in Archiven.

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @aujau:

      Naja, ich stell mir unheimlich schwierig vor, wie Täter und Opfer nach dem Krieg wieder zusammen gefunden haben.

      Gleichzeitig war es zwingend notwendig, dass die Staatsorgane mit Altnazis besetzt wurden.

      Du hast halt nun mal jemanden mit Erfahrung im Polizei/Gerichts/Geheimdienst/Verwaltungsprozess gebraucht, und viele qualifizierte Opfer aus den KZs sind nach dem Krieg ausgewandert und haben einen F*ck drauf gegeben, sich jemals nochmal für Deutschland zu engagieren. Man kann's nicht verdenken

      Ich bin am Sonntag oft bei meinen Eltern zu Mittag, und ich unterhalte mich gern mit meinem Vater über Geschichte..

      Meine Mutter funkt regelmäßig mit der qualifizierten Meinung "Jeder Krieg ist schlimm" und "Die Leute haben alle genug vom Krieg gehabt" rein.

      Sobald es differenziert wird, kommt "Jetzt reden wir über was anderes. Wie war deine Woche?'

      Jedes. Einzelne. Mal.

      Es wird erst eine sachliche Aufarbeitung geben, wenn diese Generation nicht mehr ist.

      • @32051 (Profil gelöscht):

        Da hat Muttern doch recht, es ist jeder Krieg schlimm....

        • 3G
          32051 (Profil gelöscht)
          @Christian Ziems:

          Klar hat sie recht. Das ist aber ein Kalenderspruch, der es einfach macht, "wir waren auch nur Opfer Hitlers" zu rufen.

          Er wischt Ursache und Wirkung beiseite, stellt Täter und Opfer gleich und tut so, als hätte es bis 1945 nur heimlichen Widerstand gegeben.

          Tatsache ist, dass ganze Dörfer Jagd auf KZ Häftlinge gemacht haben.

          Dass Häftlingskolonnen mit Kotbeuteln und Steinen beworfen wurden.

          Dass Bauern Häftlinge noch kurz vor Kriegsende eigenhändig erschlagen haben, wenn sie sie aufgefunden haben.

          Und am neunten Mai haben die Leute plötzlich erleichtert: "Gooottseidank ist dieser Krieg endlich rum" gerufen..

          Forschen zufolge waren etwa 0,1% der Menschen im Widerstand.

          Umfragen zufolge glaubt jeder zweite, dass seine Großeltern offen oder heimlich im Widersand waren.

          Ich sag mal so: Ich weiß nur, dass mein Opa (1997 gestorben) bei der Wehrmacht in Griechenland war.

          Ich weiß aber auch, dass sich die Wehrmacht in keinem Land außer Russland so aufgeführt hat wie in Griechenland. Athen geplündert, Eichmanns Deportationen in Saloniki "abgesichert", Massaker an italienischen Kriegsgefangenen.

          Jetzt kann ich über ihn glauben, was ich will. Ich weiß es nicht.

      • @32051 (Profil gelöscht):

        Liebe/r BJJ,

        danke für diesen Beitrag. Ja, so ist es, die Generation, die dabei war, will oft nicht drüber reden - und dafür kann es jede Menge Gründe geben - von Scham bis zu Schuld. Und dieses Schweigen ist absolut verkehrt. Wenn erst die Zeitzeugen fehlen, wie wollen wir dann wirklich erfahren, was die einzelnen durchgemacht haben bzw getan haben? Jedes Geschichtsbuch ist nur so gut wie seine Schreibenden. Und gerade dieses Thema wird aufgrund seiner Brisanz und der Schwere der Schuld so mancher immer dazu verführen, in die eine oder andere Richtung verharmlosend oder pauschalisierend zu werden. Deswegen, Mut zum Dranbleiben! Wenn diese Generation nicht mehr da sein sollte, ist es für vieles zu spät. Wieso soll erst dann eine bessere sachliche Aufarbeitung erfolgen?

        Als Einstieg (aber eben nur als Einstieg) gibt es gute zeitgeschichtliche Bücher von "Profis" "Anmerkungen zu Hitler" und "Leben eines Deutschen" (letzteres autobiographisch mit einigen bemerkenswerten Details) von Sebastian Haffner oder auch die Hitlerbiographie von Joachim Fest. Beide ermöglichen es, wesentlich detaillierter als in Schulbüchern Einblick zu nehmen, wie "verführt" wurde und was die Hintergründe waren. Ebenso geht es aber sehr wohl auch um die Täterseite.



        Da gerade Haffner versucht, die menschliche Verführbarkeit dahinter zu verstehen, wäre solch ein dünnes Buch (wie Anmerkungen zu Hitler) vielleicht ein guter Einstieg in Gesprächen mit Zeitzeugen wie Deiner Mutter ("War es wirklich so?")

