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Annäherung von Grünen und FDPDas Trennende überwiegt

Kommentar von Gunnar Hinck

WählerInnen von Grünen und FDP sind sich materiell ähnlich, bilden aber zwei völlig konträre Milieus. Für eine Koalition kann das Sprengstoff bedeuten.

Gemeinsame Schnittmengen suchen oder Reviere abstecken? Habeck, Baerbock und Lindner Foto: Michael Kappeler/dpa

E s ist die Zeit der Brücken-Metapher. Robert Habeck will „Brücken ausloten“, Christian Lindner will sie erst einmal bauen. Keine Frage: Die beiden Vorsitzenden von FDP und Grünen und die grüne Co-Vorsitzende Annalena Baerbock wollen zusammen regieren.

Am Ende werden im Vorwort eines wahrscheinlichen Ampel-Koalitionsvertrags wohl die Schlüsselwörter stehen, die bei einem Bündnis von Grünen und FDP eben nötig sind: „Nachhaltigkeit“ wird grüne Bedürfnisse stillen, „Innovation“ jene der FDP. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass als gelb-grünes Bindeglied von der „ökologisch-technologischen Transformation“ die Rede sein wird, ein Wort, in dem sich sowohl die Biobäuerin als auch der FDP-nahe Freund von Wasserstoffantrieben wiederfindet.

Wobei offen ist, wie die Kompromisse eigentlich aussehen werden. Werden die berühmten gemeinsamen Schnittmengen gesucht oder werden Reviere abgesteckt: Ihr habt freie Hand in der Umweltpolitik, wir dagegen in der Steuerpolitik? Es sind zwei unterschiedliche Ansätze, und es wird nicht ganz unwichtig sein für die Politik in den nächsten vier Jahren, wie die Kompromisse ausgestaltet sein werden.

Es ist ein Rätsel, wie der unterschiedliche Staatsbegriff von Grünen und FDP zusammenpassen soll

Mit einer Partnerschaft von FDP und Grünen werden zwei unterschiedliche politische Kulturen und Milieus zusammenfinden, die eigentlich nicht zusammengehören. Eindrücklich ist der Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg: Hier haben die Grünen bei der Wahl bundesweit die meisten Zweitstimmen geholt – die FDP aber die wenigsten. Ein Blick auf die bundesweiten Wählerwanderungen zeigt, dass es zwischen FDP und Grünen bemerkenswert wenig Austausch gibt; so hat die FDP an die SPD mehr Stimmen abgegeben als an die Grünen. Das Zusammengehen der beiden Parteien hat etwas Antagonistisches.

Dabei sind sich FDP- und Grünen-WählerInnen, wie häufig analysiert worden ist, auf den ersten Blick durchaus ähnlich. Sie gehören im Schnitt zu den Besserverdienenden und sind formal überdurchschnittlich gebildet. Die Grünen allerdings werden besonders häufig von Frauen gewählt, die FDP eher von Männern. Für beide Milieus spielen – ganz bürgerlich – Selbstbestimmung und Selbstoptimierung eine wichtige Rolle, aber diese Werte werden unterschiedlich umgesetzt.

Grüner Trekking-Urlaub

Die klassische Grünen-Wählerin ist eher postmateriell orientiert. Zugespitzt gesagt: Sie investiert ihr Geld lieber in einen individuellen Trekking-Urlaub oder in ein Achtsamkeits-Seminar, um einmal „für sich etwas zu tun“, während der FDP-Wähler sein Geld lieber in materiell handfeste Statussymbole umsetzt. Distinktion und Geschmack sind eben nicht nur Oberflächlichkeiten, sondern markieren Abgrenzungen. Wahrscheinlich würde eine Grünen-Wählerin aus der Wohnung eines FDP-Stammwählers schreiend herauslaufen – und umgekehrt.

Die Unterschiede gehen weiter. Teile der beiden Milieus hegen zwar Sympathien für Privatschulen, aber die Grünen schicken ihren Nachwuchs eher in anthroposophisch orientierte Schulen, wo die Kinder ihre Persönlichkeit entfalten sollen, während die Liberalen Privatschulen mit modern klingenden englischen Namen bevorzugen, die die Kinder „fit“ für den Arbeitsmarkt machen sollen.

In einem Merkmal unterscheiden sich die WählerInnen von Grünen und FDP besonders eklatant. Die Grünen sind zu einer Partei des öffentlichen Dienstes geworden, was sich bei der Bundestagswahl noch deutlicher als bei der Wahl 2017 gezeigt hat. 24 Prozent der Beamten haben laut Infratest dimap grün gewählt; die CDU liegt bei Beamten nur noch knapp vorn. Auch Grünen-WählerInnen geben ihre Stimme nicht nur aufgrund höherer Ideale ab, sondern von konkreten Interessen motiviert. Wenn sie sich für höhere Steuern aussprechen, unterstützen sie damit im Grunde ihren eigenen Arbeitgeber und damit auch sich selbst.

Unter Beamten gibt es, wenn sie nicht geerbt haben, kaum richtig Reiche, somit wären sie auch nicht von den moderaten Steuererhöhungen für SpitzenverdienerInnen betroffen, die die eigene Partei will. Und selbst wenn: Wegen ihrer soliden Pensionserwartungen müssen sie nicht sorgenvoll ans Alter denken und während des Berufsleben Geld für später zurücklegen. Der FDP-Wähler wiederum schon: Überdurchschnittlich viele Selbstständige haben die FDP gewählt.

Der Staat ist für die Grünen-Wählerin eher ein guter Freund, für den FDP-Wähler dagegen ein potenzieller Gegner, der ihm etwas wegnehmen will. Es ist ein Rätsel, wie diese beiden unterschiedlichen Staatsverständnisse zusammengehen sollen, wenn es in den Koalitionsverhandlungen um Steuern und die Rolle des Staates bei der Klimafrage geht.

Der zentrale politische Unterschied liegt aber in der Haltung zum Wirtschaftswachstum und dem Umgang mit natürlichen Ressourcen. Die grüne Stammwählerschaft ist geprägt von dem Wahlspruch der Grünen von 1983: Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. Bei den jungen Klima-AktivistInnen heißt es „Save the Planet“, aber es meint dasselbe. Das grüne Kernmilieu ist skeptisch gegenüber Wachstum und ständig steigendem Energieverbrauch eingestellt, auch wenn dieser „klimaneutral“ und „sauber“ sein soll. Hier liegen Differenzen zur grünen Parteiführung, die von einem „grünen Wachstum“ überzeugt ist – und damit anschlussfähig an die FDP.

