Anklage gegen Linke Maja T. erhoben: Ungarn droht mit jahrelanger Haft
Im Juni 2024 wurde Antifaschist*in Maja T. nach Ungarn ausgeliefert. Nun wurde Anklage erhoben – mit drakonischen Strafandrohungen.
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Neben Maja T. wird laut Generalstaatsanwaltschaft Budapest auch der Italiener Gabriele M. angeklagt. Dieser allerdings befindet sich weiterhin in Italien – ein Gericht in Mailand hatte seine Auslieferung abgelehnt, wegen Zweifeln an der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Gegen Gabriele M. soll nun in Abwesenheit verhandelt werden. Maja T. sitzt dagegen in Budapest in U-Haft.
Die Anklage wirft Maja T. und Gabriele M. vor, Teil einer kriminellen linksextremen Vereinigung zu sein. In den Tagen um den 11. Februar 2023 hätten sie mit anderen Autonomen in Budapest mehrere schwere Angriffe auf Teilnehmende des rechtsextremen Aufmarschs „Tag der Ehre“ verübt, einem europäischen Szenetreffen. Die Angriffe seien konspirativ vorbereitet gewesen, mit klaren Rollenverteilungen, auch Schlagwerkzeuge seien eingesetzt worden. Insgesamt sechs Personen seien schwer verletzt worden, Ziel seien lebensgefährliche Verletzungen gewesen.
Maja T. wird vorgeworfen, sich an vier Angriffen beteiligt zu haben, an einer Metro-Station, vor einer Bank und auf einem Platz im Stadtteil Gazdagrét. Teils sei T. dabei Angreifer*in gewesen, teils Beobachter*in. Die Vorwürfe lauten auf versuchte lebensgefährliche oder schwere Körperverletzung als Teil einer kriminellen Vereinigung. Gabriele M. wird die Beteiligung an drei Angriffen vorgeworfen.
„Krasses Missverhältnis“
Sven Richwin, Anwalt von Maja T., bestätigte der taz die Anklage. Er kritisierte die erhobenen Strafandrohungen. Demnach habe die Staatsanwaltschaft bei einem Geständnis von Maja T. ohne Verhandlung eine Strafe von 14 Jahren angeboten, mit Verbüßung unter „besonders strengen Haftbedingungen“. Ansonsten stehe eine Haftstrafe von 24 Jahren im Raum, so Richwin. Er sprach von einem „krassen Missverhältnis“ zu den Tatfolgen – zu Platzwunden, die in wenigen Tagen heilten.
Mit einem Prozessbeginn sei nun Ende Februar zu rechnen, so Richwin. Er rechne mit einer „entwürdigenden Vorführung“ von Maja T., wie sie schon gegen die Italienerin Illaria Salis erfolgte, die direkt nach den Angriffen im Februar 2023 in Budapest festgenommen wurde, zusammen mit einer Ungarin und den Berliner*innen Maria M. und Tobias E. Salis war bei ihrem Prozessauftakt in Budapest in Ketten vorgeführt worden.
Richwin und sein Kanzleikollege Maik Elster kritisieren auch die Haftbedingungen von Maja T. „Die hygienischen Zustände und Verpflegung sind schlecht“, so Richwin. Mehrere Monate sei Maja T. rund um die Uhr in der Zelle videoüberwacht worden, T. befinde sich weiter in Isolationshaft. Dem deutschen Konsulat sei eine Visite der Haftzelle verweigert worden. Auch ein eigener Gefängnisbesuch im Dezember sei ihnen als Anwälten erst erlaubt worden, nachdem man dies gerichtlich durchgesetzt habe, klagt Richwin.
Auch Angehörige und Unterstützer*innen von Maja T. hatten zuletzt die Haftbedingungen kritisiert. Sie forderten eine Rückholung nach Deutschland – und keine weiteren Auslieferungen von Linken nach Ungarn.
Maja T. war im Dezember 2023 in Berlin von deutschen Zielfahndern festgenommen worden, anschließend saß T. in der JVA Dresden in U-Haft. Im Juni 2024 erfolgte nach einer Entscheidung des Berliner Kammergerichts die Auslieferung nach Ungarn in einer Blitzaktion: Ohne die Entscheidung über einen Eilantrag der Anwälte vor dem Bundesverfassungsgericht abzuwarten, wurde Maja T. nach Ungarn gebracht. Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung vorerst abgelehnt, als es bereits zu spät war. Wegen des Vorgangs haben die Anwälte von Maja T. Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Mehrere Antifas sind abgetaucht
Seit den Angriffen von Budapest sind ein knappes Dutzend deutscher Antifaschist*innen abgetaucht. Nach ihnen suchen ungarische wie deutsche Behörden. Gegen die bereits in Budapest festgenommenen Anna M. und Illaria Salis, die inzwischen Europaabgeordnete ist, läuft bereits ein Prozess in Budapest.
Auch Tobias E. war dort angeklagt, hatte aber ein Geständnis abgelegt und auf eine Beweisaufnahme verzichtet. Er war darauf zu drei Jahren Haft verurteilt worden, die später auf ein Jahr und zehn Monate reduziert wurden. Im Dezember war Tobias E. nach Deutschland ausgeliefert worden – wo er sofort wieder festgenommen wurde, weil ihm hierzulande weitere Vorwürfe gemacht werden. Seine Anwältin kritisierte das als „nicht nachvollziehbar“. Tobias E. habe seine Strafe bereits verbüßt und sei auch bei weiteren Vorwürfen immer bereit gewesen, sich diesen zu stellen.
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