        Und nein, wir alle sind weiterhin nicht dagegen gefeit, verführt zu werden. Es muss nicht immer so totalitär, verbrecherisch und tödlich sein. Auch bereits viel, viel weniger kann schlimm genug sein. Deswegen ist diese Aufarbeitung so wichtig - nicht wegen dem moralischen Zeigefinger, sondern um daraus zu lernen und generell gegen Mechanismen bereits gegen Populismus besser gewappnet zu sein.



        (Sebastian Haffner selbst ist übrigens nach London geflohen, wo er als Journalist aktiv bleiben durfte)

        • @Werner2:

          Meine Oma mütterlicherseits war Halbsinti. Ihre mindestens 13 Geschwister sowie ihre Mutter wurden von den Nazis ermordet. (Sie erzählte mal, dass sie als 13. Kind bei der Feldarbeit geboren wurde - das Baby wurde in ein Tuch gewickelt, und die Mutter hat weiter Korn geerntet - und sie erzählte von einer jüngeren Schwester.) Sie hat nur überlebt, weil zwei ihrer Söhne an der Front kämpften (einer ging mit der Bismarck unter, einer starb auf der Krim), und weil ein Beamter ihr wohlwollend "ausreichend deutsches Blut" bescheinigte. Sie hat niemals ein Wort über ihre Erlebnisse verloren. Das ging so weit, dass ich noch nicht einmal Anzahl und Namen meiner Verwandten kenne. Manchmal ist sie schreiend wach geworden.

          Mein Opa väterlicherseits war SS-Scharfschütze an der Ostfront, in der Ukraine. Er wollte auch nicht darüber reden. Seltsam: Er hat einen Kettenhund aus einem ausgebrannten Dorf mitgenommen, ins Lazarett und auf Heimaturlaub. Er war ein harter, schweigsamer Mann. Aber manchmal ist er schreiend wach geworden.

          Soll ich mich jetzt als Opfer oder als Täter fühlen?

        • @Werner2:

          Sie schreiben "Scham und Schuld" hat wohl auch dazu beigetragen, nicht zu reden. Absolut richtig. Ich ergänze: Traumas, entweder vom Kämpfen oder vom Erleben der Bombardierungen, Vergewaltigungen etc. So hat meine Mutter, die den Krieg als Kind in einer Industriestadt erlebte, bis an ihr Lebensende bei Flugzeuglärm Panikattacken bekommen - darüber reden konnte sie nicht.

    • @aujau:

      Für mich ist eine Hauptlehre aus der Nazizeit, dass so etwas nie wieder passieren darf.

      Um solch ein Geschehen zu vermeiden, gilt es aus der Vergangenheit zu lernen. Wie haben sich damals Mitmenschen in einem solchen totalitären System verhalten? Es geht bei dieser Frage auch nicht um die ideologisch fanatischen Hardcorler, sondern um "normale" Mitmenschen. So ist es für mich zu einem Hobby geworden, Biographien aus dieser Zeit zu lesen, um zu erfahren, wie Mann und Frau damals "durchkamen" durch solch ein System. Und in der Tat, die meisten der nicht Fanatisierten überlebten nur als Mitläufer. Dies gilt genauso für die meisten Prominenten, denen man nichts Böses in dieser Zeit unterstellen kann oder möchte. Sei es ein Hoimar von Ditfurth, ein Helmut Schmidt, ein Helmuth Kohl (Mitglied in der HJ), ein Guenther Grass, etc etc - keiner von ihnen hätte überlebt, wenn er sich nicht geduckt hätte. Jemand wie Michael Ende, der sich wirklich demonstrativ gegen die Faschisten stellte, überlebte nur mit viel Glück aufgrund des rechtzeitigen Kriegsendes. Ein ehemaliger Vermieter erzählte, wie er, vorgewarnt, der bereits anstehenden Rekrutierung durch die WaffenSS nur entkam durch einen Sprung durch das Klofenster und sofortiges freiwilliges Melden bei der Wehrmacht. In der Strassenbahn in Karlsruhe erzaehlte ein alter Mann, er sei automatisch zur SS gekommen, weil er bei der Kripo gewesen sei und die dortigen Beamten alle übernommen wurden. Natürlich, im Nachhinein gesehen, hätten sie alle fliehen und emigrieren sollen. Aber wer wusste wirklich, wie schlimm es kommen würde, wenn noch 1938 Politiker aus England und Frankreich dachten, mit dem Münchner Abkommen sei nun alles befriedet und geregelt? Der Terror kam schleichend und viele waren zu bequem, so vermute ich heute.



      Ich stelle mir deswegen immer gerne die Frage, wie hätten wohl diejenigen gehandelt, die heute so schnell dabei sind, mit dem Finger auf Mitläufer zu zeigen. Es gibt hier noch sehr viel zu lernen.

  • Interessant, ich bin 29 und im ersten Moment hat mich der Artikel nicht ganz abgeholt.