Ein Ampel-Koalitionsvertrag dürfte in schönen Worten das vermeintlich Gemeinsame betonen. Aber die unterschwelligen Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Mentalitäten der Wählerschaften speisen, werden ungelöst bleiben und dürften bei konkreten Streitthemen in der Koalition aufbrechen – wenn die grüne Mitgliederbasis, die in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und jünger und radikaler geworden ist, gegen die eigene Parteiführung rebelliert.

Es kann gut sein, dass dann die Partei als solide Regierungspartei dasteht, über die derzeit kaum geredet wird: die SPD.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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69 Kommentare

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  • MOWGLI du hast so Recht! Aber keiner der Dummköpfe wird Dir zustimmen weil alle noch daran denken, etwas zu gewinnen, was Ihnen nicht zusteht.Alle Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP in einen Sack und draufschlagen: Du triffst garantiert nie den verkehrten Politiker. Das sagt wohl alles aus über den Sinn von Politik.

  • Wegen der FDP wurde der Sozialwohnungsbau heruntergefahren, schließlich darf der Staat nicht in Konkurrenz und es wurden durch tausende Ausnahmegenehmigungen zur EEG-Umlagen für Unternehmen der Strompreis für die Bevölkerung verteuert und und es gibt noch unzählige andere Beispiele wo diese Klientelpartei in ihrer Staatsverantworten versagt hat.

  • (…)“Die Grünen sind zu einer Partei des öffentlichen Dienstes geworden, was sich bei der Bundestagswahl noch deutlicher als bei der Wahl 2017 gezeigt hat. 24 Prozent der Beamten haben laut Infratest dimap grün gewählt;“(…)

    Bei der BTW 2021 haben Die Grünen 6.848.215 Zweitstimmen erhalten.

    de.wikipedia.org/w...ges_Gesamtergebnis

    Es gibt in Deutschland ca. 1,7 Millionen Verbeamtete, bei 61.168.234 Wahlberechtigten stellt die Beamtenschaft ca. ca. 2,8% der Wahlberechtigten.

    de.wikipedia.org/w...mter_(Deutschland)

    Wenn also 24% der Verbeamteten Die Grünen gewählt haben (ca. 408.00), dann wären das zusammen ca. 6% der Zweitstimmen und ca. 94% der Zweitstimmen kamen nicht von Verbeamteten.

    Im öffentlichen Dienst sind ca. 5 Millionen Menschen beschäftigt, bei 61.168.234 Wahlberechtigten stellt der öffentliche Dienst ca. 8,2% der Wahlberechtigten.

    www.destatis.de/DE...ienst/_inhalt.html

    Auch wenn sich die 24% auf alle im öffentlichen Dienst Beschäftigte beziehen würden, dann wären das dann zusammen ca. 1.2 Millionen Zweitstimmen oder etwa 17,5% der Zweitstimmen der Grünen bei der BTW. Entsprechend kämen 82,5% der Zweitstimmen der Grünen also nicht aus dem öffentlichen Dienst.



    Ca. 6% (Verbeamtet) und ca. 17,5% (ÖD) der Wählerschaft der Grünen sind wohl dann doch eher Minderheiten, ca. 94% (nicht-Verbeamtet) und ca. 82,5% (nicht-ÖD) sind für mich schon große Mehrheiten.



    Deswegen verstehe ich die Schlussfolgerungen im Artikel über die Wählerschaft der Grünen nicht.

  • Eine Ansammlung von Klischees und Suggestionnen - die nicht belegt sind und teils auch gar nicht belegbar! Bsp:

    "Teile der beiden Milieus hegen zwar Sympathien für Privatschulen, aber die Grünen schicken ihren Nachwuchs eher in anthroposophisch orientierte Schulen, wo die Kinder ihre Persönlichkeit entfalten sollen, während die Liberalen Privatschulen mit modern klingenden englischen Namen bevorzugen, die die Kinder „fit“ für den Arbeitsmarkt machen sollen."

    Suggeriert wird mit der völlig vagen Formulierung "Teilen" irgendeine bedeutsame Größe. Tatsächlich gehen die allermeisten Kinder von Grünenwähler*innen genauso in die staatliche Schule, wie alle anderen auch. Wer bitte schickt im grünen Friedrichshain seine Kinder auf eine "Privatschule"? Oder auf dem Land in BW? Und die Sympatien für bestimmte Schulformen wie Waldorf oder Montessori sind natürlich keine Liebe zur "Privaten" besserverdienerei oder "Distinktion" sondern spiegeln schlicht Unzufriedenheit mit einem Bildungssystem, dass längst einseitig auf Verwertbarkeit und Markkonformität ausgerichtet ist!

  • Für mich wäre die FDP eine Wahloption gewesen, ohne Lindners Drang, mit den Grünen koalieren zu wollen.

    • @Magenta:

      Sie haben AFD gewählt?

  • Was soll der Aufstand?



    Beide wollen sie Reichen die Macht überlassen, über Arbeitskräfte zu bestimmen und von ihnen nach belieben abzuschöpfen.



    Daneben bleibt nicht viel Gestaltungsspielraum, welcher sich bei den Bürgern bemerkbar machen würde. Vor allem nicht bei der Unterschicht.

  • Wenn den Grünen der kindliche Glaube an den guten Staat genommen wird und die Liberalen beginnen, Nachhaltigkeit und Öko zu leben, um damit Geld zu verdienen, dann und nur dann, können wir die Welt noch retten.

    • @Philipp von Krosigk:

      Ich sehe das ähnlich denn ich denke, dass viele Parteien einfach nur ein Mantra verfolgen und Ihre Politik daran statt an dem was wichtig ist ausrichten.

  • Grüne und FDP ist wie eine Liason zwischen Feuer und Wasser. Erfahrungsgemäß gehen soche Gegensätze keine haltbare Ehe ein. Aber wie gesagt, es geht um die süße Kraft der Macht im Lande.Ich sehe in in Kürze Neuwahlen auf uns zukommen weil Die Ampel einfach nicht funktionieren wird. Spätestens nach der zweiten Regierung in Jahresfrist wird der SPD nichts anderes übrig bleiben als GROKO oder Neuwahlen.Die Stimmen von FDP ind AFD müssen eine andere Heimat finden um etwas für unser Land zu tun. Das sind doch sonst verlorene Wählerstimmen!

  • Wenn Grüne und FDP in Geheimgesprächen ausloten, wie sie gemeinsam überproportional zum jeweiligen Stimmenanteil eine Koalition mit der SPD dominieren, dann ist das im Kern ein un- bzw. antidemokratisches Anliegen. Der oft viel zitierte Wählerwillen ist sowieso nur eine Floskel.



    Vielleicht ist Scholz der radikal marktideologische Ansatz der FDP und auch der Grünen ganz recht. Das wäre immerhin ein Grund, Wahlversprechen mit dem Anschein von Bedauern zu canceln.

    Menschen, die sich eine soziale und solidarische Gesellschaftspolitik wünschen, verbunden mit friedenspolitischen Ansätzen, werden wahrscheinlich bitter enttäuscht werden. Ob mit Ampel oder Jamaika. Den Preis für die Zugeständnisse an Grüne und FDP zahlen ohnehin die wenig Wohlhabenden. Wie immer. Siehe Einkommens- und Vermögensunterschiede. Und die "klare Kante" - Politik von Habecck und Baerbock wird hinsichtlich international abgestimmter Klimapolitik viele Scherben hinerlassen.

  • Ich glaube die Überschneidungen sind noch viel größer, gerade die FDP der End 60er, 70er war den Grünen schon sehr nahe. Und viele Grüne sind grundliberal in ihrer Haltung zum Staat, als Beamter oder im Öffentlich Dienst zu arbeiten, macht nicht sofort Staatsnähe aus, wie etwa bei der SPD, wo der Staat meisens das Instrument für Steuerung ist. Ich glaube das Trennende ist, dass die FDP Entstaatlichung will, also mehr Kräfte der Gesellschaft frei lassen, während die Grünen den Staat eher kanallisieren wollen, teilweise zur Lenkung benutzen wollen, wobei die FDP mit ihren Lobbys schon ziemlich gut den Staat und Gesetze nutzt, um Klientelpolitik zu betreiben und Interessen durchzusetzen.

  • Irgendwann, vielleicht auch nie, wird es auch in der taz ankommen, dass der Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain wahrscheinlich von allen Gebietskörperschaften Deutschlands am wenigsten repräsentativ für das ganze Land ist.

    • @Meister Petz:

      Leider Gottes

  • Es fällt mir schwer zu glauben, dass die nächste Bundesregierung, egal in welcher Konstellation, länger Bestand hat als zwei Jahre. Allerdings - zwei schlechte Jahre.

    • @m.d.bichlmeier:

      Weshalb?

      • @rero:

        Weil die FDP den Spagat nicht schafft. Ihre Positionen sind nur mit denen der Union kompatibel. Sie kommen aber nicht umhin, den Grünen Zugeständnisse zu machen die FDP-Wähler vor den Kopf stossen werden. Ich sehe die FDP als den Spaltkeil einer neuen Regierung. Bis dahin mit kaum tragbaren Kompromissen für die politische Entscheidungsfindung.

  • Es gibt IMHO so viele Dinge die erledigt werden müssen, dass man den "Rest" (den Teil, wo man nicht übereinstimmt) auch einfach liegen lassen könnte, und hätte in den nächsten 4 Jahren immer noch mehr als genug zu tun.

    Achja, ein (nicht ganz ernst gemeinter) Vorschlag zu den Steuern: Warum guckt man nicht nach den Steuersätzen während der Zeit von Ludwig Erhard, rechnet für die Grenzen des Spitzensteuersatzes die jährliche amtliche Inflatonsrate drauf, und giesst das dann in ein Gesetz?



    Leider wird das aber mit der FDP nicht gehen. 59% für Spitzenverdiener, da werden die nicht mitspielen, selbst wenn für >= 95% der Bürger die Steuern gesenkt werden ...

  • 2G
    27814 (Profil gelöscht)

    Bei den Selbstständigen sieht man aber eher Gemeinsames als Trennendes. Selbstständige haben, wenn auch gering, überdurchschnittlich grün gewählt. Fdp und Grüne werden beide von Arbeitern wenig gewählt, im Gegensatz zur SPD. Diese Einteilung nach Beschäftigungsverhältnis taugt nicht einen diametralen Unterschied zwischen FDP und Grünen festzustellen.

  • Eins verstehe ich nicht ganz. Wenn mensch die "Brücke ausloten" muss, dann ist sie doch bereits versenkt?

    • @tomás zerolo:

      Nein, es wird ausgelotet wie tief der Graben/die Gräben sind die es gilt mittels einer Brücke zu überwinden.

  • Zitat: „Aber die unterschwelligen Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Mentalitäten der Wählerschaften speisen, werden ungelöst bleiben und dürften bei konkreten Streitthemen in der Koalition aufbrechen – wenn die grüne Mitgliederbasis, die in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und jünger und radikaler geworden ist, gegen die eigene Parteiführung rebelliert.“







    Eine solche Rebellion sehe ich noch nicht am Horizont. Gerade Grünen-Wähler*innen werden ganz schnell zu „Realisten“, sobald sie die materielle Zukunft ihrer Kinder oder den eigenen kommoden Standard gefährdet sehen. Wer etwa grade eben noch (ganz theoretisch) für Integration war, meldet seine Schulanfänger dann doch ganz praktisch in der „besseren“ Schule an, auch wenn sie da hin mit dem Auto gebracht werden müssen.







    Nein, jede Wette: So lange die Wählerschaft noch glaubt, dass sie profitieren kann von der Politik, wird sie nicht aufmucken. Und glauben wird sie wollen, ganz unbedingt. Die Gesellschaft, in der sie lebt, selber (mit) zu organisieren, ist den Lifestyle-Deutschen in gelb und grün viel zu anstrengend. Dazu müssten sie ja ihre jeweilige Blase verlassen, und das ist dann doch zu viel der Zumutung. Sie lassen lieber regieren, die Bürgerkinder jeglichen Geschlechts. Und wenn das heißt, dass sie sich Hoffnung machen lassen müssen, dann lassen sie sich Hoffnung machen von ihren Spitzenpolitikern, „Mentalitäten“ hin oder her, Ratio hin oder her. Was schert sie dann noch ihr Geschwätz von gestern?