    Aber dann erinnerte ich mich, dass in einem Tagebuch meines Opas, seinerseits absolut links und glühender Metaller auch stand:"Der Krieg ging verloren, die Engländer kamen über Itzehoe...".

    Vielen Dank für diesen Artikel.

  • Erst waren die Deutschen Weltmeister in Sachen Vernichtung, später dann wurden sie Weltmeister in Sachen Erinnerung und Aufarbeitung.

    Aus "Otto Normalvergaser" (Eike Geisel) wurde "Otto Normalverbraucher", dessen Strafe für die ganzen Verbrechen ein "Wirtschaftswunder" war.

    Kaum jemand fühlte sich nach 1945 befreit. Um das wahrzunehmen, kann man sich einfach historische Aufnahmen aus der Zeit anschauen und diese etwa mit solchen, die die Befreiung von Paris dokumentieren, vergleichen.

    Neulich ist eine steinalte Tante von mir in die ewigen Jagdgründe eingetreten.



    Bis zum Ende ihrer Tage sprach sie von 1945 nie von "Befreiung", sondern immer vom "Zusammenbruch".

    Als Deutschland zusammenbrach, brachen die Deutschen mit zusammen und hatten Schiss, dass es ihnen jetzt an den Kragen geht.

    Pustekuchen, alles wieder aufbauen und weiter geht's.

    • @Jim Hawkins:

      In der DDR wurde gar nichts aufgearbeitet.

      Die DDR hatte noch vor der BRD ein Amnestiegesetz und danach waren dann ja alle "Antifaschisten", also im Grunde Sieger des Zweiten Weltkrieges. Kritische Debatten zum Dritten Reich gab es nicht, weil es grundsätzlich keine kritischen Debatten gab.

      Und bei Gedenkfeiern in Dresden schwafelten SED-Größen noch in den 1980ern vom "angloamerikanischen Bombenterror".

      • @Suryo:

        Die "Gedenktafel" am Zwinger, auf der auch von Anglo-Amerikanischen Bomben schwadroniert wird wurde auch nachwendisch mitsamt ihres Settings aufpoliert, keine Sorge.

      • @Suryo:

        Die Vernichtung einer ganzen Stadt ist bombenterror.....

        • @Christian Ziems:

          Die Vernichtung einer ganzen Stadt impliziert einen Massenmord den es so nicht gab, es war Krieg. Bombenangriffe waren akzeptierter Teil der Kriegsführung, andere deutsche Städte wurden härter getroffen da gibt es keine solche Dramatisierung.

        • @Christian Ziems:

          Komisch, in Hamburg oder Würzburg begreift man sehr wohl, dass Sturm erntet, wer Wind sät.

          Nur in Dresden - schon vor 1933 Nazihochburg - jammert man heute noch rum.

          Die Heuchelei der SED konzedieren Sie aber schon, oder? Denn einerseits über "angloamerikanischen Bombenterror" zu jammern, andererseits aber gewisse massenhafte Vergewaltigungen von anderer Seite totzuschweigen, ist dann ja wohl doch ein kleines bisschen verlogen.

  • Ja dieses "Tag der Befreiung" hat einen üblen Beigeschmack. So als ob man sich nachträglich auf die richtige Seite stellen will.

    Im Ausland wird der Sieg über Deutschland (und die Deutschen) gefeiert...nicht die Befreiung der Deutschen vom Faschismus.

    Dass man das Gefühl der Niederlage, denn so haben die Deutschen das 1945ff empfunden, aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehen kann/will - OK. Aber zu glauben dass man sich so einfach "aus der Affäre" stehlen kann ist naiv. Entweder man glaubt an das (im Prinzip völkisch-nationalistische) Konzept der historischen Schuld/Verantwortung oder nicht. Rosinenpickerei geht nicht.

    Übrigens wird das Thema durch die zunehmende ethnische Diversität Deutschlands noch sehr interessant.

  • Ich persönlich halte nicht so viel von Rückblick und Schuldfrage und die eigene Familie zu durchleuchten wer damals wie Nazi war. Das ist mir relativ wurscht. Nutzen wir unsere Energie für eine klare Linie und Bekämpfung von Rassismus und rechtsradikalem Gedankengut -jetzt und heute !

    • @maestroblanco:

      Es gibt doch diese klare Linie aber nicht.

      Vor 30 Jahren wurde Rassismus anders definiert als heute.

      Was rechtsradikal ist, ebenfalls.

      Sie haben recht, bis ins Detail die damaligen Überzeugungen in der eigene Familie zu durchleuchten, ist wenig zielführend.

      Wichtig wäre dagegen die Frage, was die Nazis attraktiv machte.

      Was zog die Leute an?

      Da könnte die eigene Familie hilfreich sein.

    • @maestroblanco:

      Danke, so sehe ich das auch.