    Was mir viel mehr Sorgen macht, als das Scheitern der Ampel-Koalition, ist ihr „Erfolg“. Der Planet verzeiht uns Menschen unsere Überheblichkeit vermutlich nicht mehr lange. Wenn die Ampel also gewinnt mit ihrem (Selbst-)Betrug, verlieren letztendlich alle. Und dass „die SPD“ dann „als solide Regierungspartei dasteht“, halte ich noch für ein böswilliges Gerücht.

  • „Optimismus ist nur ein Mangel an Information.“ (Heiner Müller)

    FDP und Grüne wollen keineswegs zusammen regieren, aber sie müssen, wenn sie denn überhaupt regieren wollen, in jedem Fall zusammen regieren. Insofern sind ihre Koalitionsgespräche jetzt schon zum Erfolg verdammt.



    Volker Wissing (FDP) fühlte sich erst kürzlich aufgerufen, mit roten Haltlinien der FDP (Schuldenbremse; keine Steuererhöhungen für Besserverdiener) vor die Presse zu gehen. Ihm sei hier ein Zitat aus dem Film „American Pie“ von 1999 wärmstens ans Herz gelegt: "Du kannst nicht einfach drauflos fummeln. Du musst den Ofen einheizen, bevor Du den Truthahn reinstellst".

  • Jenseits des Materiellen ? Hmm: sind Bürgergrüns' Ökosiedlungs-Eigentumswohnung oder -Reihenhaus kein Statussymbol ? Und dazu der Tesla ? Freiburg etc. lassen grüßen.

  • Metaphallesabersinngippskein': ausloten tut mensch tiefen (und untiefen), brücken eher nich ...

  • Am interessantesten finde ich die immer gleichen Phasen der Berichterstattung, überwog die letzte Woche die euphorische Bewertung der Chancen und die Betonung des Aufbruchs geht es jetzt über in die Phase in der das Trennende betont wird. Danach kommt die abgeklärte Phase, in der vor allem wieder Detailfragen behandelt werden, und der Grundton "das konnte ja nichts Großes werden, das sind die Mühen der Ebene etc..." und wieder verstärkt aus Sicht von Partikularinteressen berichtet wird, dabei wird dann wieder eine gewisse Enttäuschung mitschwingen.



    Das ist übrigens nicht nur in der Taz so...

    • @nutzer:

      schlechte Nachrichten verkaufen sich letztlich eben doch besser...

  • Ich stelle mir die Unterschiede in Millieu und Staatsverständnis zwischen SPD und FDP noch größer vor, da die SPD sich als Anwalt derjenigen versteht, die auf die Unterstützung eines starken Staates angewiesen sind.



    Zwischen FDP und Grünen haben sich hingegen in den letzten Jahren viele Ressentiments (Stichwort Lieblingsfeinde) angesammelt, die sich nicht immer auf inhaltliche Differenzen zurückführen lassen.

  • Was bleibt nach diesen Sondierungsgesprächen für die Grünen übrig? Ich formuliere es mal so: Grün und Gelb geht gar nicht! Was rauskommen wird sind Feigenblattkompromisse, die das eigene Profil - im Wahlkampf ja immer betont - in den Hintergrund treten lassen. Oder anders ausgedrückt: Wo sind noch grüne Haltelinien, für die sich lohnte "Grün" zu wählen? Den Anspruch der Grünen auf einen Politikwechsel kann ich sehr gut verstehen, aber Mitregieren darf kein Selbstzweck sein. Die Grünen werden auf jeden Fall ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, denn in Regierungsverantwortung geraten sie immer wieder in Widerspruch zu ihrem Programm und ihren Zielen. Aber weil "WählerInnen von Grünen und FDP sind sich materiell ähnlich" sind, also die Wohlstandshängematte gewöhnt, wird sich "grüne Politik" dem Wählerprofil anpassen. Das Schmierentheater wird uns als "Same procedure as every four years" verkauft. Ja verkauft! Denn in diesem System lässt sich alles verkaufen.

    • @Struppo:

      Was die Autorin in ihrer Aufzählung der Unterschiede vergessen hat: Grünen-Wähler kommen tendenziell wesentlich schlechter mit der Tatsache klar, dass außer ihnen selbst nicht zwangsläufig auch der Rest der Welt ihre Meinung für die einzig wahre (und daher kompromisslos zu befolgende) hält...

      KEINE Partei, die gerade mal ein gutes Siebtel der Wählerstimmen erhalten hat und damit auch nicht mehr als 2/7tel zur benötigten Regierungsmehrheit beisteuern kann, hat Anlass zur Erwartung, sich in der Regierung in einer Größenordnung von fünf oder sechs Siebteln durchzusetzen. Das gilt auch für die Grünen und sollte deshalb ihre Wähler von übergroßen Ansprüchen abhalten. Wenn man die Grünen in die Regierung wählt, bedeutet das in erster Linie, dass man nicht AUSSCHIESSLICH von Parteien regiert wird, die ganz klar NICHT die Grünen sind und deren Ziele verfolgen. Aber natürlich ist so eine Regierung bei 14,x Prozent Grünen-Stimmen niemals rein grün - nur halt im Zweifel deutlich grüner als reine Schwarz-Gelb-, Rot-Gelb- oder auch (Vladimir Ilitsch bewahre!) Rot-Rot-Kombinationen.

      • @Normalo:

        Es ist aber auch schwer zu Akzeptieren, dass 6/7 oder mindestens 3/4 der Wählerstimmen an Parteien gegangen sind, die die Zerstörung des Planeten als Lebensraum praktisch befürworten.

        • @syle x:

          Hallo, das sehe ich auch so.Deshalb finde ich es schon erstaunlich das hier von intelligenz geredet wird.diese so hoch oder gut Ausgebildeten Leute begreifen nicht einmal das wenn man den ganzen Planeten angreift (Wasser,Boden und Luft) und dann auf irgend einen Wissenschaftler wartet der das alles mal managed ,der ist für mich nicht gebildet vorallen wenn es Wissenschaftler sind die sagten das nicht nur wenn wir so weiter machen wir die Erde für den Menschen verlieren werden.Aber so ein Lindner sich hinstellt und dann den Wissenschaftler nur akzeptiert wenn es in seinen interesse ist,und wenn nicht, es nicht akzeptiert.