  • Ich glaube und bin dankbar dafür, dass wir heute die Lebenssituation der Menschen damals nicht wirklich nachvollziehen können. Man könnte auch sagen: Hinterher ist man immer schlauer. Auch ich habe den 08.05. Nie als Tag der Befreiung, sondern als Kriegsende bezeichnet und bin damit aufgewachsen- und die meisten Menschen damals waren heilfroh, dass Krieg und Naziregime zu Ende waren. Viele waren Täter, haben Menschen erschossen, deportiert, ausgebeutet, .... viele aber eben auch gleichzeitig Opfer durch Verletzungen, Vertreibung, Vergewaltigung, Flucht, Gefangenschaft, Hunger. Es gibt eben nicht nur schwarz und weiß. Deutschland wurde nicht befreit, sondern hat endlich eingesehen, dass dieses Regime, dass dieser Krieg ins Verderben führte. Hoffen wir , dass dies auch uns eine Lehre bleibt.

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @Emsch:

      und die meisten Menschen damals waren heilfroh, dass Krieg und Naziregime zu Ende waren.

      Den Sprech kenn ich von meiner Mutter auch.

      Nach dem Krieg hat auf einmal nie niemand nicht "Heil" geschrien. Alle waren im Widerstand, jeder hat KZ Häftlingen Brot und Kartoffeln zugeschmissen.

      Zitat meine Oma: "Wir haben einen Juden versteckt, das ganze Dorf hat zusammengehalten"

      Naaaatürlich... 🙄 Noch 1945 haben ganze Dörfer Jagd auf KZ Häftlinge gemacht und Bauern aufgefundene Häftlinge erschlagen oder ausgeliefert.

      Die Leute haben seit spätestens 1944 gemerkt, dass der Krieg zuende geht, sich ihre "Nix gewusst" Ausreden zurecht gelegt und nach 45 kollektiv geschwiegen und alles verleugnet.

      "Froh, dass der Krieg vorbei war..." Eher heimlich beschämt, ihn verloren zu haben, froh, dass niemand die eigene Mitverantwortung erwähnt hat und willig, sich den Siegern anzubiedern. Isses nicht so?

    • @Emsch:

      Ich bin froh zu existieren, das hätte bis Kriegsende ganz anders ausgehen können. Dankbar, das vor allem ein Mann, der bis ans spät Ende seines Lebens Geschützfeuer hörte, alles für die Familie gegeben hat im Stahlwerk. Jünger als ich heute bin hatte er Erfahrungen für mehrere Leben um es schwülstig zu sagen. Es ist mir ein Rätsel, wie auch bei geflüchteten Menschen heute, wie es viele schaffen zu funktionieren wenn es um Familie geht. Tja, ob und welche Schuld - ich konnte keine „nachweisen“. Das ist nun Sache Gottes.

    • @Emsch:

      "aber" ... Herrjeh.



      Deutschland hat gar nichts eingesehen.

  • "Die Geschichte, wie sie an deutschen Schulen immer noch weitgehend gelehrt wird, verdrängt diese historische Realität. Da sind es Hitler und seine Nazischergen gewesen, die diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit ganz allein verübt haben sollen."

    Scheint so, als sei ich in den 80ern und 90ern auf ganz besonderen Schulen gewesen. Da wurde nämlich im Geschichts-, Religions- und Deutschunterricht definitiv nicht gelehrt, dass der Nationalsozialismus nichts war als die Gewaltherrschaft einer kleinen Gruppe Nazis, sondern dass er ohne die breite Zustimmung der Deutschen nicht möglich gewesen wäre.

    • @Suryo:

      ich war auch auf so einer besonderen Schule. Im Westen.

      • @sachmah:

        Ich habe die auch besucht.

        Schön, dass wir schon mal zu dritt sind.

      • @sachmah:

        Ich auch. Es wurden übrigens gerade in den Baseballschlägerjahren, also anlässlich von Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln und Solingen ständig Parallelen zwischen NS-Zeit und Gegenwart gezogen. Dementsprechend war es unvorstellbar, dass einer von uns achselzuckend sowas gesagt hätte wie „Der ist halt rechts, das ist nun mal seine Meinung.“ Das habe ich erst 1999 in Mecklenburg gehört…

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Kann ich hier irgendwo unterschreiben?

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Klaro:

      TAZ UNTERSTÜTZEN



      EINMAL ZAHLEN

  • Als Enkelkind von Nazi-Großeltern, stimme ich dem Artikel zu. Meine Großeltern wurden nicht befreit, für sie fühlte es sich an wie eine große Tragödie. Aber ich als Enkelin kann von ganzem Herzen sagen, dass der 8.Mai ein Tag der Befreiuung ist, zumindest der Anfang einer Befreiuung, auch für die Deutschen, auch für meine Großeltern letztendlich, aber wichtig ist die Differenzierung trotzdem: Wir deutschen Nachfahren müssen viel mehr darüber reden, wie es sich für unsere Familien damals wirklich angefühlt hat und nicht nur den einen Alibi-Verwandten hochhalten, der einmal keinen Hitlergruß gemacht hat, als es von ihm erwartet wurde.

  • Diese Schulbildung scheint Berlinspezifisch. In Rheinland-Pfalz habe ich das damals anders gelernt. Der Tag der Befreiung war dort ebenso unbekannt, man sprach vom Kriegsende am 8. und 9. Mai.

    Im Geschichtsunterricht besteht natürlich immer die Gefahr der Manipulation, weshalb bei uns damals auch eher die kritische Auseinandersetzung gelehrt wurde und weniger das Faktenwissen. Dadurch wurden die Themen dann naturgemäss nicht immer in aller Tiefe behandelt aber man hatte das Rüstzeug sich selbst damit auseinanderzusetzen.

    Vielleicht sollte man sich wieder mehr daran erinnern und weniger vordenken. Sondern eine kritisches Geschichtsbewusstsein und eine gesunde Medienkompetenz vermitteln.

    • @Bens:

      "Tag der Befreiung" hat auch in West-Berlin früher keiner gesagt.

      Man sieht, auch wenn man einfach von "Kriegsende" sprach, musste man kein Nazi werden.

      Beim Thema Vordenken bin ich voll bei Ihnen.

  • ...interessanter Artikel, ich empfehle hierzu zum Thema - Judenverfolgung



    Europäischer Antisemitismus 1880 - 1945 - das aktuelle Buch von dem Historiker Götz Aly " Europa gegen die Juden " .

  • Ich fühle mich als Deutscher befreit. Ich wäre als schwuler Mann in der Nazi-Zeit verfolgt gewesen, womöglich auch wegen meiner politischen Haltung, ob ich den Mut gehabt hätte, diese nicht zu verstecken, weiß ich natülich nicht. Aber ich nehme mir das Recht heraus, mich auf der Seite der Verfolgten zu sehen. Es mag eine Mehrheit der Deutschen die Nazis unterstützt haben, es mögen noch mehr Deutsche aus Opportunismus mitgemacht haben. Aber auch viele der Opfer der Nazis - Schwule, Sozialdemokraten, Kommunisten, nicht zuletzt auch viele Juden - waren Deutsche. Wer sagt, wir seien nicht befreit worden, weil die Mehrheit der Deutschen Täter waren, der spricht den deutschen Opfern das Deutschsein ab, was der NS-Logik entspräche, oder er macht sie selbst zu Mittätern.

    • @Ruediger:

      Ich lese in Ihrem Kommentar in erster Linie einen Plädoyer dafür, warum das Konzept von nationaler Identität ziemlich Banane ist....



      was soll denn eine Schublade wie 'deutsch' charakterisieren wenn nicht die Position der überwältigenden Mehrheit und des repräsentativen Staats? . .... und wenn diese Dinge keine sinnvolle Charakterisierung einer solchen Schublade darstellen (was sie offensichtlich nicht tun), wer braucht das ganze dann noch?



      Und wie Michaelik angemerkt hatte, es geht weniger um individuelle Geschichtsbilder sondern um das Verständnis des repräsentativen Staates.

    • @Ruediger:

      Ich fühle mich als deutscher Jude auch befreit. Zu spät allerdings für den Großteil meiner Familie.



      Wenn sich Deutschland als Nachfolgestaat aber das Label gibt im Ganzen befreit worden zu sein, dann ist es genauso wie im Text beschrieben.



      Komischerweise haben alle meine FreundInnen nur Eltern und Großeltern, die in irgendeiner Form Opfer des NS Regimes waren. Das kann aber ja nicht sein. Wo sind die Nachkommen der SA und SS Leute, wessen Opa hat in der Ukraine Frauen und Kinder erschossen oder lebendig verbrannt?



      Am 8. Mai wurde ein Volk besiegt, das in ganz breiten Teilen stramm hinter der NS Ideologie stand (und damit übrigens ja auch danach nicht aufgehört hat). Die wenigen, die tatsächlich befreit wurden, werden das schon zu unterscheiden wissen, zumal deren wichtigster Tag wahrscheinlicher der 27. Januar gewesen sein dürfte, denn in Deutschland gab es sie eh praktisch nicht mehr.

      • @MichaelK:

        Sie können doch nicht erwarten, dass Menschen, deren Eltern Nazis waren, dies vor sich hertragen. Die Belastung ist groß genug, solche Eltern oder Großeltern gehabt zu haben, und das ging wohl auch oftmals mit harten Streitereien in den Familien einher. Man möchte doch nicht als Nazikind etc. abgestempelt werden, was unweigerlich passieren würde. Allerdings wissen meine engen Freund:innen, dass mein Vater mit 17 Jahren, 1943, zur SS ging, während sein Vater immer Sozi war, und ich (nach dem Krieg geboren) Opfer geworden wäre. Und wie schon geschrieben, kannte ich etliche Alte, für die das Kriegsende eben auch eine Befreiung war.