          Das nennen manche Leugte Intiligend?.Für mich ist Politik der FDP nicht ansatzweise intiligend ,sondern Menschen und Lebensverachtend.Das enzige was für diese Leute zählt Money Money



          und der Rest kann sehen wo er bleibt und Sie scheißen auf die Erde.

        • @syle x:

          Zunächst: Danke für die umgehende Bestätigung meines Eingangssatzes. Man nehme seine göttlichen Wahlzettel und wähle ein anderes Volk, schlage ich vor...

          Für alle Nichtgötter aber gilt: Jammern hilft nicht. Und wenn die Partei der man ach so gerne eine gefügsame 90%-Mehrheit wünschen würde, das beste aus dem macht, was die Wahl nunmal gebracht hat, sollte man auch seinen Frust nicht an ihr auslassen und sie für überflüssig erklären.

      • @Normalo:

        schön gesagt.

  • Insgeheim frage ich mich, ob mal jemand untersucht hat, wie hoch der Anteil an Naturwissenschaftler(innen) und vor allem an Mathematiker(innen) in den beiden Parteien ist. Denn das Verständnis für die Unmöglichkeit unbegrenzten Wachstums - gemessen in wirtschaftlicher Produktion - in einem begrenzten System - unserer Erde - ist unter diesen weit verbreitet und setzt der liberalen Wachstumseuphorie natürliche Grenzen.



    Freilich, wenn man sich endlich darauf verständigen könnte, dass "Wachstum" auch begriffen werden kann als Wachstum an Ideen, an Konzepten, an sozialen Errungenschaften, aber auch Wachstum an intakter Natur, an Vielfalt, an Zusammenhalt in der Nachbarschaft - dann könnten Grüne und Liberale vielleicht sogar auf diesem Gebiet zusammenfinden.



    Nur leider müsste dafür die FDP (und übrigens auch die SPD) ihre Fixierung auf wirtschaftliches Wachstum, herkömmlich und unzulänglich definiert übers BIP, aufgeben. Und ob das noch vor Abschluss der diesjährigen Koalitionsverhandlungen gelingt? Da fehlt der nüchternen Mathematikerin die Phantasie für...

    • @Annette Thomas:

      Nun, wenn man dem Neoliberalismus anhängt, hat man es eh nicht so mit Wissenschaft. Die Basis des Konzepts ist ein völlig überkommenes (und überholtes) Konkurrenzprinzip aus der Biologie, der "Homo oeconomicus", eines der wichtigsten Basisthesen dieser Ideologie wurde widerlegt (dafür wurde sogar der Wirtschafts-"Nobelpreis" verliehen), was aber niemand daran hindert, die These weiter zu verwenden, die "Trickle-down"-Theorie hat nachweislich noch nie funktioniert, was aber auch niemand stört , etc. pp

    • @Annette Thomas:

      Ganz so simpel ist die Welt dann doch nicht gestrickt, hoffentlich auch nicht die der Naturwissenschaftler. Lösungen - insbesondere unideologische - für die Gegenwart und die absehbare Zukunft müssen sich nicht an der Frage orientieren, ob sie auch für die Ewigkeit geeignet sind. Anders gesagt: Fragen Sie mal eine munter in Richtung Küste kriechende Landschnecke, ob sie ein Problem damit hat, dass 15km vor ihr das Land aufhört...

      Ergo: Die Erkenntnis, dass etwas endlich ist, steht nicht gleich mit der Akzeptanz, dass das Ende sich auch in absehbarer Nähe befindet. Schönstes Beispiel dafür: Die ganz sicher endlichen und eigentlich - diversen klugen, aber überholten Berechnungen zufolge - schon seit Jahrzehnten erschöpften Ölreserven. Das Problem ließe sich daher besser auch den Wachstumfreunden vermitteln, wenn man von solchen Ausflügen ins Absolute (und daher vermeintlich absolut Richtige) absähe und sich viel mehr mit dem konkrten Jetzt und Hier auseinandersetzte.

      Das wird den schweren Nachteil haben, dafür mehr auf den Tisch klatschen zu müssen als ein paar theoretische Einfachst-Weisheiten. Eventuell muss man sogar - bitte jetzt tapfer sein - die eigenen Überzeugungen ein wenig hinterfragen und - jetzt wird's ganz böse - auch mal der Fraktion der hemmunglosen Hedonisten den einen oder anderen Punkt konzedieren. Das könnte z. B. sein, dass Wachstum nicht unendlich geht, aber seine aktuell absehbaren Grenzen vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Es kommt MÖGLICHERWEISE auch darauf an, was man mit den vorhandenen Ressourcen anstellt, welche man wirklich als "verbraucht" betrachtet und wo man gegebenenfals noch neue herbekommt. Mal ganz grob vereinfacht: CO2 besteht aus denselben Komponenten wie der Inhalt einer lebensrettenden Beatmungsflasche und Diamant. Der Rest ist eine Frage der Energie, und davon haben wir in nur acht Lichtminuten Entfernung grundsätzlich genug für viele Jahrmillionen...

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Normalo:

        „Der Rest ist eine Frage der Energie, und davon haben wir in nur acht Lichtminuten Entfernung grundsätzlich genug für viele Jahrmillionen...“ Ja. Alles ganz einfach. Sie lassen mit ihrer Methode des Rumrelativierens das absolut Wichtige einfach weg, nämlich dass aufgrund der fossilen Energieerzeugung absehbar bis zum Jahr 2050 so viel CO2 in der Atmosphäre sein wird, dass diese aufgrund der ständig aus dem 8 Lichtminuten entfernten Zentralgestirn herbeiströmenden Energie durch den mittlerweile hoffentlich auch Ihnen bekannten Treibhauseffekt so stark erwärmt wird, dass mit immer mehr und stärkeren Wetterextremen zu rechnen ist. Dadurch werden immer mehr Gegenden auf der Erde unbewohnbar und die Ernteausfälle werden zunehmen.