    • @Ruediger:

      👍👍

    • @Ruediger:

      Ich wäre auch Opfer geworden. Und ich kannte etliche Alte die froh waren, als das alles vorbei war. Vielleicht sollte der Fokus auch einmal auf den Teil der Elite, der nicht emigriert ist, gerichtet werden - bei denen war der Anteil der Stiefelleckerer wohl großer als beim "gemeinen Volk".

      • @resto:

        War er? Wieso?

        Wenn man sich anguckt, welch breite Zustimmung die Niedertracht und Gehässigkeit der AfD in einigen Landstrichen findet, und bei wem, dann bekommt der Ausdruck "gemeines Volk" eine andere Bedeutung.

  • Dass viele unserer Vorfahren verbrecherische Nazis waren, ist nicht zu leugnen. Ich brauche weder Selbstbeweihräucherung noch Schlussstrichmentalität. Der Geschichtsunterricht sollte einfach die Fakten benennen. Die sind schlimm genug. Die Nachfahren haben hoffentlich daraus gelernt, dass so etwas nie wieder passieren darf.

    Eigene Schuld und Verstrickung bei der Bevölkerung zu suchen, die nach 1945 geboren wurde (oder vielleicht kurz davor), ist allerdings nicht angemessen. Deutschland ist heute eine solide Demokratie, die rechtsnationale Tendenzen erfolgreich abwehren kann. Wir werden heute zurecht von vielen auf der Welt für unsere zivilgesellchaftlichen Errungenschaften beneidet.

    Die DDR als irgendwie vorbildlich in der Aufarbeitung der Nazizeit zu bezeichnen, ist abenteuerlich. Die DDR-Führung hat es sich sehr einfach gemacht: "Antifaschistischen Schutzwall" hochziehen - fertig. Böse Nazis gab es für die nur in der BRD.

    • @Winnetaz:

      "Die DDR als irgendwie vorbildlich in der Aufarbeitung der Nazizeit zu bezeichnen, ist abenteuerlich"

      Das ist nicht nur abenteuerlich. Das ist grundfalsch. Und auf eine gewisse Art auch schon wieder geschichtsvergessen. Deshalb ist die Meinung, man müsse doch mal "einen Schlusstrich ziehen" keiner Bevölkerungsgruppe so stark vorhanden, wie in den Nachkriegsgenerationen der DDR. Und deshalb wird die AfD dort auch von Vielen gewählt, die sich glauben, selbst "nicht rechts zu sein, aber...."

  • Danke für diesen wichtigen Artikel! Der ganze »Erinnerungsweltmeister«-Kult ist dermaßen verlogen.

  • Dem Begriff "Tag der Befreiung" begegne ich erst, seit ich in Berlin lebe und kannte ihn ansonsten als Begriff der ehemaligen "Ostblock"-Staaten. Ich habe an diese Tage aus meiner westdeutschen Zeit eher die Erinnerung eines mahnenden, betretenen Gedenkens. Von einer Befreiung war nicht die Rede, aber von "Nie wieder", insbesondere auch in den 90ern, in die meine Schulzeit fällt.



    Ich kann auch überhaupt nicht bestätigen, dass der Schulunterricht, wie die Autorin schreibt, lehrt(e), dass Deutschland von bösen Nazis vereinnahmt und dann befreit wurde. Das Schuld- Thema war sehr präsent und entsprechend die Lehre. Möglicherweise hat sich das inzwischen geändert. Vielleicht gibt es auch große Unterschiede in der Lehre.



    Ich teile das Unbehagen bezüglich des Feierns einer Befreiung. Das "nie wieder" und die Dynamik von Mitläufertum sollten präsent bleiben und gelehrt werden.

  • "Die mehrheitlich bis Kriegsende glühende Anhänger Hitlers waren?"

    So, war dem so? Belege? Zahlen?



    Wer sich öffentlich gegen Hitler gestellt hat, wurde sehr schnell abgeholt, so ergangen einem meiner Grossonkels. Ab einem gewissen Punkt gab es nur eine Möglichkeit zu überleben: Mitläufertum. Dies galt sicherlich nicht für alle. Es gab in der Tat genug Täter. Interessant wäre hier aber das Verhältnis zwischen Mitläufer und Täter - und selbst da haben wir wohl eine Grauzone. Wenn selbst ein Helmuth Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler und damals Offizier der Wehrmacht sagte, er hätte bis kurz vor Ende des Weltkrieges nichts vom Holocaust gewusst, so glaube ich ihm das ersteinmal.