        Die Sonnenenergie kann nicht wie die Lautstärke am Radio durch einen simplen Schieber reguliert werden. Die Treibhausgase sind quasi die Schieberegler für das Klima auf der Erde. Um diese nach unten zu regeln, sprich Reduzierung von CO2 in der Luft, muss a) die fossile Energieerzeugung gedrosselt werden und b) mit hochtechnischen Anlagen und Prozessen „grüner Treibstoff“ erzeugt werden, da nicht alle Industrien und Verkehrsmittel elektrisch betrieben werden können. Die Anlagen zur Erzeugung grüner Treibstoffe benötigen viel Energie, die natürlich elektrisch sein muss und „klimaneutral“ erzeugt werden soll. Mit welchem Aufwand die benötigten Anlagen in welcher Zeit erbaut werden können, ist nicht absehbar. Der mit großem Medienecho begleitete Produktionsstart einer Anlage zur Erzeugung von „grünem Kerosin“ im Emsland taz.de/Klimaschutz...uftfahrt/!5802716/ erregte viel Aufsehen. Schaut man sich die Produktionszahlen in diesem Bericht an, besteht kein Grund zu Euphorie; aber zur „Weltmarktführerschaft“ reicht es schon wieder. In DE ist ja Bescheidenheit eine gerühmte Tugend. Die Frage, wo all die „klimaneutrale“ elektrische Energie für Heizung und Verkehr herkommen soll, ist völlig ungeklärt.

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @95820 (Profil gelöscht):

          Aber Sie tun so, als ließe sich alles wie ein Radio ein- und ausschalten und der Temperaturanstieg ließe sich wie mit einem Lautstärkeknopf regulieren. Ihr „Tonfall“ lässt vermuten, dass Sie ihr Rumrelativieren „cool“ finden. Ich finde es zynisch. Die Gesamtheit von Flora und Fauna auf der Erde, incl. Menschheit, hat absolute Probleme. Menschengemachte Probleme.

          • @95820 (Profil gelöscht):

            Ich relativiere nicht sondern zeige auf, was relativ IST. Mir wird hier umgekehrt zu viel verabsolutiert.

            Auch habe ich nirgends bestritten, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt, nur möchte ich eben nicht, dass an diesen Handlungsbedarf so ideologisierend herangegangen wird. Es gibt Möglichkeiten, dem Klimawandel zu begegnen, die vor allem auf Verzicht basieren, aber eben nicht NUR die. Und wer meint, nur weil die Ressourcen unbestreitbar endlich sind, seien weniger entbehrungsintensive Alternativen von vornherein Mumpitz, schüttet für meine Begriffe das Kind mit dem Bade aus.

            Das ist Alles. Wie schon gesagt könnte eine weniger ideologishe Weise dazu führen, dass man dem Gegenüber asuch mal DEN EINEN ODER ANDEREN Punkt konzedieren muss. Das ist etwas völlig anderes als auf breiter Front einzuknicken oder die Erkenntnisse der Naturwissenschaft zu ignorieren. Das würde ich auch nicht verlangen.

    • @Annette Thomas:

      Grüne und FDP Wähler stammen vermutlich in Berlin wirklich aus sehr unterschiedlichen Milieus.

      In Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen ist das aber anders.



      Das zeigt sich auch im Wahlverhalten, dort sind beide in bestimmten Wahlkreisen ähnlich stark und die Milleus ihrer Wähler (aber nicht unbedingt der Parteimitglieder) haben große Schnittmengen.

    • @Annette Thomas:

      Das BIP Wachstum ist doch schon seit über 20 Jahren vom Ressourcen Verbrauch entkoppelt, Der Energieverbrauch pro Euro BIP sinkt kontinuierlich schon seit vielen Jahren.



      Das ist auch kein Wunder, denn der größte Teil des BIP sind inzwischen Dienstleistungen, deren Wert (zB eine Software) Hängt meist Nicht von Ressourcenverbrauch ab, sondern von Aspekten wie geistiger Leistung

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @Annette Thomas:

      Die Ressourcen dieses Planeten mögen endlich sein, Wirtschaftswachstum ist es nicht. Denn natürlich kann eine Volkswirtschaft auch ohne Ressourenverbrauch wachsen. Dienstleistungen (z. B. anwaltliche Beratung oder eine Frisörbesuch) verbrauchen nichts, tragen aber zum Wachstum bei. Das BIP als Wohlstandsindikator ist aber tatsächlich nicht gerade optimal.

    • @Annette Thomas:

      Unterschätzen Sie Ökonomen nicht! Auch deren Erkenntnisse sind oft hilfreich und können bei der Bewältigung unserer gesellschaftlichen Probleme sehr hilfreich sein.

      Dass es der Staat allein nicht richten kann und oft genug eben nicht besser weis, dafür sollte ein Blick in die Ostblockstaaten noch heute genügen! Länder von oben durchregiert, welche noch nicht mal in der Lage waren die Grundbedürfnisse ihrer Bevölkerungen zu decken!

      Es ist in jedem Fall deutlich klüger einen ökologischen Rahmen abzustecken, als mit gezielten Technologievorhaben zu arbeiten. Denn der Markt ist sehr wohl effizienter beim Ressourceneinsatz, als auch bei der Deckung von Bedarfen.

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Annette Thomas:

      Das ist keine Frage der Mathematik - so wie Wirtschaftswissenschaften eben auch keine Naturwissenschaften sind, sondern bestenfalls Soziologie.

      Wenn es höhere Pflegeschlüssel gäbe, würden mehr Pflegerinnen Lohn erhalten - der Output ist eine qualitativ hochwertigere Pflege, die sich über die Löhne auch nach bisherigen Metriken als Wachstum niederschlagen würde. Wenn diese dann auch weniger technische Hilfmittel benötigen, sinkt sogar der Resourcenverbrauch.

      Auch die Landwirtschaft kann Wachstum produzieren und gleichzeitig Ressourcen einsparen - wenn Regionalität die Transporte begrenzt und bessere Ernährung die Krankheitkosten senkt.

      Nicht Mathematik ist das Problem, sondern Ideologie, die die Metriken einseitig festlegt.

      Es gibt nämlich andererseits ein Problem mit Nullwachstum: Verteilung bedeutet dann immer, dass jemandem unmittelbar Etwas weggenommen wird - und das geht eigentlich nur in totalitären Systemen. Deswegen sind Wachstum und Inflation elementare Voraussetzungen für Demokratien.

      Die Weggabelung, an der wir die Möglichkeit zu Nullwachstum und Einklang mit der Natur verlassen haben, liegt weit über 10.000 Jahre zurück.