    Es ist sehr einfach, im Nachhinein zu urteilen, wenn man nicht selbst damals gelebt hat. Ob es allerdings damit richtiger wird, daran habe ich meine Zweifel. Man sieht doch heute, wie schnell Mitmenschen aufgrund simpelster Gründe zum Mitläufer des Systems werden (zB "Konsumenten"). Um wieviel schwerer musste es damals wohl gewesen sein, diesem totalitären tödlichen System zu widerstehen, wenn man einen Beruf, Frau und Kinder hatte, und nicht nur um Einkommen, sondern um Leben fürchten musste? Die einzige Chance bestand bei den beiden letzten Reichtsagswahlen, H. loszuwerden. Danach war es zu spät. Kein Mensch hätte aber H. wohl gewählt, wenn man wirklich gedacht hätter, dass er genau das wahrmachen würde, was in in seinem Buch zuvor geschrieben hatte.



    Selbst ein Chamberlain und Daladier schätzten H. falsch ein, und die waren wohl ein wenig besser informiert. Wie schnell man innerhalb eines Landes Leute propagandistisch einlullen kann, das sieht man wohl nun wieder bei dem Krieg Russlands, davor aber bereits bei dem Angriffskrieg der USA gegen den Irak. Es ist anscheinend so einfach, Menschen zu täuschen mit gezielter Propaganda.



    Eigentlich dachte ich, die Diskussion der "Kollektivschuld" wäre vom Tisch, da durch und durch rassistisch. Es scheint hier aber nicht der Fall zu sein.

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @Werner2:

      "Wenn selbst ein Helmuth Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler und damals Offizier der Wehrmacht sagte, er hätte bis kurz vor Ende des Weltkrieges nichts vom Holocaust gewusst, so glaube ich ihm das ersteinmal"

      Helmut ohne zweites H.

      Davon abgesehen, ist das ein Punkt, auf den sich viele Deutsche zurückgezogen haben. Was genau war denn "Der Holocaust?"

      Gings los mit den Konzentrationslagern 1933? Das haben alle gewusst.

      Die Pogrome 1938? Waren auch bekannt.

      Die "Einsatzgruppen", die Massaker der SS in Babyn Jar (Lassen wir mal die ganzen "Vergeltungsaktionen" gegen die Zivilbevölkerung außen vor)?

      Die Wehrmacht hat sie "abgesichert", Teile der Wehrmacht haben es gewusst.

      Die "Absicherung" der "Transporte Eichmanns von Saloniki nach Auschwitz, die Umsiedelung der Juden in Ghettos ist durch die Wehrmacht erfolgt.

      Begann er bei den "Gaswagen?"

      Oder ab der Wannseekonferenz?

      Bekannt war, dass es KZ`s gibt, dass es Massaker gibt, dass es Vernichtungslager im Osten gibt.

      NICHT bekannt war vielleicht die Anwendung von Gas.

      Die Wehrmacht hat russische Kriegsgefangene aus den offiziellen Listen als "geflohen" gestrichen, damit diese im Rahmen des "Nacht-und-Nebel-Erlasses" (Der hieß wirklich so) nach Mauthausen verschleppt wurden, wo sie anonym ohne Dokumentation ermordet wurden.

      Insofern, selbst wenn man nicht "alle Details" wusste, war "Der Holocaust" als solcher bekannt.

      "Wir haben von nichts gewusst" hat die Bevölkerung sich spätestens ab 1944 zurecht gelegt. Helmut Schmidt oder nicht.

    • @Werner2:

      Ja dieser eine Satz mit der 'glühenden Verehrung' war - gelinde gesagt - unwissenschaftlich, aber allgemein ist historisch Fakt dass der NS nicht so funktioniert hätte wie er funktioniert hat wenn nicht eine breite Bevölkerungsmehrheit (Teil-)Aspekten des Systems ideologisch Zustimmung zugesprochen und/oder auf eine oder andere Art und Weise vom System profitiert hätte.



      Dass rationalisiert Verständnis für Verhalten wie Mitläufertum aufgebracht werden kann (was ja niemand abstreitet) heißt doch nicht dass Schuld/Täterschaft sich einfach in Luft auflöst. (Eine Erklärung ist keine Entschuldigung)



      Und ob die Diskussion über Kollektivschuld vom Tisch sollte: Aller Nationalismus war immer schon mit KOLLEKTIVEN Attributszuweisungen und KOLLEKTIVEM Geschichtsverständnis verbunden, aus irgendeinem Grund halt immer mit den positiven Seiten (hmmm).



      Alle freuen sich über Erbe und stellen das Recht Reichtum von Vorfahren (für das man selbst nichts getan hat) nicht in Frage, aber einen Berg Schulden wird sofort ausgeschlagen á la ''sippenhaft''/''hat nichts mit mir zu tun''



      Wir können gerne darüber reden ob nationale Identitäten nicht allgemein Banane sind, dann ist das mit 'Kollektivschuld' nämlich definitiv vom Tisch.