    • 3G
      32533 (Profil gelöscht)
      @Annette Thomas:

      Der Wink mit dem Zaunpfahl ist gut. Hier der Hinweis auf die Grenzen des Wachstums im Kontext von Naturwissenschaften und Mathematik.

      Als Sozialwissenschaftlich gebildeter Mensch befürchte ich: das allein reicht nicht. Die Begrenztheit liegt noch bei anderen Aspekten der erkennenden (oder erkenntnisfreien) Subjekte.

      Den prägnanten Satz von Einstein setze ich hier unter klugen Menschen voraus. Falls nicht: ich gebe ihn gerne preis. Immerhin gibt es von A. E. mehr als nur einen.

    • @Annette Thomas:

      Auch Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz steigern das BIP. Ebenso Arbeitseinkommen, die in diesen Sektoren erzielt werden. Gegen eine Steigerung des BIP ist generell nichts einzuwenden. Es kommt allein darauf an, was drinsteckt.

      • @Adam Weishaupt:

        Natürlich kann man das BIP weniger schädlich steigern, als es im Moment der Fall ist.



        Aber solang Wachstum in gesteigerten Produktionszahlen gemessen wird und Produktion in Form von Ressourcenverbrauch stattfindet (auch wenn der Strom von der Sonne kommt, muss der Beton mit endlich viel Sand auskommen und die Züge mit endlichen Schienenwegen), bleibt das eherne Gesetz bestehen: Wachstum ist begrenzt. Solang es nicht rein ideell stattfindet, stößt es an absolute Grenzen - die Erschöpfung der Ressourcen - und lange vorher schon an den "Grenznutzen", wo die Kosten in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen stehen.



        Wir könnten diese Grenzen strecken und sie ein weiteres Mal auf jenseits unserer eigenen Lebensspanne verschieben. Das grundsätzliche Problem bleibt aber bestehen, solange wir unsere Vorstellung von einem gelungenen Leben und einer gelungenen Wirtschaft nicht an dieses Naturgesetz anpassen.

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @Annette Thomas:

          Jaja, das geistige und das materielle Wachstum…



          „Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit.



          Leicht beieinander wohnen die Gedanken,



          doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.



          Wo eines Platz nimmt, muss das andre rücken.“



          (Schiller – Wallensteins Tod)

        • @Annette Thomas:

          Liebe Annette, nimm dir doch bitte mal ein Einfuehrungsbuch in die Volkswirtschaftslehre. Dort wirst du sehen, dass das Wachstum durchaus unbegrenzt sein kann - und zwar eben wegen der Innovation, der Kunst und der Kultur. Die letzten 10000 Jahre hat das auch ganz gut geklappt. Geschlossen ist das System übrigens nur ganz im Großen, was man schon an der Sonnenenergie sieht, die Solarzellen einfangen. Online Zeitungen tragen genau so zum Wirtschaftswachstum bei wie Zementwerke und Profifußball. Und zum “Grenznutzen” wirst du sicher Ueberraschendes lernen;).

  • "Es ist ein Rätsel, wie diese beiden unterschiedlichen Staatsverständnisse zusammengehen sollen, wenn es in den Koalitionsverhandlungen um Steuern und die Rolle des Staates bei der Klimafrage geht." Da muss man nur ein bisschen kreativ und fantasievoll sein. Abbau klimaschädlicher Subventionen wäre ein Thema, bei dem sich beide treffen können. Bringt Geld in die Kasse, vermeidet echte Steuererhöhungen, ist gut fürs Klima. FDP will seit jeher Subventionsabbau, Grüne wollen Klimaschutz, beide brauchen Geld im Steuersäckel. Und zusätzlich sind diese Maßnahmen effizienter als z. B. das Reizthema Tempolimit. Eine Studie des "Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft" zeigt, dass allein der Abbau der 10 klimaschädlichsten Subventionen 100 Mio. Tonnen CO2 von den jährlich 640 Mio. Tonnen ersparen würde und 40 Mrd. Euro zusätzliche Steuereinnahmen generieren würde, Steuereinnahmen die auch noch direkt klimawirksam sind. Zum Vergleich das Tempolimit: 2 Mio. Tonnen von 640 Mio.

    • @Adam Weishaupt:

      Leider wird von der fdp der Abbau von Klimaschädlichen Subventionen erwähnt. Die sind immer nur gegen neue Subventionen wenn es ums Klima geht.... Anbei ein schönes Beispiel. Der Widerspruch, dass der Abbau bei den einen zu Marktverzerrungen führt und das Einführen bei den anderen zu ebenfalls leuchtet mir nicht ein. Da wird bei den einen betont, dass sie an sich teuer sind und bei den anderen, dass sie wenn es sie nicht gäbe alles teurer machen würden.



      Aber falls sie Beispiele haben, wo sich fdp Politiker gegen klimaschädlische Subventionen aussprechen gerne her damit.

      www.abgeordnetenwa...periode-abschaffen

      • @esgibtnureinengott:

        Aus Ihrem Beispiel entnehme ich nur, dass die FDP hier bestimmte Subventionen abgelehnt hat, weil sie aus ihrer Sicht nicht zur CO2-Vermeidung beitragen. Wieso soll ausgerechnet das belegen, dass die FDP jetzt und für immer gegen den Abbau klimaschädlicher Subventionen wäre?

      • @esgibtnureinengott:

        Ich bin froh, dass die Verhandler auf beiden Seiten nicht ebenso verbissen der Vergangenheit verhaftet sind, sondern stattdessen nach Gemeinsamkeiten suchen. Mein Beispiel ist eines davon.

        • @Adam Weishaupt:

          Oh ich hatte den Satz mit den Marktverzerrungen falsch gelesen. War noch früh. Trotzdem ist es bezeichnend, dass er auf die Frage welche Subventionen denn abgeschafft werden sollen erstmal ausführlich erzählt warum er keine neuen Subventionen will. Und dann ganz am Ende nur in einem Satz Kohlesubventionen nennt.



          Also wenn sich jetzt in den Verhandlungen herausstellt, dass die FDP auch gegen Subventionen wie das Dienstwagenprivileg vorgehen will, oder eine Kerosinsteuer für angebracht hält, gerne. Ich habe in den bisherigen Interviews, die ich mit Leuten von der fdp gesehen habe das nie als Talking Point von denen wahrgenommen.