    • @Werner2:

      ...möchte mich Ihren anschließen - sehr es such genauso

      • @Alex_der_Wunderer:

        Sebastian Haffner hat es immerhin aus Deutschland vertrieben. Er schreibt sinngemäß, dass er sich selbst in Frage stellte. Stimmt dein innerer Kompass noch, wenn die Mehrheit der Menschen völlig inhuman abstumpft? Die stille und lautehalse Zustimmung zu Progromen, KZs und Gleichschaltung aller Medien. Völlige Aufgabe des Individuum, Hass und Hetze aus dem Radio oder in der Wochenschau.

  • Der Artikel ist doch zu platt. Es gab zwar viel zu wenige die Verfolgten geholfen haben und die meisten wollten nichts davon wissen, schauten weg oder profitierten. Dennoch hat es Menschen gegeben, die nicht für das Naziregime waren, wie z.B. meine Großeltern und überhaupt die nähere Familie, denn sie waren für die SPD, die USPD manche auch für die Kommunisten. Alle wurden verhaftet, kamen aber wieder frei. Der Bruder meines Großvaters floh, bevor er wieder verhaftet werden sollte, mit Hilfe einer Fluchthelferorganisation in die Schweiz. Meine Großeltern haben ein paar Wochen vor Ende des Krieges für einige Wochen zwei Deserteure bei sich versteckt, die Uniformen der beiden wurden im Wald vergraben.

  • Geschichte ist nun mal komplex und hat verschiedene Betrachtungsebenen. Ich denke die Deutschen gehen ziemlich souverän mit ihrer Geschichte um. Sie wird in den Medien und an den Schulen mehr als ausreichend thematisiert. Ich sehe keinen Sinn darin, ständig "Mea culpa, mea maxima culpa" herunterzubeten. Den jüngeren Generationen ist das einfach nicht zu vermitteln.

  • Ich bin nicht mehr der Allerjüngste und muss gestehen, das alles noch nie so gesehen zu haben. Aber es ist vollkommen korrekt. Danke für diese Betrachtung.

  • Nicht nur "die Welt" wurde befreit, sondern auch Deutsche von ihren Irrtümern!

    • 8G
      80410 (Profil gelöscht)
      @Toni Zweig:

      Ganz sicher nicht. Befreit hieße, dass diese "Irrtümer", wie Sie so harmlos sagen, fort wären. Die Versatzstücke der Nazi-Ideologie waren aber auch Jahrzehnte nach dem Krieg noch weit verbreitet und finden teilweise auch heute Anklang bis in die Mitte der Gesellschaft.

  • Das was hier als Schulbildung beschrieben wird deckt sich nicht mit dem was ich in der Schule gelernt habe und was meine Kinder lernen und nebenbei auch von mir vermittelt bekommen. Die "Schlussstrichmenschen" hat es leider schon immer gegeben, die Aufarbeitung ist ein Prozess der nie abgeschlossen ist in all seine Facetten, das ist wahr.

  • In jeder x-beliebigen Doku, wird von den Verbrechen der Nazis gesprochen, die Nazis haben dies, die Nazis haben das... ganz so, als ob die Nazi ein fremde Macht gewesen wären, die sich der Deutschen bedient hat... es waren aber die Deutschen, zumindest die meisten Deutschen...



    Andererseits sehe ich die Erzählung, "Wir wurden befreit" als psychologisch notwendig an, um sich vom Nationalsozialismus zu können. Auch wenn die meisten vorher beteiligt waren.



    In der DDR war es tatsächlich ein Tag der Befreiung.

    • @nutzer:

      »Psychologisch notwendig«, um die eigene Schuld und Verstrickung weiter zu verleugnen, ja. Aber nicht notwendig im Sinne einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dieser Schuld und Verstrickung, auch in Bezug auf die eigenen Vorfahren.

    • 8G
      80410 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Selbst die Menschen, die aktiv am und im Regime mitgearbeitet hatten, erzählten später von ihrem Leben zu dieser Zeit, als hätten Sie alles nur passiv ertragen. Historiker, die damals Zeitzeugeninterviews führten, erkanten recht schnell, dass es sich dabei um bewusste wie unbewusste Verdrängungsmechanismen (z.B. zur Wahrung der eigenen moralischen Integrität) handelte und diese Berichte daher wenig Aufschluss über die tatsächliche Zeit gaben.

      Ein aktuelles Beispiel, das hochinteressante Einblicke in diese Problematik gibt, ist der Beitrag in der ZEIT über die 98-jährige Hilka Rüggeberg (leider hinter der Paywall):



      www.zeit.de/zeit-m...ufarbeitung-schuld

      • @80410 (Profil gelöscht):

        ... oder auch das Buch "mir selber seltsam fremd" Willy P. Reese. Ein Junge an der Ostfront und wie er sich völlig veränderte.

      • @80410 (Profil gelöscht):

        ... oder auch das Buch "mir selber seltsam fremd" Willy P. Reese. Ein Junge an der Ostfront und wie er sich völlig veränderte.