  • Ja, das wird schwierig, aber da all diese Gegensätze ja in der Bevölkerung auch vertreten sind, wird das wohl so oder so irgendwie zusammen gehen müssen. Das in einer Regierungskoalition vertreten und gelöst zu sehen, wäre gut.

    Wenn es selbst da nicht geht, tja. Wie soll es denn dann im ganzen Land gehen? Ich hoffe mal, dass alle Beteiligten sich ihrer Verantwortung bewusst sind, da kann man manchmal schon Zweifel haben. Vielleicht wäre mal ein wenig Dialektik gut? Ist immer ideal bei Gegensätzen. Dialektik können aber leider weder die Grünen noch die FDP sonderlich gut, hmm.

  • Das ist wirklich mal ein Artikel, den man jungen Journalisten präsentieren könnte als Beispiel, wie man es richtig macht. Fakten werden aufgezählt, die Wertung bleibt im Hintergrund, Schlussfolgerungen werden als solche erkennbar, der Autor könnte dem Artikel nach Wähler jeder denkbaren Partei sein - man erkennt es nicht.

    So soll es "eigentlich" sein.

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    Zusatz: Dass die Grünen eine "Beamtenpartei" - vermutlich sogar ganz konkret: Lehrer*innen-Partei - sind, ist ein großes strukturelles Manko der Grünen.

    Beamte sind sehr effizient darin: Dinge zu verhindern und Lösungswege durch Prinzipienreiterei zu verbauen. Die Idee von einem "Klima-Veto" für alle Vorhaben der Bundesregierung passt da z.B. perfekt ins Bild. Wenn es denn bei diesem einen Veto bleibt.

    • @04405 (Profil gelöscht):

      Die selektive Wahrnehmung gewisser Kreise ist immer wieder amüsant. Das vorgeschlagene Vetorecht des Umweltministeriums ist gaaanz schrecklich. Aber das seit Gründung dieses Landes existierende Vetoreht des Finanzministeriums stört diese Kreise natürlich nicht im Geringsten. LOL.

  • Es ist doch gut für die Demokratie, wenn zwischen an sich konträren Positionen eine Brücke geschlagen wird, ein Kompromiss gefunden wird, der für alle vertretbar ist. Die Alternative wäre, dass eine Seite die andere mit Mehrheit überstimmt, die ggf. für 49% der Bevölkerung inakzeptabel ist.

    Am Beispiel Klimaschutz glaube ich, dass dieser den meisten Grün-Wähler*n wichtig ist, vielleicht mehr noch als den Parteimitgliedern und -funktionären. Bei vielen FDP-Wählern hat er geringere Priorität, aber sie hätten nichts grundlegend dagegen, sofern ihnen der Staat nicht zu viele Vorschriften macht.

    Ob die meisten Leute dann langsamer als 130 km/h auf der Autobahn fahren, weil es ein Tempolimit gibt (Grünen-Vorschlag), oder weil die Benzinpreise so gestiegen sind, dass der Gasfuß zu teuer kommt (FDP-Konzept zum Klimaschutz), ist den meisten Grün-Wählern vermutlich unwichtig. Für die FDP -Wähler ist es wichtig, dass sie auch mal schneller fahren könnten, weil sie es bei bestimmten Fahrten besonders eilig haben, oder weil sie es einfach mal wollen.



    So kann man dann beiden Seiten gerecht werden, ohne dass die beiden Milies zusammengepresst werden.

    • @meerwind7:

      Man müsste natürlich zunächst klären - und zwar bevor man in Koalitionsverhandlungen über Zugeständnisse für die jeweils andere Seite redet -, ob die vorgenommene Millieubeschreibung überhaupt den Tatsachen oder doch mehr einem Klischeedenken entspricht.



      Was ist, wenn sich FDP‘ler eben nicht damit abspeisen lassen, dass sie zu bestimmten Gelegenheiten mal ordentlich den Gasfuss betätigen dürfen, um im Gegenzug den Grünen mal eben so locker deren sozial-ökologische Gesellschaftstransformation durchgehen zu lassen?



      Und die Sozialdemokraten stehen besorgt daneben und achten peinlichst darauf, dass der ganze Laden nicht auseinanderfliegt, da sie ja lediglich den Kanzler stellen wollen und auf sonstige eigene Ambitionen ganz verzichten, nur damit sich ihre grüngelben Koalitionspartner so richtig kuschelig fühlen können?



      Ach, wenn es doch so einfach wäre …

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    Es ist besorgniserregend, dass (auch) dieser Kommentar das Trennende der Lager "Grüne Wählerin" und "FPD Wähler" betont - denn so oder so wird die nächste Regierung beide vertreten müssen. Das ist doch das schöne und schwierige an der Demokratie: Das sich nicht eine Partei in Rechthaberei und Kampf gegen die "Gegner" zurückziehen kann, sondern Probleme im Sinne aller gelöst werden müssen.

    Feindbilder aufzubauen, hilft da gar nicht. Das offensichtlich auch der Geschlechterkampf eine Rolle spielt - und auch spielen soll - ist noch besorgniserregender. Die Klimakrise hat kein Geschlecht und betrifft alle Menschen gleichermaßen.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @04405 (Profil gelöscht):

      "..denn so oder so wird die nächste Regierung beide vertreten müssen."



      Wie wäre es mit rot/schwarz? Haben die SPD Oberen eigentlich eine Kolatition mit der Union oder nur eine "große Koalition" ausgeschlossen? Groß ist ja nix mehr im Bundestag.

      • 0G
        04405 (Profil gelöscht)
        @95820 (Profil gelöscht):

        Auch eine rot/schwarze Regierung wird die "Milieus" von Grünen- und FDP-Wähler:innen vertreten müssen. Denn die Bundesregierung vertritt grundsätzlich die Interessen aller Bürger:innen Deutschlands - sogar derjenigen, die nicht wählen können oder wollen.

        Daher führt die gesellschaftliche Spaltung irgendwann zur Delegitimierung und Zerstörung der parlamentarischen Demokratie an sich.

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @04405 (Profil gelöscht):

      Es bleibt immer - leider - noch die GroKo..

      Deswegen ist Scholz so leise - der wartet darauf, dass FDP und Grüne die Alternativlosigkeit der GroKo herbeiführen.

    • @04405 (Profil gelöscht):

      Sie beschreiben treffend, wie Demokratie funktionieren muss, wenn es die aktuellen "Mehrheitssituationen" erfordern.